Noch genügend Dampf im Kessel

Heizung. Jeder zweite Heizungskessel im Land müsste aus Altersgründen ausgetauscht werden. Doch viele Hauseigentümer scheuen sich trotz Zuschüssen, eine energetische Sanierung ins Auge zu fassen.


Ein neuer Heizkessel kann pro Jahr nach Meinung von Experten bis zu 30 Prozent Brennstoff sparen.



Doch der Modernisierungsstau in den baden-württembergischen Heizungskellern ist nach wie vor unverändert groß, meldet der Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden-Württemberg. Von den rund zwei Millionen Heizungsanlagen im Land sind rund die Hälfte (eine Million) 15 Jahre und älter. 'Sie sind veraltet, arbeiten unwirtschaftlich und sind damit sanierungsbedürftig', macht Joachim Butz, der Vorsitzende des Fachverbandes, deutlich. Außerdem gebe es nur für rund 15 Prozent der Heizungsanlagen einen Wartungsvertrag. 'Hier liegt ein enormes Einsparpotenzial, da es durch unterlassene Wartung zu Beanstandungen und erneuten Überprüfungen und damit zu zusätzlichen Gebühren durch den Schornsteinfeger kommen kann', sagt er.


Das meiste Geld verdienen die Sanitär- und Heizungsbetriebe im Land nach wie vor mit Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen sowie Wartungen.



Der Bereich Heizung und regenerative Energien stagniert hingegen. Wer aktuell einen Sanitär-, Heizungs- und Klimafachbetrieb beauftragt, muss dennoch mit einer Wartezeit von bis zu acht Wochen rechnen. Hinzu kommt: durch die gestiegenen Lohnzusatzkosten wird auch die Rechnung immer höher. Mittlerweile überschreiten nicht nur in Ballungsgebieten die Stundensätze im Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk die Grenze von 60 Euro. Spezielle Dienstleistungen im Kundendienst können sogar über 70 Euro liegen. 'Handwerk war schon immer personalkostenintensiv', erklärt Markus Weik, der beim Fachverband zuständige Referatsleiter für Organisation und Verwaltung. Industrielle Fertigungsprozesse seien bei einer Heizungssanierung in einem Einfamilienhaus ebenso wenig möglich wie beim Einbau von Bädern im Hotelbereich. 'Wenn Handwerksleistungen für den Verbraucher bezahlbar bleiben sollen, dürfen die Lohn­zusatzkosten nicht weiter steigen', mahnt er zur Zurückhaltung.


Größter Hemmschuh bei der Modernisierung von alten Heizkesseln ist aus Sicht des Fachverbandes dabei nicht nur die am 1. Juli in Kraft tretende Novelle des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes des Landes, nach der unter anderem auch der Anteil der erneuerbaren Energien auf 15 Prozent angehoben und der Ersatz von Bio-Erdöl sowie Bio-Erdgas nicht mehr für alle Gebäude anerkannt wird. 'Es fehlen für den Haus­besitzer vor allem finanzielle Anreize, den alten Heizkessel auszutauschen', ergänzt Geschäftsführer Dietmar Zahn. Solange der Austausch des Heizungskessels aufgrund der Energiegesetze mit höheren Kosten als eigentlich notwendig verbunden ist, würden Hauseigentümer lieber abwarten.

Zwar würden seit diesem Jahr über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Rahmen des Programms 430 auch Einzelmaßnahmen zur energetischen Sanierung von Wohngebäuden mit einem Zuschuss von zehn Prozent der Investitionssumme gefördert. Außerdem bestehe ein umfangreiches Förderprogramm für den Einsatz von erneuerbarer Energie durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) für den Einbau von Solaranlagen, Pelletheizöfen, Holzhackschnitzelanlagen, Scheitholzvergaserkessel und Wärmepumpen. Die wenigsten Hauseigentümer wüssten aber, dass es diese Förderungen überhaupt gibt.

Ungeachtet dessen seien aber zusätzlich auch noch steuerliche Anreize erforderlich, damit der Modernisierungsstau aufgehoben und die angestrebten Energieeinsparziele der Bundesregierung überhaupt erreicht werden können. 'Davon sind wir aber noch weit entfernt', kritisiert Joachim Butz. Mit Sorge betrachtet der Fachverband auch den weiteren Ausbau des Nah- und Fernwärmenetzes in Baden-Württemberg. Dem Vorsitzenden Joachim Butz sind dabei vor allem die mittlerweile in vielen kommunalen Bebauungsplänen verankerten Anschluss- und Benutzungszwänge an die vorhandenen Wärmenetze ein Dorn im Auge, 'da sie zu einer Monopolisierung in der Wärmeversorgung führen'.

Baden-Württemberg sei mit einem Anteil von einem Drittel an allen dokumentierten bundesdeutschen Fällen von kommunalen Eingriffen in den Wärmemarkt einsamer Spitzenreiter. 'Die Nutzer haben bei diesen Geschäftsmodellen keinen Einfluss auf die Gebühren der Wärmeversorgung und sind aufgrund der Anschluss- und Benutzungszwänge von der Kalkulation des jeweiligen Netzbetreibers abhängig', kritisiert Joachim Butz.
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