Widerrufsrecht mit Haken

Verbraucherrecht. Seit Juni gilt ein geändertes Maklerrecht. Verbraucher können jetzt innerhalb von 14 Tagen vom Maklervertrag zurücktreten. Die Branche fürchtet um ihren Provisionsanspruch.



Über die Frage, ob und wann ein Makler­vertrag zustande gekommen ist, wird seit Jahren immer wieder trefflich gestritten. Dabei ist die Rechtslage eigentlich eindeutig. Es reicht laut Bundesgerichtshof BGH aus, wenn man sich bloß über das Objekt informieren will, von der Provisionspflicht weiß und die Dienste des Maklers wie Besichtigungen, Exposés etc. in Anspruch nehmen will (BGH, Urteil V.3.5.12 - III 62/11). Allerdings muss man auch nur dann eine Provision zahlen, wenn es tatsächlich zum Abschluss eines Miet- oder Kaufvertrages kommt und dies auf die Tätigkeit des Maklers zurückzuführen ist.

Was viele Verbraucher und auch Makler nicht wissen: seit Juni gilt für derartige Verträge das Gesetz über den Fernabsatz. Das heißt: Verbraucher haben künftig auch bei Maklerverträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht. In dieser Zeit können sie vom Maklervertrag wieder zurücktreten. Allerdings gilt das nicht für alle Verträge.

Betroffen von dieser Neuregelung sind nur Maklerverträge, die außerhalb der Geschäftsräume des Maklers oder im Wege des sogenannten Fernabsatzes abgeschlossen werden. Das sind zum Beispiel Verträge, die durch Briefe, Faxe oder E-Mails zustande kommen.

Ein typisches Beispiel: Kunde A sieht im Internet ein Kaufangebot und fordert beim Makler per E-Mail weiterführende Informationen an. Bei diesen Abschlüssen steht den Kunden künftig ein befristetes Widerrufsrecht zu. Das ist zum Beispiel bei Bestellportalen schon länger die Regel. Wichtig: die Widerrufsfrist beginnt mit dem Vertragsabschluss, aber nicht bevor der Kunde die Widerrufsbelehrung erhalten hat. Und: damit sie überhaupt wirksam wird, muss der Makler den Kunden belehren und ein Widerrufsformular aushändigen. Unterlässt der Makler das, erlischt die Frist spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertrags­abschluss. Im Klartext: hat der Makler versäumt, seinen Kunden über die Widerrufsfrist zu belehren, kann der Kunde - selbst wenn er die Leistung des Maklers in Anspruch genommen hat - bis zu einem Jahr den Vertrag widerrufen.

In der Praxis findet das Gesetz natürlich bei den Maklern wenig Beifall. Kritisiert wird vor allem, dass die Neuregelung die tägliche Arbeit durch den bürokratischen Aufwand noch komplizierter macht. Während früher die Makler jedem Interessenten die Objektunterlagen einfach zusandten, bekommen heute die Interessenten erst das Widerrufsrechtsformular zugeschickt, das sie unterschrieben zurücksenden müssen. Denn kein Makler will riskieren, aufgrund eines Formfehlers womöglich um seine Vermittlungsprovision gebracht zu werden. Theoretisch müsste der Makler dann noch die 14 Tage abwarten, bis die Widerrufsfrist verstrichen ist, bevor er das angefragte Exposé an den Kunden verschickt. 'Das ist aber in der Praxis unrealistisch. Niemand wartet 14 Tage auf ein Angebot', meint Robin Frank, Geschäftsführer der Immo­bilienvermittlung BW GmbH.

Hinzu kommt: viele Kunden verstehen gar nicht, um was es geht und was sie da unterschreiben oder per 'Klick' bei einer E-Mail bestätigen sollen. Denn der gesetzlich vorgeschriebene Text ist so unverständlich, dass sich die BW-Bank-Tochter gezwungen sah, für ihre Kunden einen 'Beipackzettel' zu verfassen, der den Kunden auf Anfrage überhaupt erst einmal erklärt, was der Gesetzgeber will. Das Institut gehört mit 400 Anfragen in der Woche zu den großen Immobilienmaklern im Großraum Stuttgart.

Für Günter Schönfeld, Geschäftsführer der Wüstenrot Immobilien GmbH, muss jeder Immobilienmakler abwägen, wie er mit der neuen Regelung umgeht. Ob er risiko­bereit ist und einfach anfängt, obwohl die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen ist, oder einfach abwartet.

'Unsere Maklerverträge enthalten eine Widerrufsbelehrung. Oberstes Ziel muss aber sein, den Kunden gar keinen Grund zu bieten, den Vertrag zu widerrufen. Das gelingt am besten durch den transparenten Verkauf der Maklerleistungen. Die Kunden haben Vertrauen und wissen, was der Makler leistet', ist sein Credo.

Bei der BW-Bank setzt man indes auf klare vertragliche Regelungen. Wer ein Exposè anfordert und es vor Ablauf der Widerrufsfrist zugesandt bekommen will, muss die BW-Bank bei Erhalt der Widerrufsbelehrung mit der sofortigen Aufnahme der Tätigkeit beauftragen. Auch hier gilt: die vereinbarte Käuferprovision wird nur dann fällig, wenn der Kunde eine von der BW-Bank nachgewiesene oder vermittelte Immobilie erwirbt. Ob allerdings diese Umgehung des Widerrufsrecht juristisch haltbar sein wird, wird in den nächsten Jahren sicher noch die Gerichte beschäftigen.

Aus Sicht der Interessenverbände der Immobilienmakler wie dem IVD Immobilienverband Deutschland wird durch die neuen Vorschriften die tägliche Arbeit des Berufsstandes 'ungemein' erschwert. Für Professor Stephan Kippes vom IVD-nahen Marktforschungsinstitut wird es künftig wichtig sein, entsprechend gut durchgetaktete Arbeitsprozesse zu haben. Alles in allem seien die neuen Vorschriften aber eher eine lästige Sache, die wenig mit Verbraucherschutz zu tun hätte.

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