„Aufwendige Abstimmungsprozesse“


Gewerbeimmobilien. Weil Bieterverfahren für Grundstücke in Stuttgart für Käufer unkalkulierbarer werden, ziehen sich Investoren immer öfter aus öffentlichen Verfahren in der Landeshauptstadt zurück.

Für Marc F. Kimmich hat Stuttgart zwei Seiten. Da ist zunächst einmal die Wirtschaft. „Das ist eine perfekte Mischung aus Großkonzernen und Mittelstand, viel Forschung und Entwicklung an den Universitäten und eine hohe Kaufkraft. Das spricht für Stabilität“, kommt der Immobilieninvestor ins Schwärmen. Sein Unternehmen, die Copro Gruppe, hat unter anderem den Kaiserbau am Stuttgarter Marienplatz sowie das Lloyd-Haus in Stuttgart-West erworben und saniert.



Prof. Dr. Robert Göötz erklärt im Interview den Begriff Off-Market-Deal.

Weniger gut sind die Erfahrungen von Marc F. Kimmich mit der Verwaltung. „Wir reden hier nicht nur davon, dass alles ein bisschen schneller gehen könnte. Ich glaube, in Stuttgart fehlt grundsätzlich ein wenig der Dienstleistungsgedanke. Seinen Wahlkampfspruch ,Für Stuttgart bauen – nicht für Investoren‘ hat Oberbürgermeister Kuhn recht gut umgesetzt“, legt Kimmich schmunzelnd nach.

Der Berliner Investor mit Stuttgarter Wurzeln steht mit seiner Kritik nicht allein. In einem Zeitungsbericht hatten namentlich nicht genannte Investoren kürzlich die Haltung der Stadt kritisiert und formuliert, sie sähen in Stuttgart für Gebäude- und Grundstückskäufe keine Sicherheit und Geschäftsgrundlage mehr. Worauf sich Peter Pätzold, Bürgermeister für Städtebau und Umwelt, veranlasst sah zu betonen, dass Stuttgart durchaus ein verlässlicher Partner für Investoren sei. Man bemühe sich, im Vorfeld die einzelnen Verfahren durchzusprechen und abzustimmen, hieß es damals aus dem Rathaus. Das Verhältnis zur Rathausspitze war auch schon mal besser. Marc F. Kimmich hat noch gut in Erinnerung, wie sich die Verwaltungsspitze in früheren Jahren einmal im Jahr mit internationalen Investoren traf, um auf Augenhöhe über kommende oder mögliche Projekte in der Landeshauptstadt zu sprechen. „Das war für die Stadt ein tolles Stadtortmarketing, das viele Investoren angezogen hat.“ Aber auch schon unter Wolfgang Schuster, so erinnert sich der Investor, war die nachgeordnete Verwaltung der Flaschenhals. „Sobald es um die Realisierung ging, setzte die Ernüchterung ein“, erinnert er sich. Oft wären einem mehr Hindernisse in den Weg geräumt als ausgeräumt worden. Ausgenommen aus seiner Kritik ist die Denkmalschutzbehörde: „Die Zusammenarbeit beim Kaiserbau war vorbildlich“, lobt er die Behörde. So wünsche er sich auch die übrige Verwaltung.

Gerade in den letzten zwei, drei Jahren habe man sich deshalb auch sehr früh aus Bieterverfahren zurückgezogen, weil klar wurde, dass der Abstimmungsprozess mit der Stadt Stuttgart zu aufwendig werden würde. „Wenn man keine Aussicht auf Erfolg hat, ein Projekt auch wirtschaftlich umzusetzen, lässt man es bleiben.“ Marc F. Kimmich bringt ein Beispiel. Sein Unternehmen Copro projektiere derzeit eines der größten innerstädtischen Projekte nahe dem Potsdamer Platz in Berlin-Kreuzberg. Auch dort seien die Abstimmungen schwierig, räumt er ein. „Da haben wir aber die gegenteilige Erfahrung gemacht.“ Natürlich werde auch in Kreuzberg Position bezogen, es werde aber immer nach einer Lösung gesucht. „Das fehlt uns hier in Stuttgart. Die Baubehörde legt einem nur Steine in den Weg“, kritisiert Kimmich. Diese Erfahrungen bleiben längst nicht ohne Konsequenzen. „Wir versuchen in Stuttgart die Genehmigungsprozesse so gut wie möglich zu umgehen und investieren jetzt lieber in den Bestand, als uns aktiv um Grundstücke zu bewerben“, erläutert Kimmich.

Hinzu kommt ein auch so schon langwieriges Prozedere. So müssten im Vorfeld unzählige Dokumente geprüft und kalkuliert werden. Dazu brauche man Architekten, Ingenieure und Rechtsanwälte. „Bevor überhaupt klar ist, ob man das Grundstück bekommt, hat der Investor schon viel Geld ausgegeben.“ Im Schnitt sei das rund ein Prozent vom späteren Kaufpreis, schätzt Kimmich. Rechne man noch die Grunderwerbsteuer und die Maklerkosten hinzu, habe man mittlerweile recht enorme Einkaufsnebenkosten. Und die können sich ganz schön summieren, je weniger man bei Bieterverfahren zum Zuge komme. „Zurzeit gibt es immer einen Kollegen, der bereit ist, für ein Grundstück noch etwas mehr draufzulegen als vielleicht vernünftig wäre.“ Die Prüfungsprozesse würden immer aufwendiger. „Wir beteiligen uns deshalb auch nur noch an Verfahren, bei denen wir eine realistische Chance haben, zum Zuge zu kommen.“ Deshalb wende man sich zunehmend sogenannten Off-Market-Deals zu, bei denen Immobilien-Investoren mit Verkäufern direkt verhandeln, anstatt an einem Bieterverfahren teilzunehmen.

Doch wo liegt die Grenze? Wie weit geht ein Investor? „Das ist eine ganz schwierige Frage – und hängt vom Objekt ab“, so der Investor. Bei einem Objekt in unmittelbarer Nähe zum Regierungsviertel in Berlin gehe man auch mal eher mit, weil es eben eine einzigartige Lage sei. Die Euphorie, die gegenwärtig auf dem Stuttgarter Investmentmarkt herrscht, sieht Kimmich ebenfalls mit gemischten Gefühlen. Mehr als 90 Prozent der Transaktionen seien Wechsel unter den Bestandshaltern. „Man muss aufpassen, dass man die Party nicht nur unter sich feiert“, merkt er an. Wenn sich Stuttgart da künftig nicht mehr anstrengt und Öffentlichkeitsarbeit betreibt, damit auch Mitarbeiter nach Stuttgart kommen wollen, dann könnte die derzeitige Dynamik am Stuttgarter Gewerbeimmobilienmarkt dramatisch nachlassen, meint er mit Blick auf den Wohnungsmarkt.