„Die Krise kommt schleichend“


Expo Real.
Noch brummt die Immobilienwirtschaft. Der Mangel an Grundstücken, immer längere Genehmigungsphasen und zunehmende Restriktionen versetzen der Lust am Bauen immer öfter einen Dämpfer.


„Die Immobilienkrise kommt schleichend“, sagt Mario Caroli, geschäftsführender Gesellschafter von E&G Funds & Assets. „Es fehlen Flächen für Büro und Gewerbe, um Geld zu verdienen“. Stadt und Region müssten endlich an einem Strang ziehen, fordert der Immobilienexperte. Doch selbst wenn Grundstücke auf dem Markt wären: „Die Genehmigungsprozesse dauern viel zu lange.“ Und weil gleichzeitig die Baupreise weiter steigen, sei die Anfangskalkulation oft nicht zu halten. Hinzu kommt: „Die Bauzeitzinsen fressen zunehmend die Liquidität auf“, sagt der Immobilienexperte.



Doch von Krise war auf der diesjährigen Expo Real in München scheinbar nichts zu spüren. Im Gegenteil: Manch einer hatte sogar seine Schwierigkeiten, auf den Gängen zwischen den Messeständen auf der größten Fachmesse für Immobilien und Investitionen in Europa überhaupt durchzukommen. „Die Dynamik auf der Messe ist gut“, stellt Professor Stephan Kippes vom IVD-nahen Marktforschungsinstitut fest. Die meisten seien vor allem auf der Suche nach guten Objekten. Aber auch er konstatiert: „Die Grundstücke sind der Engpassfaktor.“

Dem stimmt auch Martin Armbruster von der Wirtschaftsförderung der Stadt Stuttgart zu. Nur im Neckarpark gebe es noch einige Flächen, die im nächsten Jahr ausgeschrieben werden sollen. „Bei großen Nutzungen mit zigtausend Quadratmetern wird es echt schwierig.“ Matthias Lutz von der WRS Wirtschaftsförderung Region Stuttgart bläst ins gleiche Horn: „Die Probleme sind die alten.“ Zwar gebe es mittlerweile auch in der Region eine größere Bereitschaft, für das Wohnen zusätzliches Bauland auszuweisen; im gewerblichen Bereich lehne die Mehrheit der Bevölkerung in der Region aber nach wie vor eine Ansiedelung auf der grünen Wiese ab.

Große Hoffnung setzt die Immobilienwirtschaft auf die IBA 2027 Stadt Region Stuttgart. Tobias Schiller, Pressesprecher der Internationalen Bauausstellung, zeigte sich von ersten Kontakten mit der Branche zufrieden. „Die Resonanz auf die IBA und das, was in den nächsten Jahren entstehen soll, ist sehr positiv.“ Ein Grund dafür dürfte auch eine Halle weiter der Stand der Schweizer SSN Group sein. Die Investorengruppe hatte Anfang des Jahres von der Gerchgroup das ehemalige IBM-Hauptquartier auf dem Eiermann-Areal erworben und will dort Wohnungen und Büros errichten. Jürgen Giessmann ist zuversichtlich, dass spätestens 2020 die ersten Baukräne auf dem künftigen VAI Campus aufgebaut werden. „Wir sind mitten im Genehmigungsprozess. Die Verhandlungen mit der Stadt Stuttgart laufen hervorragend.“ Der Vorsitzende des Beirats der SSN Group räumt aber auch ein, dass es sich dabei um ein sehr komplexes Projekt handele.

Eine von vielen Herausforderungen sei dabei die Mobilität. Einerseits soll der Durchgangsverkehr in Vaihingen nicht zusätzlich belastet werden, andererseits muss gewährleistet sein, dass der neue „Stadtteil“ auch gut erreichbar ist. Dass der Münchner Automobilhersteller BMW hier als möglicher Kooperationspartner mit einsteigen könnte, ist aber laut SSN Group vom Tisch. „Es wird alles neu verhandelt. Auch die Option mit einer Seilbahn wird geprüft.“ Eines ist aber heute schon klar: Die SSN Group setzt schon in der Planungsphase auf das digitale Thema.

Zu den Pionieren auf diesem Gebiet gehört das Stuttgarter Immobilienberatungsunternehmen Drees & Sommer. Vorstand Dierk Mutschler hält bei jedem größeren Bauvorhaben bereits in der ersten Konzept- und Planungsphase eine Digitalisierungsstrategie für unerlässlich. Schließlich wollen Eigentümer, Betreiber und Nutzer ja auch ganz konkret von den digitalen Entwicklungen profitieren, so der Vorstand. Auf der Expo Real warb er dafür, dass Digitalisierungskonzepte genauso selbstverständlich zu einem Bauvorhaben gehören wie heute schon Nachhaltigkeits- und Energiekonzepte. Die Digitalisierung wird auch für die Vermarkter, sprich die Makler immer wichtiger. „Wir haben sogar einen eigenen Leitfaden zu diesem Thema entwickelt“, sagt Stephan Kippes.

Am Stand vom IVD Immobilienverband Deutschland spielte die Digitalisierung aber eher eine untergeordnete Rolle. Heftig diskutiert wurde von den Standbesuchern die geplante Einführung des Bestellerprinzips auch bei Kaufimmobilien. Die Böblinger Immobilienmaklerin Bärbel Bahr befürchtet für diesen Fall einen Zusammenbruch der Wohnungswirtschaft. Auch Professor Kippes ist beunruhigt. Zwar wisse derzeit noch niemand, was kommen wird; im schlimmsten Fall sei aber mit einem Strukturbruch in der Immobilienbranche zu rechnen, der mit Sicherheit zahlreiche Arbeitsplätze kosten werde.