Und raus bist du


Stuttgart. Die hohe Nachfrage nach Büroimmobilien hat dazu geführt, dass selbst langfristige Mietverhältnisse zugunsten einer höheren Miete oder besseren Bonität des Mieters vom Vermieter überprüft werden.

Wer in der Landeshauptstadt Büroräume ohne vertraglich vereinbarte Optionsmöglichkeit angemietet hat, kann derzeit in Stuttgart nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass der Vermieter auf eine Verlängerung des bestehenden Mietverhältnisses nach Ablauf der regulären Laufzeit eingeht.



Aufgrund der angespannten Lage auf dem Bürovermietungsmarkt komme es immer öfter vor, dass die Räume nach Ablauf der Mietdauer zu einem höheren Preis neu vermietet werden. Der aktuelle Mieter zieht dabei den Kürzeren, selbst wenn er vielleicht schon Jahrzehnte die Immobilie angemietet hatte, erläutert Sebastian Treier, bei Jones Lang LaSalle (JLL) zuständig für den Bürovermietungsmarkt. „Wir empfehlen allen Mietern, selbst aktiv zu werden, die Verträge zu prüfen und gegebenenfalls mit dem Vermieter Kontakt aufzunehmen“, ergänzt Alexander Veiel, Niederlassungsleiter von JLL.

Nach Ansicht der Makler sind die meisten Büronutzer derzeit viel zu blauäugig, was die Verlängerung ihrer Mietverträge betrifft. Viele lebten immer noch in dem Glauben, dass sich die Verträge selbstredend verlängern, da sie schon so und so viele Jahre die Immobilie nutzten. Das sei aber ein Trugschluss. Wer in den begehrten Lagen der Landeshauptstadt einen günstigen wie langfristigen Mietvertrag hat, zähle zwar im Moment zu den Gewinnern, sollte aber trotzdem wachsam sein, sagt etwa Sebastian Treier. Mieter, die ihren Vertrag in den zurückliegenden Jahren immer nur kurzfristig um wenige Jahre verlängert hätten, könnten nämlich ein böses Erwachen erleben. In Stuttgart gibt es bereits mehrere Fälle, in denen langjährige Mietverträge nicht verlängert wurden oder der Vermieter die Kündigungsoption zog, um neue, solventere Mieter in die Büros zu holen, die auch bereit waren, einen höheren Mietzins zu bezahlen.

Im Gegensatz zu einem Wohnmietverhältnis gibt es für gewerbliche Mieter keinen Mieterschutz. Grundlage ist der Mietvertrag, in dem neben der Miethöhe und der Mietdauer unter anderem auch geregelt ist, welche Optionen Vermieter und Mieter am Ende der regulären Mietdauer ziehen können. Derzeit liegt die übliche Mietdauer für Büroimmobilien im Neubaubereich bei Abschluss eines neuen Mietvertrags bei zehn Jahren. Kürzere Mietverträge von drei oder fünf Jahren sind aktuell eher die Ausnahme. In der Vergangenheit geschah die Verlän­gerung oft automatisch, wenn keine der Parteien vorher den Vertrag kündigte. Das war vor allem bei langen Geschäftsbeziehungen üblich und der Mieter konnte sich auch darauf verlassen, dass der Vermieter nicht längst einen neuen Mieter im Auge hatte.

Mittlerweile bewerben sich um eine frei gewordene Bürofläche in der Landeshauptstadt zwei bis drei Mieter. Einige Bewerber würden sogar freiwillig langfristige Miet­verträge anbieten, nur um die Fläche zu bekommen. Und die Makler? Um die zahlreichen Kundenanfragen überhaupt noch befriedigen zu können, durchforsten die Makler ihre Datenbestände und suchten nach auslaufenden Mietverträgen, um dann aktiv auf die Vermieter zuzugehen. „Wenn wir das nicht machen würden, wären wir ganz schnell aus dem Geschäft“, so Alexander Veiel.

Sebastian Treiber führt diese Entwicklung auf einen „dramatisch niedrigen Leerstand“ in der Landeshauptstadt zurück. So drückte die Nachfrage nach Büroflächen im zurückliegenden Jahr die Leerstandsquote noch einmal von 4,6 auf 3,7 Prozent. Diese freien Flächen seien aber praktisch unvermietbar, da dieser Leerstand strukturell bedingt sei. Meistens fehle es bei diesen Immobilien an der fehlenden Infrastruktur im Umfeld, sagt Alexander Veiel.

Die Nachfrage übersteigt schon seit Jahren bei Weitem das Angebot. „Und es wird noch schlimmer kommen“, warnte Alexander Veiel schon vor zwei Jahren. Zwar wird in Stuttgart an vielen Ecken gebaut, diese Flächen sind aber meist schon vermietet, bevor mit dem Bau begonnen wurde. Viele Entwickler würden mittlerweile auch bereit sein, spekulativ zu bauen, so der Makler. Das heißt: Ein Investor plant und baut ein Bürogebäude, ohne dass er schon einen Mieter hat. Da spielten aber die Banken nicht mit, die in der Regel für eine Finanzierung eine Vorvermietungsquote von mindestens 40 Prozent verlangten. „Und selbst wenn ein Investor alles finanzieren könnte, es gibt kaum Grundstücke in Stuttgart, die entwickelt werden könnten“, schränkt Alexander Veiel ein.

Der Nachfrageüberhang könnte langfristig zu einem Problem für den Stuttgarter Markt, sogar für die ganze Stadt und ihr Erscheinungsbild werden. „Ohne freie Büroflächen gibt es keinen Wettbewerb unter den Vermietern. Warum soll ein Eigentümer neue Gebäude mit zeitgemäßen Flächen errichten, wenn er auch seinen alten Bestand mit hohen Renditen vermieten kann“, fragt Alexander Veiel.