Die Party geht weiter


Stuttgarter Immobilientalk. Eine den Finanzmarkt gefährdende Immobilienblase ist nicht in Sicht, dennoch werden die Preise weiter steigen und die Städte zunehmend um die junge Generation buhlen.


Die Konjunktur brummt, die Zinsen sind auf einem historischen Tief. Der Immobilienmarkt erlebt derzeit ein Wechselbad der Gefühle. Einerseits lassen sich jetzt durchaus gute Geschäfte machen, andererseits treibt die gesamte Branche die Sorge um, wie lange „die Party“ wohl noch anhält. Zudem macht immer mal wieder das Schreckgespenst einer Immobilienblase die Runde. Was erwartet die Branche? Einschätzungen beim 8. Stuttgarter Immobilientalk der Akademie der Immobilienwirtschaft ADI und Menold Bezler Rechtsanwälte.



Bernhard Sibold, Präsident der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Baden-Württemberg, relativiert. Derzeit könne man noch nicht von einer den Finanzmarkt gefährdenden Immobilienblase reden. Letztendlich auch deshalb, weil die Banken in Deutschland sich weiterhin sehr konservativ bei der Kreditvergabe verhielten. Dennoch müsse die aktuelle Preisentwicklung im Auge behalten werden.

Der deutliche Anstieg der Preise für Wohnimmobilien seit 2010, letztendlich wohl auch eine Folge der hohen Nachfrage verbunden mit einem niedrigen Zinsniveau, sowie die teilweisen Überhitzungen bei den Preisen in einigen Städten würden durchaus Anlass zu einer erhöhten Aufmerksamkeit geben. Mehr Sorgen bereitet dem Bundesbanker, dass viele Banken mittlerweile langfristige Zinsbindungen eingehen, um einen höheren Zins mitzunehmen. Das führe dazu, dass das Zinsänderungsrisiko dann nicht mehr beim Kreditnehmer, sondern bei der Bank liegt.

Stiegen dann die Zinsen, und haben die Banken dafür keine Rücklagen gebildet, könne das zu einem veritablen Minus bei den Banken führen, so Bernhard Sibold. Dem könne man mit höheren Eigenkapitalanforderungen und einem entsprechenden Risikomanagement entgegensteuern. Zudem habe die BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Möglichkeit, bei einer Gefährdung der Finanzstabilität den Kreditzeitraum zu begrenzen.

Für Dr. Marcus Cieleback, Group Head of Research (Chefvolkswirt) der Patrizia Immobilien AG, hat das zurückliegende Jahr gezeigt, dass es immer schwerer werde, die öffentliche Meinung zu prognostizieren. Auch politische Willensprozesse seien immer schwerer vorhersehbar, wie die Wahlen in den USA oder die Brexit-Entscheidung Großbritanniens zeigten. Doch gerade Investmententscheidungen seien in einem hohen Maße von dem makroökonomischen und dem demografischen Umfeld abhängig. Derzeit täten sich Investoren schwer, sich gegen diese Unwägbarkeiten zu schützen. So sei aktuell festzustellen, dass die Immobilien-Allokationen (Zuweisungen) steigen und dass sich der Fokus der Immobilieninvestoren zunehmend immer stärker auf die gleichen Produkte richte. Vor allem sogenannte Core und Value at-Produkte (Filetstücke, besonders renditestarke Immobilien mit oft langfristigen Mietverträgen) seien gefragt. Das führe aber zu einer weiteren Kompression der Renditen, so der Volkswirt. Sein Fazit: Die Immobilienpreise werden über alle Assetklassen hinweg weiter steigen. Und der Wettbewerb wird zunehmen, weil die Investoren weiter auf Sicherheit setzen.

Gefragte Immobilien-Investmentstandorte sind vor allem die sogenannten A-Städte München, Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart, erläutert Ralf Fröba, Bereichsleitung Büro- und Investmentmärkte bei der Bulwiengesa AG. Hier stelle man „wahnsinnige“ Zuflüsse ausländischen Kapitals fest. Neben Büroimmobilien seien zunehmend auch Wohn-, Hotel- und Pflegeimmobilien im Fokus. Weil es derzeit in Deutschland aber schwierig sei, Core-Immobilien zu erschwinglichen Preisen zu erwerben, würde der Markt zunehmend auch Interesse an sogenannten B- und C- Standorten haben.

Als bedenklich schätzt Ralf Fröba die mit unter drei Prozent bislang niedrigste Leerstandsquote in Stuttgart ein. Das daraus errechnete Leerstands-/Umsatz-Verhältnis von unter einem Prozent könnte sich bereits marktdämpfend auswirken. In Stuttgart werde nach wie vor zu wenig gebaut. Die moderaten Fertigstellungsvolumen dürften aus seiner Sicht keine deutliche Entspannung mit sich bringen. Deshalb sei auch in den kommenden Jahren mit einem weiteren Mietwachstum zu rechnen, während die Renditen weiter unter Druck bleiben. So prognostiziert Bulwiengesa bis zum Jahr 2021 einen Beschäftigtenzuwachs von sechs Prozent. Dafür müssten aber in der Landeshauptstadt im gleichen Zeitraum bis zu 380
000 Quadratmeter neue Büroflächen entstehen. Deshalb werden Büroimmobilien auch weiterhin im Fokus stehen – bei überschaubaren Risiken, so Ralf Fröba.

Für Professor Hanspeter Gondring hat der Wettbewerb unter den Städten längst begonnen. Schon heute leben 75 Prozent der Menschen in den Städten, Tendenz steigend. Längst geht der Trend, in der Stadt wohnen zu wollen, quer durch alle Generationen. Gewinner dieser Entwicklung werden jene Städte sein, denen es gelingt, interessante Arbeitsplätze verbunden mit einem vielfältigen kulturellen, sportlichen, gesellschaftlichen und großem sozialen Kapital zu bieten. Schwarmstädte wirkten dabei längst wie Magnete auf die junge Generation und seien entscheidend für den „Krieg um die besten Talente“.