Wohin mit dem Erdaushub?



Bauwirtschaft. Um den Straßenverkehr zu entlasten, fordert die Bauwirtschaft im Land ortsnahe Deponien. Das Umweltministerium verweist darauf, dass es genügend Deponien gibt.


Wer in der Region Stuttgart ein Eigenheim baut, wird sich bei einer Rechnungsposition die Augen reiben. Unter Erdaushub könnte ein Betrag von bis zu 30
000 Euro stehen. Vor fünf Jahren lag der Betrag noch bei der Hälfte. Der rasante Anstieg ist dem Umstand geschuldet, dass die Bauunternehmen einfach nicht mehr wissen, wohin sie mit dem Dreck sollen. Denn die bestehenden Deponien sind entweder voll oder so teuer, dass sie den vorgegebenen Kostenrahmen sprengen. Deshalb ist es oft billiger, bis zu 120 Kilometer weit den Erdaushub durch das Land zu fahren.





„Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt“, sagt Bernhard Sänger. Doch anstatt über die langfristige Sicherung der Entsorgung des Aushubs nachzudenken, diskutiere die Politik lieber über Käfer und Eidechsen, so der Präsident der Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg. „Wenn das so weitergeht, wird der Tag kommen, an dem gar nicht mehr gebaut werden kann, weil Deponien fehlen“, kommentiert er. Die Bauwirtschaft plädiere seit Jahren dafür, die Deponien dort anzusiedeln, wo auch der Bedarf besteht, also ortsnah. Doch davon wolle das Umweltministerium nichts wissen, wird kritisiert.


Dort wird darauf verwiesen, dass es im Land ausreichend Deponien gebe und die gesetzlich vorgeschriebene zehnjährige Entsorgungssicherheit im Land gewährleistet sei. Das Problem dabei aus Sicht der Bauwirtschaft: Die Berechnungsgrundlage des Umweltministeriums für den Deponiebedarf lasse die Entfernung zwischen Bauvorhaben und Deponie unter den Tisch fallen. So wurden in Stuttgart im Jahr 2016 rund 64
000 Tonnen Bodenaushub entsorgt, während es im Alb-Donau-Kreis 33-mal so viel war.


„Das liegt nicht daran, dass im Alb-Donau-Kreis mehr gebaut wird, sondern daran, dass es an Entsorgungsmöglichkeiten in und um die Landeshauptstadt fehlt. „Das ist ökologischer wie ökonomischer Schwachsinn“, findet Bernhard Sänger deutliche Worte. Er vermutet, dass die Zurückhaltung der Politik bei der Ausweisung neuer Erddeponien vor allem der Angst vor Bürgerinitiativen geschuldet ist. Dafür wird der Schwarze Peter den Bauunternehmen zugeschoben. „Wer die Grube aushebt, ist auch für die Entsorgung zuständig“, erklärt Mathias Waggershauser vom gleichnamigen Straßenbauunternehmen das rechtliche Problem.


Dabei gebe es durchaus Möglichkeiten, den unbelasteten Erdaushub gleich wieder vor Ort einzusetzen, indem zum Beispiel Straßen und Häuser entsprechend der Aushubmenge höher gelegt werden. „Das müsste allerdings bereits bei der Planung eines neuen Baugebietes geschehen, bevor die Bagger kommen“, erläutert Thomas Möller, der neue Geschäftsführer der Landesvereinigung.


Auch hätte man zum Beispiel den Erdaushub bei der neuen Bahntrasse oder dem Fildertunnel für einen Lärmschutzwall entlang der Schnellbahntrasse verwenden können, anstatt ihn quer durch das Land in den Schwarzwald, an den Bodensee oder gar nach Bayern zu karren. Natürlich – so Möller, ließen sich dadurch nicht alle Probleme lösen. Aber es wäre ein erster Schritt.


Viele Bauunternehmen wissen mittlerweile nicht mehr, wohin sie mit den zig Tonnen von Baumassenabfällen hinsollen, beschreibt Bernhard Sänger und verschweigt nicht, dass aus der Not heraus die eine oder andere Kleinstmenge in Einzelfällen auch schon mal einfach im Gelände entsorgt wird. Und die Kommunen schauen weg. Die meisten aber karren den Dreck quer durchs Land bis nach Bayern oder Rheinland-Pfalz. „Wir nennen das Abfalltourismus“, so Sänger. Er plädiert deshalb für ein sinnvolles Deponiekonzept, das die vorgeschriebene zehnjährige Entsorgungssicherheit nicht nur auf dem Papier garantiert. „Die Landkreise müssen endlich dafür sorgen, dass bei Baumaßnahmen in ihrer Region anfallender Erdaushub auch ortsnah entsorgt werden kann“, fordert Bernhard Sänger.


Im Umweltministerium sieht man das anders. „Für Abfalltourismus außerhalb des Landes besteht wegen fehlender Kapazitäten kein Grund. Zuständig für die Abfallentsorgung sind die Kreise. Wir haben mit dem Landkreistag – bundesweit erstmalig – kreisscharfe Daten zum Aufkommen der zu deponierenden Abfälle zusammengetragen und kümmern uns jetzt um die regional erforderlichen Deponiekapazitäten. Das mündet dann in eine Deponiekonzeption, die wir mit dem nächsten Abfallwirtschaftsplan 2021 festschreiben wollen“, heißt es von dort.


Seit dem Jahr 2012 ist das Gesamtabfall- aufkommen in Baden-Württemberg laut der Landesvereinigung Bauwirtschaft spürbar angestiegen. So stieg insbesondere die Abfallart „Boden und Steine“ im Jahr 2016 vor allem in Folge der regen Bautätigkeit auf 28,3 Millionen Tonnen.