Mehr Mut zu mehr Dichte



Wohnungsbau. Grundstücke sind knapp und so setzt das Siedlungswerk auf die Nachverdichtung. Doch das reicht nach Ansicht des Wohnungsunternehmens nicht aus, um den Druck aus dem Kessel zu nehmen.


„Wir brauchen so etwas wie einen Befreiungsschlag, um den Wohnungsmarkt in Stuttgart und der Region wieder etwas zu beruhigen, spricht Jochen Wassner vom Siedlungswerk vielen seiner Kollegen aus der Seele. Mit rund 30
000 gebauten und aktuell 22300 verwalteten Wohnungen seit der Gründung im Jahr 1948 gehört das Siedlungswerk zu den großen Wohnungsunternehmen in Baden-Württemberg. Es gehört zu 75 Prozent dem Bistum Rottenburg-Stuttgart und zu 25 Prozent der Landesbank Baden-Württemberg. Das Unternehmen ist als Bauträger im privaten wie im sozialen Wohnungsbau tätig.



„Eigentlich könnten wir uns über die Lage auf dem Immobilienmarkt freuen, wenn der Markt nicht so überhitzt wäre“, betont Jochen Wassner. Die Nachfrage nach der Immobilie als Wertanlage sei schlichtweg explodiert, analysiert er. Denn viele Privatanleger hätten in den zurückliegenden Jahren mangels Alternativen auf dem Kapitalmarkt ihr Vermögen wieder zu Gunsten der Immobilie umgeschichtet. Und: flankiert von steigenden Mieten und einem extrem niedrigen Zinsniveau blieb auch die Nachfrage von Seiten der Eigennutzer in der Region Stuttgart konstant hoch. Institutionelle Anleger, die derzeit kaum noch wissen, wo sie mit dem Geld ihrer Klienten hin sollen, investierten ebenfalls zunehmend in die Immobilie. „Dort, wo der Bestand ausverkauft ist, wird vermehrt auch von den Institutionellen in den Neubau investiert“, charakterisiert Jochen Wassner den Immobilienmarkt in der Region Stuttgart.

Die Folgen: jede dieser Gruppen konkurriere mittlerweile auf dem Immobilienmarkt um das geringe Angebot. Mit der Folge, dass die Preise immer weiter stiegen. „Wir sehen immer öfter, dass sich in dieser Situation Normalverdiener praktisch kein Immobilieneigentum mehr leisten können. Es fehlen einfach bezahlbare Grundstücke, gerade auch für den geförderten Wohnungsbau.“

Grundsätzlich begrüßt auch Jochen Wassner, dass das Land in der Vergangenheit immer schon auf einen schonenden Flächenverbrauch in den dicht besiedelten Städten wie Stuttgart gedrängt hat. Das geschah aber alles in der Annahme, dass die Bevölkerung schrumpft, sagt er. Doch genau das Gegenteil sei heute der Fall. Hinzu kommt: viele Kommunen zögerten derzeit, ihre wenigen noch freien Flächen für den Wohnungsbau zu entwickeln, so Wassner. Aber auch die gewollte Nachverdichtung in den Kommunen sei nicht ohne Tücken. Viele innerörtliche Flächen, die eigentlich entwickelt werden könnten, stehen in der Warteschleife, weil die Eigentumsverhältnisse schwierig sind, Altlasten bestehen oder geplante soziale Nutzungen sich nicht wie angedacht realisieren lassen. Und dann gebe es auch Standorte, die aus Sicht des Siedlungswerkes nicht für den Wohnungsbau geeignet sind, weil sie zu teuer sind oder die Lärmbelastung zu hoch ist.

Beim Siedlungswerk ist man ob dieser Entwicklungen vorsichtig optimistisch. „Wir haben uns schon immer vorausschauend bei der Grundstücksentwicklung verhalten. Aber auch unser Bestand ist endlich“, räumt Wassner ein. Deshalb verfolgt das Unternehmen auch konsequent die Innenentwicklung seines Bestandes. Das sei aber oft ein schwieriger Weg, weil alle Projektbeteiligten an einem Strang ziehen müssen, beschreibt er den mühevollen Weg. Bis dann die ersten Bagger anfahren, kann es auch schon mal acht oder zehn Jahre dauern, wie in der Maybachstraße oder am Nordbahnhof in Stuttgart. „Innenverdichtung ist kein Thema für jetzt und heute. Wer sich als Bauträger darauf einlässt, braucht einen sehr langen Atem und viel Planungsvorlauf“, plaudert Jochen Wassner aus dem Nähkästchen. Und die zurückliegenden Jahre hätten auch gezeigt, dass es durch die zunehmende Bürokratisierung nicht einfacher wird.

Hinzu kommt: „Die Nachbarschaft ist heute gegenüber Nachverdichtungen im direkten Wohnumfeld viel sensibler als früher“, ist seine Erfahrung. Chancen für eine sinnvolle Nachverdichtung sieht das Siedlungswerk dennoch gerade hier. „Früher hat man oft viel großzügiger gebaut. Heute kann man diese Flächen für den Wohnungsbau nutzen.“ Das eröffnet die Chance, in gewachsenen Wohngebieten zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. „Wir brauchen aber auch mehr Mut zu mehr Dichte im Wohnungsbau“, sagt Jochen Wassner. Die Landeshauptstadt gehe da einen guten Weg. Denn wir müssen dort, wo wir städtisch sind, auch städtisch bauen. Das betreffe nicht nur Stuttgart, sondern auch die Region. Doch hier gebe es noch viele Vorbehalte, vor allem, was die Geschosshöhe betreffe. „Wenn wir heute über eine zeitgemäße Verdichtung in S-Bahn-Nähe reden, müssen wir mindestens über drei Geschosse plus Dach reden“, gibt Jochen Wassner die Messlatte vor. Darunter gehe es nicht mehr, da die Flächen zu kostbar sind. Doch alles das wird nicht ausreichen, den Wohnungsbedarf in den Großstädten zu decken. „Wir müssen wieder über echte Neubaugebiete reden – auch in Stuttgart“, sagt er. Sonst werde es nicht gelingen, den großen Druck aus dem Kessel zu nehmen.