'Heute glaubt jeder, Wohnen muss billig sein'

Der Makler. Erich Hildenbrandt arbeitet seit nahezu 40 Jahren als Immobilienmakler.


'Ich wollte schon immer verkaufen', erinnert sich der Stuttgarter Immobilienmakler Erich Hildenbrandt. 'Damals haben mich meine Freunde für verrückt gehalten, dass ich nach dem Studium der Wirtschafts­wissenschaften diesen Beruf ergreife. Heute wollen sie, dass ihre Kinder bei mir eine Ausbildung machen.' Das liegt auch am Image der Branche. Obwohl auch heute noch viel Negatives über die Branche in den Medien berichtet werde, sei das Ansehen deutlich gewachsen, sagt er. 'Ich kenne kein anderes Produkt, bei dem ich dem Kunden wirklich etwas Gutes tun kann. Sei es für seinen eigenen Vermögensaufbau oder einfach nur, weil ich ihm die Wohnung verschaffe, die er sich immer schon vorgestellt hatte', kommt Hildenbrandt ins Schwärmen über seinen Beruf.

Als er mit dem Makeln anfing, gab es in der Landeshauptstadt so gut wie keine Wohnung, die über eine Zentralheizung oder gar ein eigenes Bad verfügte. 'In vielen Mietshäusern war die Toilette noch auf dem Flur', erinnert er sich. Damals hätten sich fast alle drei Monate die Preise für Immobilien erhöht. 'Das hat keinen gestört, solange die Löhne und Gehälter ebenfalls stiegen.' Heute glaube jeder, Wohnen müsse billig sein. 'Wenn die Mieten um zwei Prozent steigen, regt sich jeder auf. Wenn der Taxipreis um 20 Prozent angehoben wird, interessiert das niemand', sagt Hildenbrandt.

Kein Mensch würde die S-Klasse als Grundbedürfnis definieren. Heute wohne aber jeder auf der doppelten Fläche bei fünffachem Luxus und zahle anteilmäßig nicht mehr Miete von seinem Einkommen als vor 40 Jahren, rechnet der Makler vor.

Für die aktuelle Lage auf dem Wohnungsmarkt hat der Immobilienmakler nur ein Kopfschütteln. 'Das meiste, worüber heute diskutiert wird, habe ich schon mindestens dreimal erlebt - Aufteilungsverbot, Mietpreisbremse . . .' Alle zehn Jahre wiederhole sich das Spiel, so seine Erfahrung. 'Als ich anfing, standen in Deutschland eine Million Wohnungen leer. Wir mussten nachts die leeren Wohnungen beleuchten, damit ganze Wohnviertel nicht wie Geisterstädte aussahen', erinnert er sich. In einigen Städten wurden die Mieter mit Rennrädern und Farbfernsehgeräten umworben, damit sie eine Wohnung anmieteten.

Davon können Mieter in Stuttgart und in den Studentenstädten heute nur träumen. Vor allem jene, die es so schon schwer auf dem Wohnungsmarkt haben, trifft es in Zeiten knapper Wohnungsressourcen noch härter. Das sei schon immer so gewesen und habe sich bis heute nicht geändert, räumt der Makler ein. 'Solange ein Vermieter die Auswahl hat, wird er immer demjenigen Mieter den Vorzug geben, von dem er sich die größte Zuverlässigkeit verspricht.' Dieses Ausleseverfahren werde durch die Mietpreisbremse noch auf die Spitze getrieben, ist sich Erich Hildenbrandt sicher. 'Durch das Gesetz werden lediglich jene profitieren, die sich schon immer eine größere Wohnung leisten wollten und jetzt die Situation ausnutzen und zugreifen', ist sich der Makler sicher.

Der eigentlich Schuldige an der Misere auf dem Wohnungsmarkt ist aus Sicht von Erich Hildenbrandt aber die Politik. 'Bund und Land haben das Bauen mit ihren Wünschen und Vorgaben viel zu teuer gemacht. Außerdem fehlt es an langfristigen Konzepten. Politiker denken nur in Wahlperioden. So kann das Wohnen nie billiger werden', kritisiert Hildenbrandt.

Teuer mache das Wohnen auch das häufige Umziehen, sagt Hildenbrandt. 'Viele Leute ziehen innerhalb von zehn Jahren dreimal um. Das kostet zwischen sechs und zehn Monatsgehälter.' Wer wirklich beim Wohnen sparen will, sollte mindestens zehn Jahre in einer Wohnung bleiben. 'Mieter, die seit 30 Jahren die gleiche Wohnung haben, können über die Mietpreisdiskussionen nur lachen', sagt er.

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