Nichts wie Haus

Dauerausstellung. Vor 44 Jahren wurde in Fellbach die erste ständige Fertighausausstellung Europas ins Leben gerufen. Seitdem kamen über 4,7 Millionen Besucher.


Andreas Speer klopft auf die hölzerne Tischkante in seinem Büro. 'Unserer Branche geht es gut, und hoffentlich bleibt das auch weiter so', sagt der Geschäftsführer der ständigen Ausstellung Eigenheim und Garten in Fellbach. Er glaubt, dass die Fertighausbranche nach der Immobilienkrise in den Jahren 2007 und 2008 jetzt das Gröbste überstanden hat und dass es weiter aufwärtsgeht.



'Die Unternehmen können nur gewinnen', sagt er und macht das gleich an ein paar Zahlen fest. Derzeit liege der Markt­anteil im Fertighausbau bei den Ein- und Zweifamilienhäusern bundesweit bei rund 16 Prozent. In Baden-Württemberg liege er sogar bei 25 Prozent. 'Da steckt noch viel Potenzial drin', merkt er schmunzelnd an.

Doch sind Steigerungen in Anbetracht steigender Grundstücks- und Baupreise überhaupt realistisch? Dass es in der Landeshauptstadt praktisch unmöglich ist, ein bezahlbares Grundstück für ein Einfamilienhaus zu finden, weiß auch der Geschäftsführer der Fertighausausstellung. Seine Klientel baut vorwiegend im Umkreis von 60 bis 70 Kilometern um den Speck­gürtel von Stuttgart herum. 'Dort sind die Grundstücke noch bezahlbar', sagt er. Und das kommt der Fertighausbranche zugute. 'In diesem Segment hat sich der Markt in den zurückliegenden sechs bis sieben Jahren wieder recht gut erholt.' Wurden in den Krisenjahren 2007/2008 circa 80 000 Ein- und Zweifamilienhäuser bundesweit genehmigt, so hat sich die Anzahl auf etwa 100 000 in den letzten Jahren erhöht. Der Marktanteil der Fertighäuser stieg im gleichen Zeitraum von 13 auf 16 Prozent, so Speer.

Ein Spiegelbild der Branche sind seit Jahren die Musterhausausstellungen. Hier können Bauwillige vor Ort unterschiedliche Fertighaustypen von außen und innen begutachten und sich beraten lassen. Und der Fertighaushersteller hat einen Vertriebsstandort, an dem er lebensnah sein Produkt präsentieren kann. Derzeit gibt es bundesweit circa 400 Musterhäuser in 17 Ausstellungen. Mit allein 200 Musterhäusern an vier Standorten ist die Ausstellungsgesellschaft Eigenheim und Garten der Marktführer. Am Standort in Fellbach besuchen jedes Jahr rund 70 000 Interessierte die Musterhausausstellung. Sie ist Europas älteste Ausstellung dieser Art. Die Idee dazu hatte Ottmar Strebel. Der Verleger von Fachzeitschriften rund um das Bauen wollte es jedermann ermöglichen, Häuser nicht nur auf dem Papier zu betrachten, sondern sie auch zu erleben. Strebel begann seine Ausstellung im Jahr 1971 mit 25 Häusern in Fellbach. Aktuell stehen am Standort 61 Fertighäuser, neun davon wurden allein in den zurückliegenden 15 Monaten aufgebaut, fünf weitere sind derzeit in Planung. 'Wir erleben derzeit ein richtiges Revival', freut sich Speer.

Die Häuser bleiben zwischen fünf und zehn Jahren in der Fertighausausstellung. 'Das ist für die Unternehmen eine richtig große Investition.' Denn auch wenn die Häuser zum Selbstkostenpreis erstellt werden können, müssen sie doch innen komplett mit Bad, Küche und Wohnmöbeln ausgestattet werden. Außerdem sollte vor dem Haus auch ein kleiner Garten angelegt werden. 'Der Besucher soll ein Gefühl für das Haus bekommen.' Und das geht nur, wenn alles so authentisch wie möglich ist - nur eben ohne Bewohner.

Doch was passiert mit den Häusern, wenn sie in die Jahre gekommen sind? 'Fast alle Objekte werden anschließend wieder abgebaut, verkauft und an anderer Stelle wieder errichtet', weiß Speer, der früher selbst für einen Fertighausaussteller tätig war. Die meisten Musterhäuser seien so konstruiert, dass sie später einfach aus­einandergebaut und wiederverwendet werden können. 'In den zurückliegenden 40 Jahren haben auf diese Weise in Fellbach rund vier- bis fünfmal die Ausstellungs­objekte gewechselt', schätzt der Geschäftsführer. Andreas Speer ist sich mit Blick auf die nächsten Jahre sicher, dass das Konzept Fertighaus trotz Internet und anderer Entwicklungen auch weiter Bestand haben wird. 'Die neuen Techniken helfen uns eher zu zeigen, was wir haben. Das haptische Empfinden jedes Einzelnen kann Online aber nicht ersetzen', sagt er.

Das Geschäftsmodell scheint für beide Seiten - Aussteller wie Hersteller - eine Win-win-Situation zu sein, auch wenn An­dreas Speer keine Angaben zu den von den Herstellern verlangten Pachten machen wollte. Nur so viel: die Kosten seien wesentlich niedriger als bei einer normalen Messebeteiligung. Wie viele Häuser die Hersteller im Jahr verkaufen, ist nicht bekannt. An­dreas Speer schätzt aber, dass allein am Standort Fellbach jedes Jahr von allen Herstellern zusammen zwischen 600 und 1000 Häuser verkauft werden.

Geht man nur von einem durchschnitt­lichen Verkaufspreis von 200 000 Euro aus, ergibt sich ein Umsatz von über 120 Millionen Euro. Ingo Dalcolmo
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