Ein bisschen mehr wäre besser

Überblick. Büromieten in Stuttgart müssen nach Ansicht von Experten mittelfristig steigen, damit weiter in den Standort investiert wird. Die Leerstandsquote bei Büroimmobilien nähert sich einer kritischen Grenze.

'Es wäre gut, wenn die Büromieten in Stuttgart insgesamt ein bisschen mehr steigen', sagt Michael Bräutigam. Zwar habe die Spitzenmiete im Neubau in den zurückliegenden Jahren deutlich angezogen, das sei aber angesichts deutlich gestiegener Baukosten notwendig, um den Standort für Projektentwickler und Investoren interessant zu halten, so der Geschäftsführer und Partner des Gewerbeimmobilienmaklers Colliers International. 'Insbesondere die energetischen Vorschriften machen das Bauen so teuer, dass es immer schwieriger für Projektentwickler und Investoren - meist offene Immobilienfonds und Spezialfonds - wird, bei den aktuell erzielbaren Mieten noch eine akzeptable Rendite zu erwirtschaften.'


Frank Leukhardt, Geschäftsführer Colliers International über den Unterschied zwischen Büro- und Investmentmarkt

Beispiel Durchschnittsmiete (Büro): Sie stieg in den vergangenen zehn Jahren in der Landeshauptstadt von 10,75 Euro auf moderate 12,20 Euro (ein Plus von 13,4 Prozent in diesem Zeitraum). Zum Vergleich: die Durchschnittsmiete für eine Wohnung in Stuttgart erhöhte sich im gleichen Zeitraum um 26 Prozent (von 6,70 auf 8,44 Euro). Zwar werden in Stuttgart mittlerweile auch Spitzenmieten von 21 Euro für Büros erzielt, doch das gelte ausnahmslos für Top-Immobilien in Spitzenlagen. Trotzdem lasse sich die Landeshauptstadt nicht mit Städten wie Frankfurt und München vergleichen, wo die Quadratmetermieten längst bei 40 Euro und mehr angelangt sind.

Ein Grund für die im Vergleich zu anderen Metropolen relativ moderaten Büromieten ist auch auf den hohen Anteil an Eigennutzern zurückzuführen. Rund ein Drittel (46 200 Quadratmeter) der vermieteten Büroflächen in Stuttgart wird von den Eigentümern selbst genutzt.

Dennoch will Bräutigam nicht unzufrieden sein. 'Wir haben mit einer Spitzenmiete von 21 Euro im Neubau in Stuttgart mittlerweile ein stabiles Mietniveau erreicht.' Wer allerdings 21 Euro und mehr für den Quadratmeter Bürofläche in Stuttgart bezahle, erwarte dafür auch Top-Ausstattung, optimale Verkehrsanbindungen mit entsprechender Infrastruktur und deutlich niedrigere Nebenkosten, so Bräutigam.

Mit einem wachen Auge schauen die Gewerbemakler auf die Entwicklung der seit Jahren rückläufigen Leerstandsquote von derzeit 3,8 Prozent (Berlin 4,3 Prozent) in Stuttgart. Die Zahl gibt darüber Auskunft, wie viele freie Flächen es noch gibt. Ein weiteres Absinken der Leerstandsquote bewertet Colliers International durchaus kritisch. 'Gesund für eine Stadt wie Stuttgart ist eine Leerstandsquote von fünf bis sieben Prozent, um flexibel auf Veränderungen des Mietmarktes reagieren zu können', sagt sein Geschäftsführerkollege Frank Leukhardt. Zwar erscheinen 283 200 Quadratmeter leer stehende Büroflächen auf den ersten Blick als viel. Dabei werde aber vergessen, dass diese Flächen oft auch deshalb schon über Jahre unvermietet blieben, weil die Flächenzuschnitte nicht passten oder die Immobilien aufgrund ihres Alters oder Zustandes nicht mehr als Büro genutzt werden könnten, sagt Ralf Spieth, bei Colliers International zuständig für Bürovermietung.

Ein weiterer Grund: wer derzeit baut, nutzt die Objekte meist für sich selbst (Beispiel Bosch und Daimler), so dass die Flächen gar nicht erst auf den Markt kommen. Das zeigt sich nach Ansicht von Spieth auch an den Vorvermietungsquoten, die aufgrund der wenigen Baufertigstellungen deutlich angestiegen sind. Zwei Beispiele: von den rund 97 700 Quadratmeter Bürofläche, die in diesem Jahr noch in Stuttgart fertig gestellt werden sollen, sind bereits 90 Prozent vorvermietet. Von den im kommenden Jahr erwarteten 143 000 Quadratmetern sollen laut Colliers bereits 72 Prozent der Flächen reserviert worden sein.

Das und die niedrigen Zinsen beflügeln natürlich auch die Investoren, kräftig in den Büromarkt zu investieren. Denn trotz moderater Mieten winken auch in der Landeshauptstadt Spitzenrenditen von bis zu 4,80 Prozent bei Büroimmobilien. Die werden nur noch von Logistikimmobilien mit 6,30 Prozent übertroffen. Hier gibt es aber praktisch kein Angebot. Dennoch rechnet die Branche damit, Ende des Jahres wieder die Eine-Milliarde-Grenze Trans­aktionsvolumen zu überschreiten. 'Der Investmentmarkt wird seit Monaten durch die Situation an den Finanzmärkten und anhaltend sinkende Leerstandsquoten befeuert', merkt Frank Leukhardt kritisch an.

In Anbetracht des boomenden Büromarktes tritt die Risikobetrachtung in den Hintergrund. Das zeigt sich daran, wie schnell Objekte in diesem Bereich gedreht (Investmentjargon für verkaufen) werden. Wo bis vor einigen Jahren Investments im Gewerbebereich noch zwischen drei und acht Jahre gehalten wurden, erfolgen Verkäufe heute auch schon mal nach nur 15 Monaten. 'Wenn sich eine Chance ergibt, Profit zu machen, wird derzeit verkauft', charakterisiert Frank Leukhardt die aktuelle Situation am Stuttgarter Investmentmarkt.

Im Fokus der in Deutschland engagierten ausländischen Investoren, die im Jahr 2014 vor allem aus den USA, Kanada (37,2 Prozent) und Europa (46,4 Prozent) kommen, stünden dabei derzeit vor allem Portfolien und großvolumige Objekte. Die Nachfrage aus dem asiatischen Bereich sei zwar angestiegen, spiele aber derzeit mit rund 13,2 Prozent bundesweit nur eine untergeordnete Rolle, so Frank Leukhardt. Stuttgart ist übrigens im Vergleich zu Städten wie München oder Frankfurt, wo fünfmal mehr Umsatz in diesem Bereich gemacht wird, nur ein kleiner Fisch am ­Investmentmarkt. Ingo Dalcolmo
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