Brücken bauen – Hürden abbauen


Netzwerken. Mehr Wohnraum, aber wie? Rund 200 Vertreter aus der Politik, von den Kommunen und aus der Immobilienwirtschaft trafen sich jetzt zum Wohngipfel Baden-Württemberg in Böblingen.
Die Kulisse hätte nicht konträrer sein können. Auf der einen Seite die Crème de la Crème der Sportwagen, bei denen einem schon allein beim Blick auf den Tacho der Atem stockt. Auf der anderen Seite ein Thema, das seit Jahren nur im Schneckentempo vorankommt. Im V8 Hotel der Motorworld in Böblingen trafen sich diese Woche Experten aus der Politik, den Kommunen und der Immobilienbranche, um wieder einmal darüber zu diskutieren, wie möglichst schnell zusätzlicher Wohnraum in Baden-Württemberg geschaffen werden könnte.



Die Idee dazu hatte die Böblinger Maklerin Bärbel Falkenberg-Bahr. Sie war es schon länger leid, ständig als Feind und nicht als Partner der Kommunen gesehen zu werden, erzählt sie vor rund 200 Zuhörern. „Wir brauchen schnell mehr Wohnraum“, so ihre Forderung. Deshalb müsse von den Kommunen mehr Bauland ausgewiesen werden. „Wir alle tragen die Verantwortung für schnelle Lösungen.“ Deshalb brauche es auch eine Kultur des Brückenbauens und des Aufeinanderzugehens, beschreibt sie ihre Motivation für die Initiierung des Wohngipfels Baden-Württemberg.

So stellt die Immobilienwirtschaft seit Jahren die von der grün-roten Landesregierung einst novellierte Landesbauordnung infrage. Bislang aber ohne Erfolg. „Wir tun uns an der einen oder anderen Stelle schwer, mit dem Koalitionspartner einen Konsens herzustellen“, beschreibt dann auch Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut die Schwierigkeit innerhalb der Koalition, die Vorschläge der Wohnraumallianz für eine erneute Novellierung eins zu eins umzusetzen. Die Experten hätten dabei umfassende Änderungen des bestehenden Baurechts empfohlen. „Wir können die Situation bei der Schaffung von neuem Wohnraum im Land nur schrittweise verbessern, da an vielen Rädern gedreht werden muss“, versucht die Ministerin auf dem Wohnungsgipfel zu erklären, warum viele Vorschläge der Wohnraum-Allianz vermutlich doch nicht umgesetzt werden.

Der Fokus liege vor allem in der Bereitstellung von Flächen für den Wohnungsbau, so die Ministerin. Sie sei den Kommunen dankbar, dass sie sich der Verantwortung stellen wollen, mehr Wohnraum zu schaffen, sagte sie jetzt in Böblingen. Dazu sei vom Wirtschaftsministerium jetzt ein Handlungsleitfaden für lokale Entscheidungsträger entwickelt worden. Derzeit werde von der Landesregierung außerdem überlegt, einen Kommunalfonds Wohnraumoffensive Baden-Württemberg aufzulegen, mit dem Kommunen unterstützt werden sollen. Bereits seit dem Jahr 2017 fördert das Land mithilfe des Bundes den sozialen Wohnungsbau jährlich mit 250 Millionen Euro. Diese Zuweisungen laufen zum 31. Dezember 2019 aus. Um die Finanzierung der sozialen Wohnraumförderung ab dem 1. Januar 2020 mit ausreichenden und planbaren Finanzmitteln sicherzustellen, strebt das Wirtschaftsministerium eine landesgesetz­liche Regelung dazu an. Darüber hinaus sei im Zuge der geplanten Grundgesetzänderung vorgesehen, dass der Bund den Ländern zweckgebundene Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau gewähren kann.

Mit dem Geld soll vor allem der soziale Wohnungsbau im Land gefördert werden. Denn der knappe Wohnraum in der Region Stuttgart gefährdet zunehmend auch den Wirtschaftsstandort. So gehen Experten davon aus, dass aufgrund des Renteneintritts in den nächsten Jahren rund 100000 neue Wohnungen in der Region geschaffen werden müssten, da die Rentner weiter in ihren Wohnungen wohnen, die nachfolgenden Fachkräfte aber ebenfalls eine Wohnung benötigen. Und bei diesen Zahlen sei noch keinerlei Wirtschaftswachstum berücksichtigt.

Doch wer trägt die Verantwortung? Die Politik, Gemeinderäte, Baurechtsämter? Für Landespolitiker Tobias Wald (CDU) sind die Kommunen vor Ort gefordert, wenn es um die Schaffung von mehr Wohnraum geht. „Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen“, sagte er im Rahmen einer Podiumsdiskussion beim Wohngipfel. Die Landtagsabgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr (FDP) empfiehlt mit Blick auf den Personalmangel in den Baurechtsämtern, den Blick aufs große Ganze zu richten und die kleinen Probleme auf der Seite liegen zu lassen.

Die Unternehmerin Bärbel Falkenberg-Bahr hat da so ihre ganz eigene Erfahrung gemacht: „Manche Kommune macht es einem ganz schön schwer.“ Dabei müsste es doch längst allen Gemeinderäten klar sein, dass wir Wohnraum für Menschen brauchen, so ihr Appell. Tobias Wald forderte eine neue Kultur des Wollens. Aber: Es komme auch darauf an, wie ein Projekt der Verwaltung vorgetragen werde. Gabriele Reich-Gutjahr sprach sich dafür aus, die Möglichkeiten von Bürgerbegehren, wie sie 2015 eingeführt wurden, einzuschränken.

Eine Absage erteilte Tobias Wald der Forderung, die kommunale Selbstverwaltung zu begrenzen und der Regionalplanung mehr Aufgaben zu übertragen. „Der Verband kann die Probleme nicht alleine lösen. das geht nur gemeinsam mit dem Umland.“ Bärbel Falkenberg-Bahr bleibt skeptisch. Zwischen Theorie und Praxis sei ein weiter Weg. Wichtig sei es, den Bürger bei anstehenden Bauprojekten mitzunehmen. „Das ist nicht einfach. Und man braucht Rückgrat dazu.“ Ingo Dalcolmo