Es geht um Lebensqualität


Kommunale Herausforderungen. Der Flächenmangel in Stuttgart und der Region sowie der Mangel an preiswertem Wohnraum lässt auch den
11. Immobiliendialog Region Stuttgart nicht los. Ein Stimmungsbild.

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Draußen demonstrierten rund 200 Menschen „gegen Mietenwahnsinn, Wohnungsnot und Leerstand“. Drinnen im Stuttgarter Rathaus diskutierten Mitglieder des Gestaltungsbeirats beim Immobilientalk über die Frage, ob sich die Region Stuttgart neu erfinden müsse, um der Nachfrage nach Wohnraum überhaupt noch gerecht werden zu können. „Stuttgart hat die Chance, eine qualitative Stadt zu sein“, so der Stadtplaner Patrick Gmür.



Für die Landschaftsarchitektin Barbara Hutter sind aber auch öffentliche Räume wichtig: „Die Menschen wollen nach draußen.“ Und Architekt Herwig Spiegl antwortet auf die Frage von Moderator Christian Milankovic, Titel-Autor der Stuttgarter Zeitung, was die Region nicht braucht: „Einfamilienhäuser und noch mehr Autos.“ Dazu sei aber eine gute und kompetente Stadtplanung wichtig.

Doch wie kann der Konflikt zwischen mehr Wachstum und mehr Freiräumen für die Menschen in den Städten aufgelöst werden? „Das geht nur über eine doppelte Innenverdichtung“, glaubt Barbara Hutter. Nur so könnten die Städte lebenswert bleiben. Hier sei noch viel Überzeugungsarbeit notwendig. Doch wie gelingt es der Stadt, dass die Vorstellungen keine Luftschlösser bleiben? „Die Stadt muss wieder die Planungshoheit in die Hand nehmen“, so Barbara Hutter. Denn „Stadt geht alle an“, appelliert Gastgeber Frank Berlepp, Geschäftsführer der LBBW Immobilien Management. Allein im letzten Jahr investierte das Unternehmen rund 700 Millionen Euro in den Wohnungsbau. Stuttgart stehe mangels Grundstücken aber derzeit nicht auf der Karte, bedauert Berlepp.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn setzt indes weiter „auf Bauen und Wachstum nach Stuttgarter Maß“ und betont beim Immobiliendialog Region Stuttgart einen Tag später, „das Bündnis für Wohnen klappt hervorragend“. Auch wenn eine Mehrheit im Gemeinderat jetzt dem Druck nachgegeben habe, mehr Außenentwicklung in der Stadt zuzulassen, werde man die landschaftliche Schönheit nicht einfach aufgeben. Einen Anteil von 50
:50 von Siedlungsfläche zu landwirtschaftlicher Nutzung halte er nach wie vor für ein gutes Verhältnis. Doch wo die dringend benötigten Flächen für den Wohnungsbau dann aber herkommen sollen, darauf hatte auch er keine Antwort.

Thomas Bopp weiß, wie man dicke Bretter bohrt. An den Kommunen in der Region beißt sich der Vorsitzende vom Verband Region Stuttgart aber seit Jahren die Zähne aus, wenn er um Zustimmung für Industrie- und Logistikansiedlungen wirbt. „Die Flächenproblematik gibt es immer noch, nur jetzt in verschärfter Form. Wir brauchen endlich ein regionales Logistikkonzept“, forderte er. Mittlerweile sei auch der Mittelstand von der Flächenknappheit betroffen. Und das nicht nur, weil Gewerbeflächen zur Erweiterung fehlen. Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in der Landeshauptstadt und der Region führe teilweise dazu, dass frisch eingestellte Mitarbeiter wieder vom Vertrag bei den Unternehmen zurücktreten, weil sie nichts Bezahlbares finden.

Der Wohnungsmangel ist eine der großen kommunalen Herausforderungen, so Günter Siebers, Leiter des Stadtmessungsamtes und Vorsitzender des Gutachterausschusses der Landeshauptstadt, auf dem Immobiliendialog. „Die Preise steigen und die Zahl der Kaufverträge sinkt“, beschreibt er den aktuellen Trend. Auffallend: Im Bestand nimmt das Angebot im Hochpreissegment deutlich zu, während Angebote unter 2000 Euro pro Quadratmeter bald ganz vom Markt verschwinden würden. Im Neubaubereich gebe es diese Angebote schon gar nicht mehr. Für dieses Jahr prognostiziert der Vorsitzende des Gutachterausschusses weiter steigende Immobilienpreise.

Das führt dazu, dass immer kleinere Einheiten erworben werden, erläutert Peter Ströhlein, Leiter Real Estate Region Süd der Hypo Vereinsbank. „Die Menschen denken in Budgets. Was kann ich mir leisten. Und fragen wieder verstärkt nach Zwei- und Dreizimmerwohnungen.“ Gleichzeitig gewinne die Region als Wohnort wieder, sofern die Transaktionskosten passten.

Für Ulrich Nestel, Leiter der Büro- und Einzelhandelsvermietung Stuttgart, hat die Leerstandsquote mit 2,1 Prozent bei den Büroimmobilien zum Ende des Jahres 2017 längst eine kritische Größe erreicht. So liegt aktuell die Angebotsreserve an Büroflächen nur noch bei 172
000 Quadratmetern. „Vieles, was derzeit gebaut werde, ist bereits voll vermietet.“ Das wirkt sich geringfügig auch auf die Spitzenmieten aus.

Durch das nach wie vor fehlende Neubau-Angebot seien die Spitzenmieten sogar leicht rückläufig. Bei der Durchschnittsmiete sei hingegen ein leichter Anstieg zu verzeichnen, so Ulrich Nestel. Dieser Engpass werde sich erst 2021 wieder auflösen, so seine Einschätzung. Professor Peter Bofinger, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, sieht Immobilien immer noch als einen sicheren Hafen. Auch wenn gerade in den Großstädten die Renditen niedrig seien, sei das Risiko einer Fehlinvestition gering.