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Wirtschaft regional

„Die Region ist wirtschaftlich stabil aufgestellt“


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Der oberste Wirtschaftsförderer der Region Stuttgart, Dr. Walter Rogg, macht im Interview Mut: die Region ist wirtschaftlich stabil aufgestellt. Jetzt geht es darum, das Virus einzudämmen, weiter zu kämpfen und sich am Um- und Wiederaufbau der Wirtschaft zu beteiligen.
Foto: WRS/Matthias Hangst

Herr Rogg, die Corona-Krise beutelt derzeit die Wirtschaft in der Region Stuttgart schwer. Machen Sie sich als Wirtschaftsförderer Sorgen über die Zukunft der Region?
Die Zeiten sind hart – und die Region Stuttgart gehört zu den am stärksten von der Krise betroffenen Regionen. Knapp 30 Prozent der regionalen Beschäftigten sind in Branchen tätig, die in hohem Grad von Corona-Maßnahmen beeinflusst werden. Im Landkreis Böblingen sind es sogar fast 40 Prozent. Viele Unternehmen der Region Stuttgart fahren aktuell „auf Sicht“ und beginnen erst langsam wieder mit der Produktion. Wir werden deutliche Rückgänge in der Produktion in diesem Jahr erleben, das sagen alle Prognosen. Die Region ist wirtschaftlich zwar stabil aufgestellt und wir haben auch deswegen Einbußen, weil wir von einem sehr hohen Niveau kommen. Nichtsdestotrotz ist klar, die Corona-Krise wird nicht ohne Auswirkungen bleiben. Daher ist es jetzt besonders wichtig, das Virus einzudämmen, trotz aktueller wirtschaftlicher Gegebenheiten weiterzukämpfen und sich am Um- und Wiederaufbau der regionalen Wirtschaft zu beteiligen. Wenn Sie so möchten: flatten, fight und rebuild.

Wo kann die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart aktuell den Unternehmen Hilfestellungen anbieten?
Wir kümmern uns um die Vernetzung und Informationsweitergabe. Vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlt die Zeit, für sie wichtige Informationen zu recherchieren. Da setzen wir an. Die WRS betreibt unter wrs.region-stuttgart.de/corona eine umfangreiche Auflistung aktueller Unterstützungsangebote für Unternehmen. Das reicht von finanzieller Hilfe bis hin zu praktischen Weiterbildungs- und Informationsangeboten. Auf unseren Branchen- und Zielgruppenseiten finden sich diese Angebote nochmals auf die jeweiligen Nutzer zugeschnitten. Ein Bot, unser “Regionaut”, beantwortet auf unseren Websites Fragen der Unternehmen. Auf der Kooperationsplattform b2b.region-stuttgart.de bringen wir Unternehmen zusammen, denen die Geschäftspartner weggefallen sind oder deren Lieferketten geschwächt wurden. Damit stärken wir, auch weit über die Corona-Zeit hinaus, die regionale Wirtschaft.

In der Vergangenheit hat die WRS zahlreiche regionale Netzwerke in unterschiedlichen Branchen geknüpft. Macht sich das jetzt in der Krise bezahlt?
Selbstverständlich. Die Branchennetzwerke sind wichtige Plattformen für den Austausch der Unternehmen untereinander. Hier finden sie gerade in schwierigen Zeiten Unterstützung. Aus unseren Netzwerken erhalten wir wichtige Informationen, was die unterschiedlichen Branchen derzeit bewegt und was sie brauchen. Darauf können wir dann passgenau eingehen.

Zu den Aufgaben der WRS zählt, Unternehmen bei der Suche nach geeigneten Grundstücken zu helfen. In der Vergangenheit war das gerade bei Industrie- und Logistikansiedlungen selten von Erfolg geprägt. Doch gerade jetzt sind Logistik-Hubs gefragt. Glauben Sie, dass sich an der ablehnenden Haltung der Kommunen gegenüber diesen Ansiedlungen nach Corona etwas ändern wird oder schon hat?
Die notwendige logistische Versorgung des Produktionssektors bleibt sicherlich eine besondere Herausforderung für das regionale Flächenmanagement. Es ist leider so, dass wir in der Region nicht alle logistischen Flächenbedarfe bedienen können. Das gilt vor allem für die großflächige Einzelhandelslogistik und den Online-Handel. Ich möchte an dieser Stelle aber eine Lanze für die Kommunen brechen: Dort gibt es durchaus ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Logistikflächen. Aktuelle Beispiele wie die Ansiedlung der Breuninger-Logistik in Sachsenheim oder von Schneider Logistik in Geislingen belegen das. Wir rechnen allerdings damit, dass durch die technologische Transformation die Anforderungen an die Produktionslogistik weiter zunehmen werden. Hier sind Regionalplanung, regionale Wirtschaftsförderung und Kommunen gemeinsam gefordert, die notwendigen Infrastrukturen für unseren Produktionsstandort zu schaffen und bei den Bürgern für Akzeptanz zu werben.

