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Wirtschaft regional

"Die Stromversorgung ist sicher"

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Strom gehört zum Alltag wie das Wasser. Kein Computer, kein Smartphone, kein TV-Gerät würde ohne ihn funktionieren. Wie Strom produziert wird, wissen viele. Doch wer weiß schon, wie der Strom eigentlich in die Steckdose kommt. In Baden-Württemberg ist dafür unter anderem die TransnetBW GmbH verantwortlich. Werner Götz, der Vorsitzende der Geschäftsführung von Transnet BW, erklärt im Interview unter anderem auch, wie Strom transportiert wird und warum nicht alle Stromkabel unter die Erde verlegt werden können. Zunächst geht es aber um die aktuelle Situation.


Herr Dr. Götz. Corona hat die Welt in den Krisenmodus versetzt. Wie sicher ist die Stromversorgung in unserem Land?

Die Stromversorgung ist derzeit sicher. Der einzelne Bürger hat zu Hause keinerlei Einschränkungen durch die Pandemie.

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Dr. Werner Götz ist Vorsitzender der Geschäftsführung der TransnetBW, die das Stromübertragungsnetz in Baden-Württemberg betreibt. Götz ist gebürtiger Münchener, Jahrgang 1962, und hat an der TU München zu Thermo- und Fluiddynamik promoviert, einer Disziplin der Elektrotechnik. Nach Auslandsstationen bei der TÜV Süddeutschland AG trat Dr. Werner Götz im Jahr 2000 in die EnBW Energie Baden-Württemberg AG ein. Dort übernahm er Tätigkeiten als Geschäftsführer, unter anderem bei der EnBW Energy Solutions GmbH und der EnBW Erneuerbare Energien GmbH. Anschließend war Götz Technischer Vorstand der EnBW Erneuerbare und Konventionelle Erzeugung AG, später leitete er den Geschäftsbereich Erzeugung Betrieb der EnBW AG. Anfang 2015 wurde Götz in die Geschäftsführung der TransnetBW GmbH berufen. Seit 2017 ist er deren Vorsitzender. Bei der TransnetBW verantwortet Götz als CEO das Ressort Technik und Großprojekte und damit unter anderem die bundesweiten Netzbau-Projekte SuedLink und Ultranet sowie den Netzausbau im baden-württembergischen Höchstspannungsnetz.



Dennoch hat sich der Stromverbrauch verändert. Spüren Sie das?

Wir stellen fest, dass mehr als ein Zehntel weniger Strom durch unsere Leitungen fließt. Das liegt offenbar daran, dass industrielle Nachfrager ihre Produktion gedrosselt oder sogar eingestellt haben.

Wie halten Sie die Waage zwischen Verbrauch und Erzeugung?

Unsere Leitungen können Strom nicht speichern. Darum halten wir ständig Verbrauch und Erzeugung im Gleichgewicht. Das ist mittlerweile gar nicht mehr so einfach, weil wir Erzeugungsanlagen für erneuerbare Energie haben, die nicht mehr dem Verbrauch folgen, sondern volatil reagieren. Früher wurde bei steigendem Stromverbrauch im Kraftwerk einfach ein bisschen mehr Gas gegeben. Das geht bei Solar- oder Windkraftanlagen nicht so einfach, da sie nur dann Strom erzeugen, wenn die Sonne scheint oder der Wind entsprechend bläst. Unsere Hauptschaltleitung in Wendlingen ist dafür verantwortlich, dass der Verbrauch und die Erzeugung zu jeder Zeit im Gleichgewicht sind.

Wie muss man sich das vorstellen?

Wir beginnen mir unserer Planung immer mindestens eine Woche im Voraus. Das heißt, wir prognostizieren zum Beispiel die Erzeugung von Strom anhand vom komplexen Wettermodellen, wissen auch, an wie vielen Stunden in den nächsten Tagen die Sonne scheint. Das Gleiche machen wir auf der Verbrauchsseite, wo Marktmodelle auf Basis von Verbrauchsdaten aus den zurückliegenden Jahren zur Vorhersage des kommenden Bedarfs eingesetzt werden.

Und wie gut funktioniert das in der Praxis?

Da wir Modelle für die Prognose einsetzen, gibt es natürlich auch Abweichungen, die von uns in jeder Sekunde ausgeglichen werden müssen. Um diese Lücken zu schließen, beschaffen wir so genannte Ausgleichsenergie. Das ist ein hoch komplexes Thema mit viel Mathematik. Doch dadurch haben wir eine hohe Stabilität bei der Spannung und Frequenz. So können wir auch sicherstellen, dass zu jedem Zeitpunkt im Land die Stromversorgung sichergestellt ist. Außerdem betreiben wir unser Netz mit der so genannten n-1-Sicherheit. Das heißt: Falls beispielsweise ein Stromkreis ausfällt, gibt es immer einen zweiten, der den Strom aufnehmen und transportieren kann.

