Starke Bauherren braucht das Land

Bauplanung. Kostensteigerungen sind immer wieder ein Ärgernis. Wir brauchen deshalb neue Methoden für Immobilienprojekte, um besser und günstiger zu bauen, sagt Drees-&-Sommer-Vorstand Peter Tzeschlock.


Immobilien sind kein Selbstzweck. Neben der Architektur als Alleinstellungsmerkmal gehe es vor allem um die funktionale Nutzung. Und die sei ganz stark von den Arbeitsprozessen des Unternehmens abhängig, für das die Immobilie gebaut werde, so Peter Tzeschlock.


Peter Tzeschlock, Vorstand Drees & Sommer

Für den Bauingenieur gibt es zwei wesentliche Gründe, warum gerade die Kosten bei privaten wie öffentlichen Großprojekten explodieren. 'Entweder das Anforderungsprofil ist zu Beginn noch nicht scharf genug definiert, oder ein bestimmtes Projekt soll um jeden Preis durchgesetzt werden, wohl wissend, dass der kommunizierte Kostenrahmen nicht zu halten ist, so die Erfahrung des Vorstandsvorsitzenden von Drees & Sommer. Das Unternehmen mit weltweit rund 2000 Mitarbeitern hat sich auf Beratungs- und Projektmanagementleistungen rund um die Immobilie spezialisiert.

Großprojekte, die negative Schlagzeilen produzieren, können schnell eine ganze Branche in Verruf bringen, weiß der Vorstand. 'Wenn Sie sich im Ausland um einen Großauftrag bewerben und Sie auf Projekte, die in Schieflage geraten sind, angesprochen werden, kann sich das negativ auf den Ruf von made in Germany auswirken', sagt Peter Tzeschlock. Wir wissen, dass ein von Anfang an schlüssiges Konzept Abhilfe schaffen könne.

'Dann muss nicht mehr ständig nach­gebessert werden, weil der Bauherr noch dieses oder jenes berücksichtigt haben möchte', erläutert der Bauingenieur. Und: je länger sich ein öffentliches Großprojekt hinzieht, umso unwahrscheinlicher wird es, dass der ursprünglich kommunizierte Kostenrahmen noch zu halten ist. 'Bei vielen politisch gewollten Projekten ist stets die Gefahr, dass die Kosten höher werden. Das wird aber manchmal aus politischen Gründen nicht kommuniziert', plaudert Peter Tzeschlock aus dem Nähkästchen. 'Wenn wir wissen, dass eine Immobilie 50 Millionen kostet und der Bauherr aber unbedingt mit 40 Millionen durchs Ziel gehen will, steigen wir auch schon mal aus einem Projekt aus. Absolute Transparenz, Offenheit und Kostensicherheit in den frühen Phasen sind uns sehr wichtig', sagt Tzeschlock.

Eine Herausforderung seien gerade bei öffentlichen wie privaten Projekten die sehr komplexen Entscheidungsstrukturen mit auch unterschiedlichen Interessenlagen. 'Am Ende brauchen Sie einen starken Bauherrn, der konsequente Entscheidungen trifft', bringt es der Bauingenieur auf den Punkt. Trotzdem ist Peter Tzeschlock kein Freund von Generalpaketvergaben. 'Dieses Vorgehen eignet sich nur dann, wenn der Bauherr genau weiß, was er will, und im Verlauf des Baus sicher keine Änderungen mehr kommen.' Doch das sei gerade bei der öffentlichen Hand oder Großkonzernen schwer durchzuhalten, da es hier, auch bedingt durch die späteren Nutzer, immer wieder mal zu Änderungen kommen könne.

Für die Bauabteilungen oder die Hochbauabteilungen ist das dann immer eine Gratwanderung zwischen Kostendisziplin und einem permanenten Änderungsbedarf, weiß er aus Erfahrung. Oft sei die Konsequenz einer baulichen Änderung erst nach Monaten auf dem Tisch. Dann sei die Änderung aber oft schon bei vielen Themen eingeflossen und lasse sich nicht mehr zurückdrehen. Beispiel neuer Flughafen in Berlin: 'Die Schnittstellen zu einigen Bereichen funktionieren nicht, da immer wieder was Neues dazukam, was in der ursprünglichen Planung so nicht vorgesehen war.'

Mit neuen Planungsansätzen, wie zum Beispiel digitalen Methoden, ist es heute möglich, Änderungen schon in der Entstehungsphase komplett zu bewerten, sagt Peter Tzeschlock. Dabei gehe es nicht nur darum zu ermitteln, was zum Beispiel die Änderung an der Fassade kostet, sondern auch, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf die Haustechnik und deren Installation hat. Um erfolgreich zu planen, müssten vor allem Entscheiderebenen klar definiert sein. 'Wenn eine Entscheidung zu einem bestimmten Termin notwendig ist, muss sie getroffen werden. Kommt sie erst ein halbes Jahr später, kann das grundlegende Auswirkungen auf das Projekt haben', weist Peter Tzeschlock auf eine Ursache hin.

Um derartige Situationen zu reduzieren, rät der Bauingenieur dazu, gerade auch bei komplexen Projekten die Schnittstellen zu reduzieren und die Verbleibenden mit hoher Kompetenz und Verantwortung auszustatten. Tzeschlock räumt ein, dass es eine hundertprozentige Planungssicherheit trotzdem nie geben werde. 'Wir brauchen deshalb für jede Variante einen Plan B oder auch Plan C - falls Termine oder Kosten nicht eingehalten werden können.'

Rund 90 Prozent aller potenziellen Änderungen ließen sich so einplanen. Wichtig sei, dass aufgrund unvorhergesehener Maßnahmen kein Aktionismus entstehe. Eine Erkenntnis habe sich auf alle Fälle durch­gesetzt: 'Aussitzen geht heute gar nicht mehr.' Ingo Dalcolmo
#


© 2015 STUTTGARTER ZEITUNG