Steigende Mieten - sinkende Umsätze

Einzelhandel. Die Königstraße gehört zu den beliebtesten Einkaufsstraßen in Stuttgart. Freie Flächen sind begehrt. Das macht die 1-a-Lagen teuer. Zu teuer für den Mittelstand, der mit sinkenden Umsätzen kämpft.

Nur wenige Städte haben so eine hohe Kaufkraft wie Stuttgart. Kein Wunder, dass es den Handel in die Landeshauptstadt zieht. Das zeigt sich nicht nur in den derzeit neu entstehenden Shopping-Centern Milaneo und Gerber, sondern vor allem an den horrenden Mieten, die mittlerweile in den 1-a-Lagen der Landeshauptstadt bezahlt werden. Dabei gilt oft: je kleiner der Laden, desto höher in der Regel der Preis pro Quadratmeter.

'Auf der Königstraße sind Mieten von 300 Euro pro Quadratmeter nicht un­üblich', weiß Sabine Hagmann, Haupt­geschäftsführerin des baden-württembergischen Handelsverbands. Einzelne Geschäfte würden aber im Einzelfall schon mal deutlich darüber liegen. Ansonsten schwanke der Quadratmeterpreis für eine Handelsfläche in der Innenstadt der Landeshauptstadt je nach Lage zwischen 80 und 300 Euro, so ihre Einschätzung.

Trotz hoher Preise werde es zunehmend schwieriger, an freie Mietflächen zu kommen. Aufgrund der hohen Kaufkraft der Stadt würden viele 'Vertikale' nach Stuttgart drängen. Darunter versteht man die großen Handelsunternehmen und Franchisesysteme. Diese Konzerne würden fast jeden Preis bezahlen und manchmal lieber gleich mehrere Standorte besetzen, als der Konkurrenz Flächen zu überlassen. Längst ist es auch kein Geheimnis mehr, dass im Wettbewerb um die besten Handelsflächen auf der Königstraße teilweise sechs- bis siebenstellige Ablösesummen an den Vermieter bezahlt werden. Sabine Hagmann: 'Darüber hüllt sich aber ein Deckmantel des Schweigens. Die Beteiligten haben Angst, dass so etwas publik wird und dann der Preis noch weiter nach oben getrieben werden könnte oder dass man mit solchen Praktiken in Verbindung gebracht wird.'

Vor allem die vertikale Konkurrenz macht es dem kleineren mittelständischen Einzelhandel zunehmend schwerer, in der Landeshauptstadt überhaupt noch Fuß zu fassen. 'Ich kenne einige Unternehmen, die gerne nach Stuttgart kommen würden. Sie finden aber aufgrund der hohen Nachfrage keine geeignete Immobilie', sagt die Hauptgeschäftsführerin des Einzelhandelverbandes.

Der hohe Preis ist aber nur die eine Seite der Medaille. 'Der Handel würde ja gern mehr bezahlen, wenn auch der Umsatz mit der Preisentwicklung mithielte', konstatiert Hagmann. Während die Mieten in den 1-a-Lagen wie der Königstraße seit Jahren kontinuierlich zulegen, sind die Umsätze des Handels rückläufig. Und das schon lange. Allein in den zurückliegenden fünf Jahren sei der durchschnittliche Flächenumsatz pro Quadratmeter bei den Mitgliedsunternehmen um 20 Prozent zurückgegangen, erklärt die Hauptgeschäftsführerin. Und durch die Entwicklung des Online-Handels werde diese Entwicklung noch forciert. 'Bis zum Jahr 2020 rechnen wir mit einem Anteil des Internets am Handel von 20 Prozent. Und das wird den Einzelhandel noch mehr Umsatz kosten', befürchtet sie.

'Das Verhältnis von Ertrag zum Mietpreis pro Quadratmeter ist schon lange nicht mehr in der Waage', kritisiert sie. Viele Mittelständler hätten sich selbst mit einer guten Idee schon lange von einem Engagement auf der Königstraße verabschiedet, weil sich der Standort aufgrund der hohen Mieten nicht wirklich rechne. 'Und einen Flagstore oder Showroom wie die großen Ketten vorzuhalten, in dem man nichts verdient, sondern nur draufzahlt, kann sich der normale Einzelhändler einfach nicht leisten', sagt sie.

Dass immer mehr große Konzerne und Franchisesysteme die 1-a-Lagen belegen und den klassischen Einzelhandel immer weiter zurückdrängen, sieht die Hauptgeschäftsführerin schon eine Weile mit Sorge. 'Wir sind froh, wenn wir diesen fortschreitenden Verdrängungswettbewerb wenigstens stoppen können', gibt sie unumwunden zu. Die Chancen dazu sind aber nicht gut. Denn neben den Mietpreisen haben sich zusätzlich auch die Energiekosten immer mehr zu einer unwägbaren Kalkulation für den Einzelhandel entwickelt. Hagmann nennt ein Beispiel von vielen. Lagen die Stromkosten für ein Lebensmittelgeschäft in Stuttgart mit 1500 Quadratmeter Verkaufsfläche im Jahr 2012 noch bei 14 000 Euro, hätten sich diese innerhalb eines Jahres auf 28 000 Euro verdoppelt und seit dem Jahr 2009 sogar mehr als vervierfacht, Tendenz steigend. Im Textilbereich liegen die Kostensteigerungen bei den Stromkosten derzeit zwischen 20 und 30 Prozent. 'Das ist insgesamt ein Riesenproblem für unsere Betriebe - trotz großer Investitionen in Energiespartechniken', weiß Hagmann.

Entsprechend besorgt sieht man beim Handelsverband deshalb auch auf große Flächenzuwächse wie zum Beispiel die neuen Shopping-Center wie das Milaneo und das Gerber. 'Es ist zu befürchten, dass vor allem die Stadtteilzentren die großen Leidtragenden dieser Entwicklung sein werden und noch mehr ausbluten', beklagt Hagmann die Entwicklung. Ob die neuen Center auf Dauer funktionieren werden? 'Das wird vom Kunden abhängen. Und ob auch alle Center gleichermaßen davon profitieren werden, muss abgewartet werden', so die Hauptgeschäftsführerin.

Allerdings erwarte sie von Kommunen, die derartige Handelsflächen wie das Milaneo genehmigen, dass sie auch etwas für den alteingesessenen Handel in den Kernzonen tun, damit diese Zentren nicht veröden oder nur noch als Plätze für Demonstrationen oder Großveranstaltungen wahrgenommen werden. Denn der Handel werde auf Dauer das Unterhaltungsprogramm, das Kunden heute beim Einkauf erwarten, nicht länger allein schultern können, so die Haupt­geschäftsführerin.

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