Wenn die Immobilie zur Marke wird



Marketing. Können Gebäude eine Marke sein? Tempo, Maggi und
Mercedes kennt jeder. Macht es Sinn, auch einem Einkaufscenter
oder Büroturm einen Namen zu geben?

Tempo, Maggi, Mercedes – Markennamen, die jedes Kind kennt. Doch auch Namen wie Milaneo, Motorworld oder Cloud Number 7 sind Marken. Letztere stehen aber für eine Immobilie. Branding nennen Marketingexperten das auch. „Dabei handelt es sich um den Versuch, durch systematische Markenbildung nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erlangen“, erklärt Professor Stephan Kippes von der HfWU Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen auf dem ivd Gewerbeimmobilien-Kongress in Stuttgart. Im Kern gehe es darum, ein zuvor namenloses Produkt durch eine eigenständige Identität aus der Masse hervorzuheben. „Im Idealfall gelingt es sogar, dass die gebrandete Immobilie so ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Mitbewerbern hat“, so Stephan Kippes auf dem Kongress des Immobilienverbandes Deutschland.





Wie Branding in der Praxis funktioniert, zeigt die Motorworld auf dem Flugfeld Böblingen/Sindelfingen. In den denkmalgeschützten Hallen und auf dem Außengelände des ehemaligen Landesflughafen von Württemberg entstanden rund 50
000 Quadratmeter Platz für „mobile Leidenschaft.“ So können Besucher eine wechselnde Sammlung besonderer Fahrzeuge und Bikes ganz nah erleben. Fahrzeuge werden nicht nur verkauft, sondern auch restauriert, gewartet und vermietet. Private Oldtimer- und Sportwagenbesitzer können ihre „Schätze“ in Glasboxen präsentieren oder ganz diskret und versteckt wegstellen. Ergänzt wird das Konzept durch Accessoires-Shops und Galeristen. „Jede Motorworld soll ein lebendiger Treffpunkt sein, dessen mobilitätsaffiner Charme jeden Aufenthalt zum unvergesslichen Erlebnis macht“, erläutert Hans-Jürgen Birk, Mitglied der Geschäftsleitung der Motorworld Consulting, das Konzept. Die Strategie scheint aufzugehen. Neben den Motorworld-Standorten Region Stuttgart sowie München entsteht derzeit ein dritter in Köln. Ein vierter Standort ist in der Zeche Ewald in Herten (Ruhrgebiet) geplant.


Doch nicht jede Immobilie eignet sich zum Branding, da die Markenbildung auch Zeit und Geld kostet. „In erster Linie eignen sich derartige Marketingmaßnahmen für exklusive Wohnimmobilien, größere Bauträgerobjekte und Shoppingcenter sowie für größere Bürokomplexe oder Sonder- und Spezialimmobilien“, sagt Stephan Kippes.


Auch die LBBW Immobilien setzt auf Markenbildung bei ihren Gewerbeimmobilien. Jüngstes Beispiel: die Revitalisierung eines Gebäudes Ecke Lautenschlager-/Friedrichstraße in Stuttgart. Das in die Jahre gekommene und teilweise unter Denkmalschutz stehende Areal wurde von Grund auf neu konzipiert und soll künftig unter dem Namen Lautenschlager-Areal Gastronomie-, Handels-, Büro- und Wohnflächen beherbergen.


„Für die unverwechselbare Positionierung einer Immobilie im Markt ist der gewählte Name von entscheidender Bedeutung. Einprägsam muss er sein und einen Bezug zum Objekt haben“, sagt Marketingprofessor Kippes. Der Name könne aus einem prominenten Vorbesitzer, einem in der Region geläufigen und positiv besetzten Begriff oder der Historie abgeleitet werden. Aber auch gestalterische Aspekte einer Immobilie oder technische Features seien schon für Immobilienobjekte Pate gestanden. Manchmal könne aber auch eine Ortsbezeichnung – wie beim Lautenschlager-Areal – der Immobilie einen sinnvollen Markennamen geben.


Doch der Name allein mache noch keine Marke, warnt Stephan Kippes. Bei der Motorworld zum Beispiel ist die Markenwelt vom Logo über die Printmedien, die Außenwerbung, die Bekleidung, multimediale Elemente und die Öffentlichkeitsarbeit bis ins Kleinste definiert und wird ständig penetriert. Um die Marke Motorworld „erfolgreich in die Zukunft zu führen“, wurde vor zwei Jahren die Messe Motorworld Classic Berlin ins Leben gerufen. Außerdem beteiligte sich das Unternehmen an den Oldtimertagen Fürstenfeldbruck. 2018 solle erstmals die Motorworld Classic Bodensee stattfinden, sagt Hans-Jürgen Birk. Während die Markenartikelindustrie für ihre Markenbildung oft Millionenbeträge ausgibt, beschränkt sich das Investment in ein Branding bei der Immobilie oft nur auf die Startphase, bemängelt Stephan Kippes. Vielfach würde nach dem ersten Abverkauf oder der ersten Vollvermietung die weitere Entwicklung des Brandings vernachlässigt werden. Allerdings mache es bei rein lokalen Immobilien oft auch wenig Sinn, wie die Markenartikelindustrie auf eine ständige Wiederholung der Markenbotschaft in den Medien zu setzen. Hier sei es wichtiger, vor Ort mit Verkaufsschildern, über die örtlichen Zeitungen und über die sozialen Mediakanäle die Markenbotschaft zu verbreiten, rät Stephan Kippes.