Sehnsucht nach der guten Stube


Quartiere. Rund 5,2 Millionen Euro investierte die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft in den zurückliegenden vier Jahren in Strukturverbesserungen im Leonhards- und Bohnenviertel.
„Hier könnten Sie Höchstpreise verlangen“, soll unlängst ein nicht genannter Immobilieninvestor Samir Sidgi beim Rundgang durchs Bohnen- und Leonhardsviertel gesagt haben. Der Kaufmännische Geschäftsführer der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft SWSG muss darüber schmunzeln, während er es beim Pressetermin den anwesenden Journalisten erzählt. „Unsere Mieten liegen in Wahrheit bis zu 20 Prozent unter dem Mittelwert des Mietspiegels“. Und bei den belegungs­gebundenen Mieten sei der Unterschied sogar noch wesentlich höher, betont er.



Allein in den zurückliegenden Jahren hat die SWSG knapp 5,2 Millionen Euro für die Instandhaltung, den Neubau und die Modernisierung ihrer 211 Wohnungen – drei Viertel davon unterliegen der Belegungsbindung – und 33 Gewerbeeinheiten zwischen Wilhelms- und Charlottenplatz investiert. Ziel des städtischen Wohnungsunternehmens ist, das Bohnenviertel als lebendiges Innenstadtquartier mit hoher Wohnqualität zu erhalten. Im Leonhardsviertel versucht die SWSG die Ziele der Stadt zu unterstützen, ein attraktives Ausgehviertel als Kontrapunkt zum Rotlichtmilieu zu schaffen, so Samir Sidgi. „Uns war es wichtig, auch durch eine gezielte Gewerbeansiedlung für das Gebiet Strukturverbesserungen zu erreichen.“ Dabei sei die SWSG sehr behutsam vorgegangen. „Wir wollen, dass die Menschen, die hier schon lange zu Hause sind oder die künftig hier wohnen werden, in der Lage sind, sich das auch in Zukunft leisten zu können“, beschreibt Samir Sidgi den Anspruch der SWSG.

Dazu gehört für den Kaufmännischen Geschäftsführer auch, den Bestand an Wohnungen auch für jene Bevölkerungsgruppen nachhaltig am Markt bereitzustellen, die sich sonst eher schwer bei der Wohnungs­suche in der Landeshauptstadt tun. „Wir wollen, dass sich auch diese Bevölkerungsschichten in ihren Wohnungen wohlfühlen.“ Nur wenn die soziale Identifikation mit dem Quartier und der Wohnung gegeben sei, werde es keine negativen sozialen Folgeeffekte geben, ist sich Samir Sidgi sicher. Wer vermeiden wolle, das einzelne Siedlungen in Zukunft verfallen, weil sie aufgrund niedriger Eintrittsmieten nur schlecht instandgehalten werden, muss heute in Vorleistung treten.

Pro Jahr gibt die SWSG deshalb auch für die Instandhaltung ihres Bestandes, also alles das, was keine direkten Auswirkungen auf die Miethöhe hat, pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr circa 35 Euro aus. Institutionelle Wohnungsunternehmen, die eher kapitalmarktorientiert sind, investierten häufig nur zwischen vier und acht Euro pro Quadratmeter und Jahr. „Daran sehen Sie, wie wichtig uns das Thema Instandhaltung ist“, sagt Samir Sidgi.

Trotzdem sei es kein Zuschussgeschäft. Irgendwie müssten sich die Investitionen und die bereitgestellte Infrastruktur auch durch die Mieten refinanzieren. Wie das bei der SWSG funktioniert, erläutert der Kaufmännische Geschäftsführer anhand der gewerblichen Mieter. „Wir schauen uns schon sehr genau an, in welcher Situation sich der Unternehmer befindet.“

Junge Unternehmer brauchen gerade am Anfang etwas Unterstützung. „Läuft das Geschäft, kann überlegt werden, wie die Miete später moderat über einen Staffelmietvertrag angepasst werden kann.“ So etwas trägt auch zur nachhaltigen sozialen Stabilität des Quartiers bei und sei nicht weniger wichtig als quantitative Faktoren wie die Anzahl der belegungsgebundenen Wohnungen.

Die SWSG habe aber nicht nur den Auftrag, breite Bevölkerungsschichten mit Wohnraum zu versorgen, sondern auch zur Stadtentwicklung etwas beizutragen, ergänzt Helmuth Caesar, Technischer Geschäftsführer der SWSG. Jede neue Wohnung trage schließlich auch zum Stadtbild bei, da sie nie nur privat sei, sondern immer auch eine Ausstrahlung in den öffentlichen Raum habe. „Als kommunales Unternehmen ist es außerdem unsere Aufgabe, etwas für die Stadtbildpflege zu tun.“ Schließlich gebe es nicht so viele Wohnmöglichkeiten in der Stadtmitte. „Da sind noch das Hospitalviertel, das Gerberviertel ...“, beginnt Helmuth Caesar aufzuzählen. Stuttgart ver­suche schon lange, die Identität seiner Innenstadtbezirke zu stärken. Quasi die Sehnsucht nach der guten Stube der Stadt. Vor allem dort, wo nachverdichtet wird, komme es darauf an, mit planerischer Sorgfalt vorzugehen.

Vielleicht gibt es dazu in den nächsten Jahren wieder eine Gelegenheit. Im Gespräch ist, das Züblin-Parkhaus gegenüber der Leonhardskirche abzureißen. Für Helmuth Caesar wäre das eine gute Möglichkeit, die beiden Viertel miteinander zu verbinden. Bis dahin seien aber noch viele dicke Bretter zu bohren. „Es ist eine hoch komplizierte Projektentwicklung“, vermutet der Technische Geschäftsführer. Und das nicht nur, weil es auf dem Gelände viele Grunddienstbarkeiten und Baulasten gebe. Noch steht in den Sternen, was aus dem Gebiet wird und wer am Ende mit der Projektentwicklung beauftragt wird. Die SWSG wartet erst einmal ab.