Gut geplant ist halb gewonnen


Innovationen. Großprojekte, bei denen Termine und Kosten davonlaufen, müssten nicht mehr sein. Doch die Umsetzung moderner Planungs­methoden in der Bauwirtschaft geht nur schleppend voran.

Berliner Flughafen, Elbphilharmonie Hamburg, Stuttgart
21: Immer noch laufen große Bauprojekte aus dem Ruder. Für Bernd Leukert von SAP würden sich durch eine stärkere Digitalisierung in der Baubranche viele Fehler vermeiden lassen, sagte der Innovationsvorstand des Softwareunternehmens in einem Interview. „Die Digitalisierung ist kein Allheilmittel.



Im Video unter erläutert Prof. Hans Sommer, warum Großprojekte immer wieder aus dem Ruder laufen.

Das Planungschaos rund um den Berliner Flughafen wäre mit jeder noch so guten Software entstanden“, sagt jedoch Professor Hans Sommer.

Programme ersetzten kein Fachwissen. Im Grunde gehe es bei Großprojekten der öffentlichen Hand immer um die gleichen Probleme: unklare Planungsvorgaben und Zuständigkeiten beim Bauherrn und Wunschkosten, bei denen jegliche Hochrechnung auf die Ausführungszeit und Risikobetrachtungen ausgeklammert werden. Hinzu kommen ineffiziente Planungs- und Bauprozesse, langwierige Genehmigungsverfahren und eine intransparente Kommunikation, so der Aufsichtsratsvorsitzende von Drees & Sommer.

Sommers Ansatz eines ganzheitlichen Projektmanagements prägt bis heute die Baubranche. Auch für ihn führt kein Weg an der Digitalisierung der Baubranche vorbei. Aber: „Die Vorteile von BIM (Building Information Modeling) – einer Methode zur optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden mithilfe von Software – entstehen im Wesentlichen durch neue Prozesse und die Kooperation der Baubeteiligten“, sagt er. Ohne durchdachte Strategie sollte man mit BIM gar nicht anfangen, denn man würde kläglich scheitern, so der Bauingenieur.<

„Im Prinzip sind wir beim Bauen heute noch nicht viel weiter, als dies der römische Baumeister Marcus Vitruvius Pollio im 1. Jahrhundert vor Christus für die damalige Bauwirtschaft beschrieben hatte, so Sommer. Während das Fachwissen durch die unterschiedlichen Anforderungen an das Bauen in den letzten 2000 Jahren deutlich gestiegen sei, habe sich die Prozessqualität nicht wesentlich verändert. „Betrachtet man beispielsweise die industrielle Fertigung der Automobilbranche, so ist die Bauwirtschaft immer noch in einer vergleichsweise archa­ischen Welt unterwegs. Mich wundert es, dass es oft trotzdem noch funktioniert“, so Hans Sommer mit einem Augenzwinkern.

Ginge es nach dem Bauingenieur, so entspräche das Bauen heute schon einem großen Fischertechnik- oder Lego-Baukasten: Diese bestehen aus vielen industriell vorgefertigten Konstruktionselementen, die nach einem genauen Teile- und Montageplan vor Ort montiert werden.

Doch die Umsetzung in der Praxis ist noch schwierig: „Mit BIM baut man praktisch zweimal. Einmal digital und einmal in echt“, sagt Sommer. Das habe den Vorteil, dass mögliche Probleme am Bauprojekt erkannt werden, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Nebenbei entstehe im Verlauf der Planung auch gleich ein perfektes Leistungsverzeichnis. Diese Art der Vorgehensweise setze aber voraus, dass Produzenten und Montagefirmen schon während der Planung durch geeignete Verfahren in die Prozesse miteinbezogen werden.

Doch das scheitere unter anderem an der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), die verbindlich erst die Planung und dann die Ausschreibung vor­sehe. „Das bedeutet, dass jene, die wissen, wie es geht, erst dazukommen, wenn die Planung abgeschlossen ist“, erklärt er. Hinzu kommt: BIM richtig anzuwenden, kostet zunächst einmal Zeit und auch Geld. Und das wollen derzeit überwiegend weder Bauherren noch Planer ausgeben.

Sommer ist sicher, dass sich über kurz oder lang eine ganzheitliche Kombination von Projektmanagement und Planung als „General Construction Management“ zumindest im privatwirtschaftlichen Bau durchsetzen wird, wenn erst erkannt werde, wie effizient dadurch gebaut werden kann. „Nicht richtig geplante Prozesse kosten ein irrsinniges Geld“, sagt Sommer. Seiner Ansicht nach könnte man durch den Einsatz von BIM und Lean Management nicht nur bis zu 20 Prozent der heutigen Baukosten einsparen. Man wäre auch schneller fertig.

Bleibt die Frage, ob manch ein öffentliches Projekt, das in die Hose gegangen ist, anders ausgegangen wäre, hätten Bauherrn und Planer von Anfang an auf Planungsin­strumente wie BIM gesetzt. „Die öffentliche Hand tut sich mit dieser Technik schwer“, sagt Sommer. Die Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) böten den Bauämtern praktisch keinen Spielraum bei Planung und Vergabe. Zudem sei es in der Politik leider Usus, Entscheidungen auf der Basis tagesaktueller Kosten anstatt auf hochgerechneten Kosten inklusive Risikozuschlag zu fällen, so Sommer. Zumal viele der Entscheidungsträger bei Fertigstellung langlaufender Projekte gar nicht mehr im Amt sind.

  • Hans Sommer, Projektmanagement im Hochbau – Mit BIM und Lean Management, Springer Vieweg, 4. Auflage, ISBN 978-3-662-48923-0, gebunden 69,99 Euro