Die Angst vor der Nachverdichtung



Verband. Damit mehr Wohnungen entstehen können, braucht es nicht nur Grundstücke. Zunehmend fehlt es in der Bevölkerung auch an der Akzeptanz für das Bauen, beklagt die Wohnungswirtschaft.


Menschen, die Wohnraum suchen, haben keine Lobby. Deshalb, so der vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen, müssten die Kommunen und die Gesellschaft umdenken und umsteuern. „Wir brauchen wieder mehr Akzeptanz für den Wohnungsbau“, ist Peter Bresinski, seit einem Jahr Verbandspräsident des vbw, überzeugt.



Dazu sei auch ein neues Denken für mehr Wohnungsbau in den Kommunen notwendig, betont Sigrid Feßler. Die Verbandsdirektorin des vbw kritisiert, dass gerade beim Thema Wohnungsbau häufig die eigenen kurzfristigen Vorteile über das soziale Langfristdenken gestellt würden. Zum Beispiel wiesen Kommunen lieber Eigentumswohngebiete aus oder Bürger sperrten sich prinzipiell gegen Neubebauungen oder Nachverdichtungen.

So würden immer häufiger selbst Abrissvorhaben moniert werden, obwohl an deren Stelle moderner, energetisch effizienterer und mehr preisgünstiger Wohnungsbau entstünde. Auf diese Weise werde der Mietwohnungsbau verhindert, die Quartiersaufwertung ausgebremst und die Verbesserung der Wohnsituation und des Wohnumfeldes boykottiert. Es sei erschreckend, wie gering mittlerweile die Akzeptanz in der Bevölkerung für das Bauen innerhalb vorhandener Nachbarschaften sei. „Diese Haltung ist für uns völlig unverständlich“, moniert Sigrid Feßler.

Andererseits werde die Innenentwicklung in den Kommunen keineswegs ausreichen, um den Wohnungsbedarf zu decken. „Die Kommunen müssen sich auch über eine maßvolle Außenentwicklung Gedanken machen und dabei auch mit den Nachbargemeinden sprechen“, so die Verbandsdirektorin.

Geht es nach der Prognos-Studie zum Wohnraum-Bedarf, müssten in Baden-Württemberg jedes Jahr rund 65
000 neue Wohnungen gebaut werden. „Von diesen Zahlen sind wir noch weit entfernt“, erklärt Peter Bresinski. Zwar investierten die im vbw organisierten Wohnungsunternehmen im zurückliegenden Jahr rund 1,1 Milliarden Euro – und auch dieses Jahr sollen nochmals 1,5 Milliarden Euro in den Neubau fließen, dennoch sind die geplanten oder bereits begonnenen 4000 Wohnungen nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Deutlich wird das an der Leerstandsquote. Die liegt bei den Wohnungsunternehmen im vbw bei 1,5 Prozent. „Wir haben praktisch Vollvermietung“, unterstreicht Peter Bresinski. Während die Bevölkerung in den Jahren 2011 bis 2015 um 3,5 Prozent wuchs, sei die Zahl der Wohnhaushalte um 4,5 Prozent oder 215000 Haushalte gestiegen. Im gleichen Zeitraum wurden aber nur 149000 Wohnungen gebaut.

Dass nicht mehr gebaut wird, liegt aus Sicht des vbw und der Immobilienwirtschaft vor allem am Mangel an Bauflächen. Der vbw-Verbandspräsident sieht aber auch zunehmend fehlende Personalkapazitäten bei den Baufirmen, Handwerkern und den genehmigenden Behörden als weiteren Hemmschuh, schneller mehr Wohnungen in Baden-Württemberg zu bauen. Mit Blick auf die aktuelle Gesetzgebung erwartet er künftig mehr Flexibilität und weniger Reglementierung, wenn sich etwas ändern soll.

Sigrid Feßler hofft, dass die Landesregierung bei der anstehenden Novellierung der Landesbauordnung die Anregungen der Wohnraum-Allianz aufnehmen wird. Ob die Vorschläge zum Verzicht auf den Waldabstand, zu Flexibilisierungen bei den Fahrradabstellplätzen, den Wand- und Dachbegrünungen und bei den Kinderspielplätzen tatsächlich auch Eingang in den Gesetzentwurf finden, wird sich spätestens im Sommer zeigen. Dann soll eine erste Fassung vorliegen, hört man aus dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau.

Ausdrücklich Lob gibt es für das Anfang April in Kraft getretene Landeswohnraumförderungsprogramm mit einem jährlichen Volumen von 250 Millionen Euro. Das Programm läuft bis zum Jahr 2019. Danach endet die Förderung durch den Bund. Beim vbw hofft man, dass die Förderung „irgendwie“ weitergeführt wird. Dazu ist aber eine Grundgesetzänderung nötig.

Dem vbw gehören rund 300 Wohnungs- und Immobilienunternehmen im Land an. Sie bewirtschaften rund 450
000 Wohnungen. Etwa jeder achte Einwohner Baden-Württembergs wohnt in einer Wohnung, die von einem vbw-Mitglied bewirtschaftet wird.