Jetzt scheint die Sonne ja quasi, wann sie will und wo sie will. Und auch der Wind lässt sich nichts vorschreiben. Was machen Sie denn mit der überschüssigen Energie aus dem Land?

Der Strom aus den erneuerbaren Energien wird zum einen Teil von den Anlagenbetreibern selbst genutzt, und zum anderen Teil über die Großhandelsmärkte weitergegeben. Für diejenigen, die sich nicht selbst um die Vermarktung kümmern, machen wir das. Das gehört heute zu den Aufgaben eines Übertragungsnetzbetreibers.

Warum sind wir dann trotzdem auf den Import von Strom angewiesen?

Das hängt damit zusammen, dass Baden-Württemberg traditionell eine hohe Kapazität an Kernenergie hatte, die durch den Kernenergieausstieg jetzt reduziert wird. Das gilt perspektivisch auch für die Kohle. Dadurch werden die Zeitfenster, in denen wir uns autark mit Energie versorgen können, deutlich weniger werden. Die Sonne ist zwar heute mit mehr als 6000 Megawatt installierter PV-Anlagen gewissermaßen schon das größte Kraftwerk in unserem Bundesland, kann aber den Rückgang durch die Abschaltungen nicht auffangen. Darum brauchen wir Strom von unseren deutschen und europäischen Nachbarn, am besten natürlich aus erneuerbaren Energien, etwa Windstrom aus dem Norden Deutschlands.

Der zusätzlich benötigte Strom kommt oft von weit her. Gibt es beim Stromtransport Einschränkungen hinsichtlich der Entfernung?

Der Transport von Strom über große Entfernungen ist technisch machbar. Strecken von 700 Kilometern und mehr zu überbrücken, ist kein Problem. Wir werden mit der Windstromleitung SuedLink von Schleswig-Holstein nach Leingarten bei Heilbronn eine solche Verbindung realisieren. Bei Gleichstrom-Spannungen von 525 000 Volt, die wir dort einsetzen, funktioniert das über diese Entfernungen auch mit nur geringen Verlusten. SuedLink ist aus deutscher Sicht ein Pionier-Projekt, denn wir setzen mit dieser hohen Spannungzum ersten Mal auf Gleichstromübertragung über Erdkabel. Die Entscheidung für das Erdkabel – anstatt ursprünglich geplanter Freileitungen – stärkt die Akzeptanz für diese Verbindung, die Baden-Württemberg mit den Zentren der Erneuerbaren Energien im Norden verbindet.

Wäre es da nicht einfacher, von Anfang an gleich alle Trassen unterirdisch zu verlegen?

Hier muss zwischen Drehstrom- und Gleichstromnetz unterschieden werden. Beim Gleichstromnetz ist es technologisch darstellbar und auch machbar. Beim Drehstromsystem ist das deutlich komplexer. Für den Bürger ist das oft nicht nachvollziehbar, warum das eine geht und das andere nicht. Das ist aber nicht so trivial wie wir uns das wünschen würden. Natürlich ist es auch eine Kostenfrage. Erdkabel sind etwa dreimal so teuer wie Freileitungen. Vor allem, wenn schon Masten und Freileitungen da sind, macht es keinen Sinn, auf Erdkabel zu wechseln.

Wie sicher ist Ihre IT gegen Ausfälle gewappnet?

In Wendlingen sind alle Systeme redundant vorhanden. Das Rechenzentrum gibt es praktisch zweimal. Außerdem ist es durch eine komplexe Firewall-Struktur abgesichert, so dass Hacker keine Chance haben sollten.

In der Öffentlichkeit sind die Stromversorger schon allein durch die jährliche Stromrechnung präsent. Die Betreiber der Leitungsnetze kennt dagegen kaum einer, außer es soll irgendwo eine neue Trasse oder Leitung gebaut werden und Teile der Bevölkerung sind dagegen.

Das stimmt. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass es von außen gesehen nicht so spannend ist, Strom von A nach B zu transportieren. Es ist unauffällig, es funktioniert einfach und die Bevölkerung hat sich natürlich auch an die hohe Versorgungsstabilität gewöhnt. Sichtbar wird es in der Tat immer dann, wenn eine Leitung das Landschaftsbild stört, wenn sie repariert, erneuert oder neu gebaut werden muss und man persönlich davon betroffen ist. Ansonsten nehmen die Bürgerinnen und Bürger von der Arbeit eines Stromübertragungsnetzbetreibers wenig war.

Fotos: TransnetBW


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Der Beitrag erschien am 18. April 2020 in der Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten als PR-Beitrag