Abwrackprämie für Altimmobilien


Bauwirtschaft. Der neue Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, Markus Böll, schlägt eine Abwrackprämie für nicht sanierungswürdige Altimmobilien vor.

Markus Böll, der neue Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, bringt in die Diskussion um fehlende Grundstücke für den Wohnungsbau eine Abwrackprämie für nicht sanierungswürdige Altimmobilien ins Spiel. Dadurch könnte aus seiner Sicht vor allem in den Städten das Problem der fehlenden Grundstücke für den Wohnungsbau zumindest teilweise gelöst werden. „Es gibt viele Gebäude, bei denen sich die Sanierung nicht mehr lohnt, deren Besitzer aber die hohen Kosten für einen Neubau nicht aufbringen können“, argumentiert Markus Böll. „Durch die Zahlung einer solchen Prämie würde man entsprechende Anreize schaffen für den Abriss nicht mehr sanierungswürdiger Altbauten und zugleich Freiraum schaffen für die Bebauung mit Wohngebäuden, die den heutigen technischen Standards entsprechen.“



Die Idee, eine Abwrackprämie für Altbauten einzuführen, ist zumindest für den Immobiliensektor neu. Den Begriff selbst kennt man seit gut zehn Jahren. Nach dem dramatischen Rückgang der Verkaufszahlen von Neuwagen während der Finanzkrise 2007, die die Automobilindustrie in existenzbedrohende Turbulenzen gestürzt hatte, ersann die Politik eine Umweltprämie, im Volksmund Abwrackprämie genannt. Diese hatte das Ziel, den Umsatz anzukurbeln und gleichzeitig durch die Erneuerung der Fahrzeugflotten zur Verringerung der Schadstoffbelastung in der Luft beizutragen. Bereits nach neun Monaten wurden damals keine neuen Anträge mehr angenommen, weil die dafür bereitgestellten Finanzmittel von rund fünf Milliarden Euro innerhalb kürzester Zeit erschöpft waren. Damals wie heute waren und sind die Auswirkungen aber umstritten.

Mit einer Abwrackprämie von damals 2500 Euro für ein mindestens neun Jahre altes Auto dürfte man aber bei einer Abwrackprämie für nicht sanierungswürdige Altimmobilien nicht weit kommen. Das weiß auch Markus Böll. So rechnet die Bauwirtschaft im Land seit Jahren den politischen Entscheidungsträgern immer wieder vor, dass sich der durchschnittliche Bau eines Eigenheims durch politisch motivierte Vorgaben um bis zu 50000 Euro verteuert habe. In dieser Größenordnung müsste sich aus Sicht der Branche dann auch eine entsprechende Prämie in Form von Steuererleichterungen über mehrere Jahre hinweg bewegen. Der neue Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg hat auch schon eine Idee, wie das Ganze finanziert werden könnte. Und zwar über die Mehreinnahmen aus der Grunderwerbsteuer. Diese wurde 2011 von 3,5 auf 5,0 Prozent angehoben, was dem Land einige Milliarden an Euro zusätzlich eingebracht habe. „Statt nur das Stadtsäckel zu füllen, könnten diese Einnahmen an die Häuslebauer zurückfließen und wieder sachbezogen für den Wohnungsbau verwendet werden“, so Markus Böll. „Dies wäre ein echter Beitrag zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.“

Die Forderung des baden-württembergischen Bauverbandes nach einer Abwrackprämie, die aus deren Sicht in erster Linie den Hausbesitzern zugutekäme, kommt in einer Zeit, in der die Bauwirtschaft „eigentlich in einer komfortablen Lage ist“, weiß Markus Böll. Die Auftragslage ist unverändert hoch und Bauwillige müssen derzeit lange bis zum ersten Baggerbiss warten.

Selbst wenn sich in Stuttgart alle politischen Parteien einig und ausreichend Grundstücke vorhanden wären, könnte die Bauwirtschaft nicht von heute auf morgen größere Wohnquartiere aus dem Boden stampfen. „Wir stellen uns jeder Herausforderung, aber so etwas wäre mit unseren kleinen und mittelständigen Wohnungsbauunternehmen nur über einen längeren Zeitraum möglich“, sagt Markus Böll.

Das bekommt derzeit vor allem die öffentliche Hand zu spüren. Sie gehört zwar mit zu den größten Auftraggebern der Bauwirtschaft und in konjunkturschwachen Zeiten gilt dieser Bereich auch als Garant für eine gewisse Kontinuität. Andererseits ist die öffentliche Hand in der Bauwirtschaft dafür verschrien, Zahlungsziele sehr weit zu dehnen und zunehmend Ausschreibungen nach Belieben wieder zurückzunehmen, wenn die Kosten nicht in das politische Wunschbild passen oder schlichtweg falsch ausgeschrieben wurde. So wurde bei einem Rathausumbau der eigentlich gesetzlich vorgeschriebene behindertengerechte Zugang schlichtweg vergessen. Die Nachbesserungen sollen die Sanierung um das Doppelte verteuert haben.

Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts haben aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Bauleistungen die Preise im Branchendurchschnitt um 3,5 Prozent zugelegt. Im Neubau stieg der Preisindex für Wohngebäude um drei Prozent. „Die aktuellen Preissteigerungen spiegeln vor allem Veränderungen auf der Kostenseite bei den Baustoffen und Bauprodukten, aber auch bei den Lohnerhöhungen wider“, erklärt Markus Böll. So zog zum Beispiel der Preis für Betonstahl gegenüber dem Vorjahr um 21 Prozent an. Die Löhne sind in diesem Jahr um gut 5,7 Prozent gestiegen. Immer teurer werde aufgrund des Deponieengpasses in der Region Stuttgart auch die Entsorgung von Erdaushub. Gegenüber dem zurückliegenden Jahr erhöhte sich der Preis nochmals um 6,7 Prozent, so die Bauwirtschaft.

Die aktuellen Preissteigerungen wertet Markus Böll aber auch als Ausdruck einer allmählichen Normalisierung auf dem deutschen Baumarkt. Nach Jahren der Baukrise, in der sich viele Unternehmen weitgehend an der Preisuntergrenze bewegt hätten, seien die Firmen heute nicht mehr gezwungen, auch erkennbar ertragsschwache Aufträge anzunehmen. „Seit Langem sind die Bauunternehmen nun endlich wieder in der Lage, die Risiken des Baugeschäfts zu bepreisen“, so der Präsident Markus Böll. Das verbessere leicht die Ertragslage der Baufirmen, um die Eigenkapitalausstattung zu verbessern. Ingo Dalcolmo