Wer den Schaden hat

Nachwirkungen. Nach einem Brand in einer Tiefgarage ist der Schaden an dem Gebäude und den Autos nur die eine Seite. Auf Eigentümer und Mieter warten nach so einem Ereignis oft viel Bürokratie und auch Ärger.


Zwei Wochen nach dem verheerenden Tiefgaragenbrand im Stuttgarter Stadtteil Neugereut sind die Aufräumarbeiten in vollem Gange. Am Eingang zur Tiefgarage im Wildgansweg erinnern nur noch die Container und ein Spezialfahrzeug, das immer noch Schutt aus der komplett verkohlten Garage befördert, von außen an den Brand.

Im Innern zeigt sich jetzt, nachdem der gröbste Dreck beseitigt ist, das ganze Ausmaß der Schäden, die das Feuer in der Neujahrsnacht angerichtet hat. Die Stahlarmierungen der Betondecke sind dort, wo das Feuer besonders stark gewütet hat, aus der Decke gebrochen. Jeden Meter steht mittlerweile eine Stahlstütze. 700 werden es am Ende insgesamt sein, um zu verhindern, dass die Decke irgendwo doch einbricht.

Für die Mieter und den Hauseigentümer, den Bau- und Wohnungsverein Stuttgart, ist der Brand eine 'große Katastrophe', gibt Vorstand Thomas Wolf unumwunden zu. Denn neben dem reinen Gebäudeschaden kommt auf das Wohnungsunternehmen ein riesiger organisatorischer Aufwand zu. 'Derzeit wird mit allen Mietern gesprochen. Auch die Versicherungsfragen müssen hinsichtlich des Gebäudes und der Autos geklärt werden', ergänzt Vorstandskollege Jürgen Oelschläger.

Dabei hatten die Bewohner noch Glück im Unglück: nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn das Feuer auf der linken Seite der Tiefgarage ausgebrochen wäre, so Wolf. In diesem Bereich stehen mehrere Wohnhäuser direkt über der Tiefgarage.

Trotzdem sitzt der Schock bei allen Beteiligten tief. Dabei geht es längst nicht nur um das Erlebte oder den Gebäudeschaden, der von Experten auf über 1,5 Millionen Euro geschätzt wird. Vor allem bei jenen, die ihr Auto in der Tiefgarage abgestellt hatten und deren Autos jetzt nicht einmal mehr Schrottwert haben, ist das Entsetzen groß. Denn längst ist nicht geklärt, wer die Schäden an den Autos oder die Beseitigungs­kosten bezahlt. 'Nicht jeder ist so versichert, dass alle eintretenden Schadensfolgen getragen werden', ist die Erfahrung von Jürgen Oelschläger.

Während die ausgebrannten Fahrzeuge bereits mit einem Spezialfahrzeug entfernt wurden, stehen immer noch etliche Autos - umhüllt von einer dicken Rußschicht - in ihren Parkbuchten. Das liegt auch daran, dass die Fahrzeuge erst vor Ort von einer Spezialfirma vom Ruß gesäubert werden müssen, bevor sie auf einen Lkw geladen und durch die Stadt in eine Werkstatt transportiert werden dürfen. Um die Garage zügig für die Sanierung freizuräumen, hat das Wohnungsunternehmen vorsorglich schon Angebote von entsprechenden Unternehmen eingeholt. Doch erst müssen die Autoversicherungen der Mieter den Schaden begutachten. 'Das ist nicht immer einfach, vor allem bei den Online-Versicherungen', erklärt Oelschläger. Vermutlich wird der eine oder andere die Kosten von ein paar Hundert Euro für diese Reinigung auch aus eigener Tasche bezahlen, wenn sich der Autoversicherer nicht kulant zeigt.

Obwohl sich Thomas Wolf und sein Vorstandskollege Jürgen Oelschläger seit 14 Tagen mit nichts anderem als mit der Regulierung der Brandfolgen beschäftigen, wird es noch viele Monate dauern, bis alles wieder seinen Gang geht. Vor elf Jahren hatte es schon einmal in einer Tiefgarage des Bau- und Wohnungsvereins gebrannt. 'Das war aber längst nicht so schlimm wie jetzt', erinnert er sich. 'Dieses Mal werden wir auf einem hohen fünfstelligen Beitrag sitzenbleiben', befürchtet Wolf. Denn das Herausholen der ausgebrannten Autos mit einer Spezialmaschine aus der Tiefgarage, die fachgerechte Entsorgung der Schrottteile und die Sicherungsmaßnahmen des Brandortes lassen sich genauso wenig durch eine Versicherung abdecken wie der erhöhte Verwaltungsaufwand.

Ob die Täter, die in der Silvesternacht in der Tiefgarage durch das Abbrennen von Feuerwerk den Großbrand ausgelöst haben sollen, jemals ermittelt werden können, weiß heute niemand. Thomas Wolf hält aber auch nichts davon, Tiefgaragen in Wohn­gebieten mit Zugangssicherungen auszurüsten, um solche Täter abzuhalten. Neben dem Kostenfaktor bestehe immer noch die größere Brandgefahr durch Fahrzeuge, die sich aufgrund eines technischen Defektes selbst entzünden.

Der Vorstand verspricht sich hingegen mehr davon, bei Neubauten durch feuerhemmende Baumaßnahmen wie zusätzliche Brandwände zwischen den Fahrzeugboxen das Ausbreiten eines Feuers zu verhindern. Bewährt habe sich zumindest in Neugereut auch die teilweise Dämmung der Decke. Diese habe verhindert, dass der Beton zu Schaden kam. Sprenkleranlagen hält Thomas Wolf hingegen in Tiefgaragen für kon­traproduktiv. 'Durch das am Boden fließende Wasser könne sich auslaufendes Benzin an der Oberfläche über eine weite Fläche verteilen und andere Fahrzeuge in Brand setzen', argumentiert Wolf.


» Wer zahlt bei Feuer?

Wer trägt die Kosten, wenn Gebäude durch einen Brand beschädigt oder unbewohnbar werden? Wie werden Schäden an Sachen reguliert, zum Beispiel wenn es in einer Tiefgarage brennt. Antwort gibt der Pressesprecher der Wüstenrot & Württembergische AG, Dr. Immo Dehnert:

'Grundsätzlich leistet die Gebäudefeuerversicherung Entschädigung für alle Schäden am Gebäude selbst und weitere Bestandteile wie zum Beispiel Einbau­möbel. Zum Gebäude zählt auch die Garage, wenn sie - wie im Falle einer Tiefgarage - mit dem Gebäude verbunden ist. Werden die Verursacher ermittelt, sind sie schadenersatzpflichtig. Besitzen sie eine Privathaftpflichtversicherung, übernimmt sie bei Fahrlässigkeit - nicht bei Vorsatz - die Deckung der Schäden.

Fahrzeugschäden sind bei Brandstiftung - vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall - durch die Teilkaskoversicherung (Brand und Explosion) des Fahrzeughalters gedeckt, wobei alle Fälle der Teilkasko auch in der Vollkasko mit eingeschlossen sind. Wer sein Fahrzeug nicht (teil-)kaskoversichert hat, bekommt den Schaden nicht ersetzt. Werden die Verursacher ermittelt, sind sie schadenersatzpflichtig. Besitzen sie eine Privathaftpflichtversicherung, übernimmt sie bei Fahrlässigkeit - nicht bei Vorsatz - die Deckung der Schäden.'

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