„Verkauft wird, wo gestorben wird“



Analyse. Für 2018 prognostizieren die Makler in Stuttgart keine Besserung beim Angebot von Wohnimmobilien. Auch die Preise sollen weiter steigen. Deutliche Kritik geht an die Politik und die Kommunen.


Das günstige Zinsumfeld, fehlende Anlagealternativen, die gute wirtschaftliche Lage und die Zunahme der Haushalte haben aus Sicht von Robin Frank, Geschäftsführer der Immobilienvermittlung der BW-Bank, an der Situation nichts geändert. Wie in den Vorjahren bewegten sich die Preise für Wohnimmobilien auch 2017 nach oben. „Allerdings nicht mehr mit zweistelligen Wachstumsraten“, so Robin Frank. Einen Grund sieht der Immobilienexperte in der zunehmenden Preissensibilität auf der Käuferseite. Für die Immobilienbranche war das zurückliegende Jahr ein gutes, wenngleich durch die Verknappung bei einer konstant hohen Nachfrage die Preise bei Wohnimmobilien weiter nach oben kletterten.





Doch es gibt Ausnahmen: Für innerstädtische Mehrfamilienhäuser, die überwiegend als klassisches Zinshaus zur Kapitalanlage erworben werden, liege der Kaufpreisfaktor wegen der hohen Marktliquidität mittlerweile bei 30, so Frank. Der Kaufpreisfaktor, auch Vervielfältiger genannt, beschreibt, um welchen Faktor der Kaufpreis über der Jahresnetto-Miete liegt. In guten Lagen kann dieser Wert über dem 20-Fachen liegen, in schlechten Lagen hingegen liegt er eher unter dem 10-Fachen. Ein Wert von 30 lässt den Schluss zu, dass zumindest einige Immobilien stark überbewertet auf den Markt kommen. Grund für den hohen Wert in Stuttgart sei der starke Konkurrenzdruck unter den Bietern. Für das kommende Jahr sieht Robin Frank wenig Veränderungen. „Das Angebot wird knapp bleiben und die Nachfrage hoch“, prognostiziert er.


Markus Lechler von Lechler Immobilien in Stuttgart sieht trotz weiter hoher Nachfrage „klare Anzeichen“ für eine Preissättigung. So werde nicht alles gekauft und nicht jeder Preis bezahlt, er bestätigt die Einschätzung seiner Kollegen. „Nur wenn ein Objekt ,makellos‘ ist, werden hohe Preise akzeptiert.“ Interessenten würden sehr genau hinschauen. Selbst bei Mehrfamilienhäusern werde längst nicht mehr jeder Preis bezahlt. Für das neue Jahr prognostiziert Lechler eine leichte Beruhigung auf hohem Niveau. „Die extremen Preissprünge der zurückliegenden drei bis fünf Jahre sehe ich in dieser Dimension nicht mehr.“


Sein Fazit für 2018: Die Preise für Wohnimmobilien werden weiter steigen, weil nach wie vor zu wenig gebaut wird und die Besitzer von Immobilien sich mangels alternativer Anlagemöglichkeiten deutlich zurückhalten werden, ihren Bestand zu veräußern. Entsprechend erwartet Hildenbrandt keine Entspannung. Das sieht die Böblinger Immobilienmaklerin Bärbel Falkenberg-Bahr ähnlich. Auch sie bemerkt „überdurchschnittlich“ in die Höhe geschossene Kaufpreisvorstellungen, die mit einem geringen Angebot einhergehen. Andererseits würden vermehrt hochwertige Immobilien in guten Lagen nachgefragt. Zugenommen habe die Nachfrage von Kapitalanlegern. Sie rechnet mit „mindestens“ stabilen Preisen.


Wolfgang Link, Makler in Sillenbuch, wird da noch deutlicher. „Verkauft wird derzeit nur noch dort, wo gestorben oder geschieden wird, sich jemand also gezwungenermaßen von einer Immobilie trennen muss. Bei den Preisen habe man im zweiten Halbjahr 2017 eine leichte Stagnation verspürt, allerdings auf hohem Niveau. Der Makler vermutet, diese Entwicklung könnte dem Umstand geschuldet sein, dass die Gehälter nicht im gleichen Maße gestiegen seien wie die Kaufpreise, was sich zwangsläufig auch auf die Bonität dieser „normalen“ Käufer niederschlage. Insgesamt habe 2017 die Anzahl der Verkäufe von privat deutlich zugenommen – mit teilweise „utopischen“ Preisvorstellungen. Andererseits konnte die durchschnittliche Vermarktungsdauer für Standard-Wohnimmobilien nochmals gesenkt werden, so dass aktuell vom Angebot bis zur notariellen Beurkundung gerade einmal vier Wochen vergingen.


Den angespannten Wohnungsmarkt bekämen nicht nur Mieter mit geringerem Einkommen zu spüren. Selbst mittlere Einkommen würden längst ins Umland ausweichen. Trotz Mietpreisbremse werde in Stuttgart kaum mal eine Wohnung unter zwölf Euro pro Quadratmeter angeboten. Die Folge aus seiner Sicht: „Stuttgart hat im zurückliegenden Jahr weiter an Attraktivität verloren.“


Der Ludwigsburger Immobilienmakler Jürgen Pflugfelder zieht ein ähnliches Resümee wie seine Kollegen. Die Nachfrage im zurückliegenden Jahr sei ungebrochen hoch gewesen. Mittlerweile sei der Markt für Einfamilienhaus-Grundstücke leer gefegt. Selbst bei den Bestandsimmobilien gebe es keine Ladenhüter mehr. „Lediglich Eigentumswohnungen, die mehr als eine Million Euro kosten, oder Häuser ab zwei Millionen Euro dauern in der Vermarktung etwas länger“, so der Immobilienexperte. Im kommenden Jahr werde sich der Trend bei leicht steigenden Immobilienpreisen weiter fortsetzen, so seine Einschätzung.


Frank Leukhardt, Geschäftsführer bei Colliers International in Stuttgart, schätzt, dass es durch die Verzögerung des Bahnprojektes Stuttgart 21 am Wohnungsmarkt frühestens ab dem Jahr 2027 etwas Entspannung in der Landeshauptstadt geben wird. Weil sowohl die Stadt Stuttgart als auch die Kommunen in der Region sich bei der Neuausweisung von Flächen restriktiv verhielten, werde das Angebot an Neubauflächen auch in diesem Jahr überschaubar bleiben bei gleichzeitig weiter steigenden Preisen. Das spürten zunehmend auch die Kommunen in der Region.