Ohne Eigenkapital geht nichts

Wohneigentum. Niedrige Zinsen machen Immobilien für immer mehr Menschen erschwinglich. Doch Banken und Bausparkassen geben längst nicht jedem Kredit.


Trotz niedriger Zinsen wird der Wunsch nach Immobilieneigentum nicht für jeden Wirklichkeit. Rund ein Viertel aller Finanzierungsanfragen werden zum Beispiel bei der Wüstenrot-Bausparkasse abgelehnt, weil die Objekte entweder zu teuer sind oder erhebliche Zweifel an der Finanzierbarkeit bestehen. Auch bei der Volksbank Stuttgart werden zwischen 20 und 30 Prozent der Anfragen aufgrund fehlenden Eigenkapitals oder mangelnder Kapitaldienstfähigkeit zurückgewiesen. Die Kreditexperten der Sparda-Bank schätzen den Anteil der ablehnenden Bescheide auf etwa fünf Prozent.




Nach einer Studie von TNS Infratest im Auftrag der Wüstenrot-&-Württember­gische-Gruppe würde derzeit jeder zehnte Einwohner in der Region Stuttgart für eine Immobilie mehr als eine halbe Million Euro ausgeben. Vier von zehn Immobilienkäufern wären immerhin noch bereit, zwischen 250 000 und 500 000 Euro für eine Wohnimmobilie zu investieren. Nahezu 50 Prozent gaben an, maximal bis zu 250 000 Euro aufbringen zu wollen. 'Der Kauf einer Immobilie ist angesichts der niedrigen Zinsen und erwarteten Wertsteigerungen für viele Menschen in der Region derzeit sehr attraktiv', analysiert Bernd Hertweck, Vorstandschef der Wüstenrot Bausparkasse, die aktuelle Umfrage.

Das lässt sich auch an der Entwicklung der Immobilienfinanzierungen ablesen. Die Baufinanzierer in der Region verzeichnen unisono einen Anstieg der Nachfrage. Von einem 'überdurchschnittlichen' Wachstum im bundesweiten Vergleich spricht die Bausparkasse Schwäbisch Hall, wobei in den Umlandkreisen ein dynamischeres Wachstum festzustellen sei als in der Landeshauptstadt selbst, so Vertriebsvorstand Gerhard Hinterberger. Das lässt sich auch an Zahlen festmachen: Bei der Volksbank Stuttgart zum Beispiel hat in den zurückliegenden zwei Jahren die Anzahl der Baufinanzierungen um rund zwölf Prozent zugenommen. Dabei gibt es bei dem Institut ein deutliches Gefälle zwischen der Landeshauptstadt (fünf Prozent) und der Region (15 Prozent). Nach Ansicht des Instituts sind die Zahlen dem begrenzten Angebot in Stuttgart geschuldet. Auch die Sparda-Bank Baden-Württemberg stellt fest, dass sich Immobilienbewerber zunehmend auf den Rand der Ballungszentren konzentrieren. Dabei seien vor allem Städte und Kreise wie Böblingen, Ludwigsburg oder Heidelberg sehr attraktiv. Nur bei der BW-Bank gibt es keine 'signi­fikanten' Unterschiede in der Nachfrage zwischen Stuttgart und der Region.

Der Markt habe zudem dazu geführt, dass die Schnelligkeit bei der Kreditzusage mittlerweile eine wesentlich wichtigere Rolle spiele als noch vor einigen Jahren, so der Vorstandsvorsitzende der Sparda-Bank, Martin Hettich.

Die große Nachfrage nach Baufinanzierungen schlägt sich auch in den Bilanzen der Banken und Bausparkassen nieder. 'Mit 427 Millionen Euro konnten wir im Jahr 2014 ein überdurchschnittliches Ergebnis im Baufinanzierungsbereich erzielen', freut sich Wolfgang Kuhn, Vorstandssprecher der Südwestbank. Bei der Landesbausparkasse Baden-Württemberg erreichte das Kredit­geschäft bereits im ersten Halbjahr 2015 mit 644 Millionen Euro einen 'neuen Spitzenwert', so der Vorstandsvorsitzende Tilmann Hesselbarth. Trotz des großen Ansturms setzen die finanzierenden Institute auf Sicherheit. 'Wir empfehlen unseren Kunden als Faustregel einen Eigenkapital­anteil von einem Viertel der gesamten Kauf- oder Baukosten', erläutert Claudia Stricker, Leiterin Produktmanagement Kredit der BW-Bank. Bei der Volksbank Stuttgart liegt der Eigenkapitalanteil bei rund 20 bis 25 Prozent. Die Bandbreite reiche jedoch im Einzelfall von knapp 10 bis über 50 Prozent, so Jürgen Schäfer, Leiter Bauen, Wohnen und Versichern. Bei der LBS liegt der durchschnittliche Anteil am Eigenkapital bei der Finanzierung bei rund 30 Prozent. 25 Prozent Eigenkapital sollten es mindestens sein, rät die Bausparkasse Schwäbisch Hall ihren Kunden. Bei der Sparda-Bank rechnet man indes damit, dass aufgrund der überhöhten Immobilienpreise der Eigen­kapitalanteil weiter steigen wird.

Doch wie schafft es eine Familie mit einem durchschnittlichen Einkommen, zwischen 250 000 und 500 000 Euro für eine Immobilie aufzubringen? Denn trotz höherer Einkommen in Baden-Württemberg werden diese durch stark gestiegene Bauland- und Immobilienpreise längst auf­gezerrt, so eine Studie der Sparda-Bank. 'Wohneigentum wird vor allem in den Großstädten bald nur noch von Wohlhabenden finanzierbar sein', glaubt indes Martin Hettich.

Derzeit verhilft dem Wunsch nach Immobilieneigentum vor allem das niedrige Zinsniveau, so die Banken unisono. 'Die monatliche Belastung liegt häufig nur wenig über dem aktuellen Mietaufwand', sagt Jürgen Schäfer von der Volksbank Stuttgart. Zunehmend würde das Eigenkapital aber auch durch Erbschaften und Schenkungen aufgestockt. Bei jüngeren Darlehensnehmern gebe es oft auch einen finanziellen Zuschuss von den Eltern oder Großeltern, ist die Beobachtung von Wolfgang Kuhn von der Südwestbank.

Um bei der Finanzierung auf Nummer sicher zu gehen, empfehlen die finanzierenden Institute, einen ausreichenden finanziellen Spielraum einzuplanen. 'Die Zinsbindung sollte möglichst lang sein und entsprechend hohe Tilgungen enthalten. Wir finanzieren erst ab einer Mindest-Tilgungsquote von zwei Prozent', macht Claudia Stricker aber auch deutlich. Ingo Dalcolmo
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