Trend. Mieten oder kaufen? Derzeit spricht vieles dafür, eine Immobiliezu erwerben. Immobilienexperten raten aber trotz niedriger Zinsen dazu, genau hinzuschauen und langfristig die Finanzierung abzusichern.
Zwei Trends bestimmen derzeit den Immobilienmarkt. Auf der einen Seite mieten immer mehr Berufstätige eine Wohnung, die noch vor 20 Jahren ein Haus oder eine Wohnung gekauft hätten. Andererseits erwerben Wohnimmobilien heute auch Menschen, die sich das früher nicht hätten leisten können.
Verrückte Welt? Nein, mieten ist für manche Lebenssituationen einfach bequemer. Vor allem für Leute, die aufgrund ihrer beruflichen Entwicklung eine langfristige Bindung scheuen. Doch auch für die andere Seite gibt es Argumente, obwohlWohnimmobilien zum Kauf immer teurer werden. „Heute kann sich sogar der viel zitierte Streifenpolizist liquiditätsmäßig ein Eigenheim leisten – vor 20 Jahren wäre das unmöglich gewesen“, sagt Erich Hildenbrandt bei der Vorstellung des Marktberichtes für Wohnimmobilien der Region Stuttgart des Immobilienverbandes Deutschland Südwest IVD.
Der Stuttgarter Makler ist schon lange im Geschäft. So eine Entwicklung hat er in den zurückliegenden 40 Jahren noch nicht erlebt. Seine These stützt auch die Böblinger Maklerin Bärbel Falkenberg-Bahr. Trotz Kosten von durchschnittlich einer halben Million Euro in den Ballungszentren für eine Wohnimmobilie lassen sich immer mehr Menschen auf das Abenteuer Eigenheim ein. Begünstigt wird die Entscheidung derzeit dabei von einer positiven Gesamtkonjunktur im Südwesten mit steigenden Löhnen, niedrigen Hypothekenzinsen und einer Generation von Erben. „Noch nie war die Eigenkapitalquote so hoch wie jetzt“, stellt Claus Falkenberg, Geschäftsführer der BB Wohnbau Böblingen GmbH und der Riker Wohnbau und Immobilien GmbH, fast schon euphorisch fest. Im Durchschnitt hätten die meisten Kunden bereits 30 Prozent der Kaufsumme zusammen, viele sogar über 50 Prozent. „Die Kunden kommen oft schon mit der Finanzierungsbestätigung der Bank zur Besichtigung“, erlebt auch Bärbel Falkenberg-Bahr immer wieder.
Für die Maklerin ist eine Immobilienfinanzierung deshalb heute auch eine überschaubare Angelegenheit. Zudem senkten die extrem niedrigen Hypothekenzinsen das Risiko. Außerdem könne man sich durch langfristige Zinsbindungsfristen gegen mögliche Zinssteigerungen absichern. Doch mit denen rechnet derzeit keiner. „Die Zinsen werden auf lange Sicht unten bleiben“, prognostiziert Erich Hildenbrandt. Die günstige Finanzierung hat aber auch ihre Schattenseiten. Wer auf der Suche nach einer Immobilie zum Kauf auf ein Schnäppchen hofft, wird in der Regel enttäuscht.
Auch können sich Interessenten in der Regel nicht viel Zeit für die Entscheidung lassen. Zumindest nicht in der Region Stuttgart. Oft „bewerben“ sich um ein und dieselbe Immobilie mehrere Interessenten. Die hoheNachfrage treibt derzeit aber nur bedingt den Preis weiter nach oben, stellt ProfessorStephan Kippes vom IVD-nahen Marktforschungsinstitut in seinem Bericht fest. Vor allem in den Kreisstädten der Region sei das Preisniveau derzeit eher konstant. Warum die Preise derzeit eher verharren als weiter zu steigen, führt der Immobilienexperte in erster Linie darauf zurück, dass Kaufinteressenten hier immer kritischer werden.
Dass kurzfristig mehr Objekte auf den Markt kommen, glaubt der Wissenschaftler indes nicht. So verharrten die Baugenehmigungen in der Region nach wie vor auf einem viel zu niedrigen Niveau, argumentiert er. „Wer eine Immobilie sucht, muss heute schon flexibler sein als noch vor einigen Jahren“, ergänzt Bärbel Falkenberg-Bahr und sieht neben der Landeshauptstadt auch die Kommunen in der Region in der Pflicht, mehr Bauland zu schaffen.
Der Blick in den aktuellen IVD-Marktberichtet zeichnet ein differenziertes Bild. In Böblingen ist insbesondere im unteren und mittleren Preissegment der Nachfragedruck derzeit sehr hoch. Durch den Mangel an Baugrundstücken steigen die Grundstückspreise und somit auch die Preise für Neubauimmobilien. Auch in Esslingen am Neckar bleibt die Stimmung laut IVD weiterhin aufgeheizt. Auf der Angebotsseite gebe es praktisch keine Objekte. Mittlerweile hat auch der Wohnimmobilienmarkt in Göppingen an Fahrt aufgenommen. Die Nachfrage steigt vor allem in den bevorzugten Wohngegenden. Allerdings sei das Preisniveau aufgrund der größeren räumlichen Entfernung zur Landeshauptstadt deutlich niedriger. Der Preis für ein frei stehendes Einfamilienhaus liegt hier noch deutlich unter 400 000 Euro, während für das gleiche Objekt in Böblingen fast schon das Doppelte verlangt wird. Unverändert ist auch die Lage in Ludwigsburg, wo sich die Preise aufgrund der großen Nachfrage nach wie vor auf hohem Niveau bewegen.
Die Nähe zur Landeshauptstadt wirke sich laut IVD auch auf die Immobilienpreise in Waiblingen aus. Aufgrund des Angebotsmangels an Renditeobjekten würden Kapitalanleger bereits auf die Randbezirke ausweichen. Das fehlende Angebot an geeigneten Immobilien wirkt sich auch in Reutlingen als preistreibend aus. Mittlerweile zeigen sich nach Einschätzung des IVD-Marktforschungsinstituts durch die Angebotsknappheit auf dem Wohnimmobilienmarkt auch erste Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt. Viele Stellen könnten nicht besetzt werden, weil adäquate Wohnangebote fehlen.