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Grünflächen als Standortfaktor



Wohlbefinden. Je heißer die Tage, umso wichtiger werden in den Städten die Grünanlagen. Doch Bäume und Sträucher sind nicht nur für das Klima, sondern auch als Standortfaktor wichtig.

„Schade, dass Bäume nur Sauerstoff zum Atmen produzieren und kein kostenloses WLAN senden, sonst würden in den Städten viel mehr Bäume gepflanzt werden“, so Reiner Bierig mit einem Augenzwinkern. Die heißen Tage Ende Juni hätten wieder einmal gezeigt, wie wichtig das Grün für das Klima in Städten wie Stuttgart sei, so der Geschäftsführer vom Verband der Garten-, Landschafts- und Sportplatzbauer Baden-Württemberg. Je mehr Grün in den Städten vorhanden sei, umso größer sei auch die Lebensqualität.

Untersuchungen hätten gezeigt, dass in Stadtquartieren mit einem hohen Baumbestand, mit Pflanzen, Rasen und kleinen Teichen oder Wasserläufen die Umgebungstemperatur deutlich – bis zu zehn Grad – niedriger sei. Das kann jeder selbst einmal ausprobieren. „Stellen Sie sich einmal eine halbe Stunde zuerst auf einen asphaltierten oder versiegelten Platz und anschließend auf einen Platz, wo Bäume Schatten spenden“, schlägt der Gartenexperte vor. Dann spüre man schnell, wie wertvoll das Grün in den Städten sein kann. Problematisch sieht Reiner Bierig hierbei auch moderne Bürogebäude in den Städten, deren Fassaden fast nur noch aus Glas bestehen.


Grüne Dächer, Archivmaterial 2018

„Die mögen zwar innen klimatisiert sein. Nach außen strahlen diese Fassaden aber immens viel Wärme ab. Darunter leidet die Aufenthaltsqualität in der Stadt. Warum gehen die Leute im Sommer so gern in den Biergarten?“, fragt Bierig und gibt sich sogleich selbst die Antwort: „...weil die Bäume dort Schatten spenden und dadurch die Umgebungstemperatur soweit gesenkt wird, dass man sich dort auch gern im Freien aufhält.“

Dass die Forderung nach mehr Grün in den Städten immer öfter auch mit dem Wunsch nach mehr Wohnraum kollidiert, weiß auch der Gartenbauexperte. „Ich glaube, man muss sich bewusst werden, dass das eine nicht ohne das andere funktioniert.“ Je enger die Städte bebaut werden, umso schwieriger werde es, dass sich dort die Menschen auch wohlfühlen, wenn das Grün nur als Alibifläche installiert wird, warnt Reiner Bierig. Beim Thema grüne Stadt gehe es längst nicht nur um das Klima. „Es geht auch um das Auge und die Psyche.“

Längst hätten die Städte erkannt, wie wichtig die Grünflächen für das Wohlbefinden sind. Doch dass die Städte quantitativ deshalb grüner würden, will Reiner Bierig so noch nicht festgestellt haben. „Die Grünflächen sind mittlerweile ein wichtiger und knallharter Standortfaktor für die Städte“, glaubt Bierig. Mittlerweile handele es sich dabei um Infrastruktureinrichtungen, ohne die Städte sich langfristig nicht weiter entwickeln können. Durch den Druck in den Städten, aufgrund der hohen Wohnraumnachfrage enger und dichter zu bauen, wird nicht nur das Grün drumherum gewinnen, sondern auch neue Formen wie die Dach- oder Fassadenbegrünung.


Die Gärten des Grauens, Archivmaterial 2018

Während es heute fast kein Dach gibt, das nicht begrünt werden könnte, ist die Fassadenbegrünung baulich immer noch eine Herausforderung, räumt auch der Gartenbauexperte ein. Gerade bei der Pflege von Pflanzen und Gehölzen nehmen die Probleme derzeit von Stockwerk zu Stockwerk zu. Wie können die Pflanzen so befestigt werden, dass ein plötzlicher Windstoß sie nicht aus ihrem Pflanzenbeet reißt? Wie müssen Bewässerungssysteme konstruiert werden, damit die Pflanzen kontinuierlich versorgt werden können, und wie sieht es mit baurechtlichen Vorschriften wie zum Beispiel der Frage nach dem Brandschutz aus? „Natürlich kann niemand einen Waldbrand im 20.Stockwerk brauchen“, aber das sei technisch heute schon lösbar.

Doch Grün gibt es nicht zum Nulltarif. Reiner Bierig rechnet dagegen. Grün liefere viele Leistungen für die Allgemeinheit. Bäume binden CO2 und wandeln diesen in Sauerstoff um, und Grünanlagen und Dachbegrünungen können bei starken Regenfällen das Wasser zurückhalten. „Das ist aktiver Hochwasserschutz“, sagt er.

Dabei können sich seine Mitgliedsbetriebe derzeit nicht über die Auftragslage beklagen. Im zurückliegenden Jahr erzielten die GaLaBau-Betriebe im Land einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro. Das sind fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Nach wie vor ist der Privatbereich mit 61 Prozent der Motor der Branche. Die meisten Aufträge gingen dabei in die Gartenumgestaltung. Einen bestimmten Trend gebe es aber genauso wenig wie den Garten von der Stange. Wichtig für die Privatkunden seien die Wünsche nach Entspannung und Erholung. Gärten werden für viele Menschen immer mehr zur Kraftquelle, so Bierig.

Ingo Dalcolmo

Der Beitrag erschien am 20. Juli 2019 im Immobilienteil der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. Der Autor ist freier Wirtschaftsjournalist und berichtet unter anderem über die Finanz- und Immobilienwirtschaft in der Region Stuttgart.








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