Corona hat viele Menschen ins Home-Office verbannt. Doch nach wie vor sind viele Kommunen in der Region von einem schnellen Internet abgehängt. Wie schnell kommt die Gigabit-Initiative voran?
Natürlich waren und sind die Bauarbeiten für die Glasfaserverlegung ebenfalls durch Corona beeinträchtigt. Aber es läuft jetzt wieder an und im Moment sieht es so aus, dass wir in den meisten Gebieten die Ausbauziele für 2020 halten können und im Zeitplan bleiben: alle Gewerbegebiete bis 2025, die Wohngebiete bis 2030 mit Glasfaser zu versorgen. Die Partner, also die Gigabit Region Stuttgart, die Zweckverbände in den Landkreisen sowie die Stadt Stuttgart machen in Zusammenarbeit mit unserem Ausbaupartner Telekom einen guten Job. Nicht nur als Wirtschaftsförderer, auch als Aufsichtsratsvorsitzender der Gigabit Region Stuttgart GmbH hat für mich die digitale Infrastruktur in der Region höchste Priorität.

Wie kommunizieren Sie selbst in diesen Zeiten mit den politischen Entscheidungsträgern, den Unternehmen und Ihren Mitarbeitern?
Die Kommunikation findet auf sehr unterschiedlichen Wegen statt. Im politischen Bereich gibt es sogar bereits wieder persönliche Treffen – mit ausreichendem Sicherheitsabstand. Für die Kommunikation mit Unternehmen und Mitarbeitern hat sich ein ganz neuer Mix aus Video, Telefon und E-Mail eingespielt.

Home-Office stellt viele Unternehmen in der Region vor große Herausforderungen. Neben technischen Unzulänglichkeiten wie fehlender Software, fehlender Schulung der Mitarbeiter in diesen Techniken, schlechten Internetverbindungen, sind auch viele organisatorische Fragen ungeklärt. Wird die Wirtschaftsförderung dieses Thema künftig stärker thematisieren?
Digitalisierung, Personalweiterbildung und auch der Gigabitausbau sind schon seit langem zentrale Arbeitsbereiche der WRS. So ist es zum Beispiel die Gigabit Region Stuttgart GmbH, die sich um den Glasfaserausbau in der Region kümmert, eine Ausgründung aus unserem Haus. Aber selbstverständlich macht die Corona-Krise nochmals deutlich, wie wichtig diese Themen sind.

Die Corona-Krise hat uns allen erstmals vor Augen geführt, wie anfällig die Wirtschaft gegenüber globalen Liefer- und Produktionsketten ist. Wird eine der Lehren aus der Krise sein, wieder mehr vor Ort zu produzieren?
Diese Entwicklung ist jetzt schon erkennbar, einige Unternehmen überlegen bereits, Lieferketten anders zu gestalten, Produktion seltener auszulagern. Ein solches Vorgehen hat unter den aktuellen Umständen durchaus Vorteile. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass die Region Stuttgart ihren Wohlstand bisher in hohem Maße dem Export verdankt. Globale Zusammenhänge lassen sich nicht auf die Schnelle ändern – und das darf auch gar nicht unser Ziel sein. Eine andere Ausgestaltung der Lieferketten oder verstärkte Lagerhaltung halte ich aber für diskussionswürdig.

Welche Forderungen haben Sie als Wirtschaftsförderer an die Politik?
(Die Fragen stellte Ingo Dalcolmo). Die Wirtschaft wird noch einige Zeit staatliche Unterstützung brauchen. Dabei sollte der Fokus darauf gelegt werden, dass die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden, die Digitalisierung und die Transformation zu neuen Antrieben und Mobilitätsformen unterstützt werden und die Chancen für mehr Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit genutzt werden. Denn auch wenn die Klimakrise gerade aus den Medien etwas verschwunden ist, schreitet sie weiter voran.