„Politik muss Mietwohnungen auch wollen“

Verbandspolitik. Die neue Direktorin vom vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen mahnt von der Politik mehr Ehrlichkeit im Umgang mit dem Mietwohnungsbau an.
Für Iris Beuerle, seit 1. Januar dieses Jahres die neue Verbandsdirektorin des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen, ist Stuttgart „schon ein bisschen“ eine Umstellung gegenüber ihrer vorhergehenden Tätigkeit.



„In Hamburg leben 80 Prozent der Menschen zur Miete. Da stand der Mietwohnungsbau ganz oben auf der Agenda, während hier im Land die Interessen eher eigentumsorientiert sind“, beschreibt die promovierte Betriebswirtin und gebürtige Schwäbin die größten Unterschiede zwischen der Landeshauptstadt und der Hansestadt in der Wohnungspolitik. So fehlt es den Kommunalpolitikern im Land nach Ansicht von Iris Beuerle noch weitgehend an Akzeptanz für den Mietwohnungsbau. Bei der Ausweisung von Grundstücken würden die Städte und Gemeinden immer noch dem Einfamilienhaus gegenüber dem Geschosswohnungsbau den Vorzug geben. „Hier herrscht eine andere Wohnkultur.“ Das sähe man schon daran, dass viel öfter gegen Wohnprojekte protestiert werde.

Zwar habe es auch in Hamburg Vögel und Kröten gegeben, die den Wohnungsbau verzögert haben, es brauche aber gerade jetzt Verständnis und Ehrlichkeit in allen politischen Lagern. „Die Politik muss Mietwohnungen wollen.“ Wer dem Mietwohnungsbau einen höheren Stellenwert geben will, darf nicht einerseits günstigere Wohnungen fordern und gleichzeitig Maßnahmen befürworten, die den Wohnungsbau verteuern. „Immer mehr Vorgaben – auch beim Klimaschutz – erhöhen die Baukosten und damit auch die Miet- und Kaufpreise für den Wohnraum. Das muss man dem Bürger auch mal ehrlich sagen“, so die Verbandsdirektorin.

Um die Wohnungsprobleme zu lösen, braucht es neue Denkmodelle. Iris Beuerle hält Konzeptausschreibungen bei der Vergabe von städtischen Grundstücken grundsätzlich für richtig. Gleichzeitig müsste aber bei der Neubebauung darauf geachtet werden, dass wirklich gemischte Wohnformen aus öffentlich gefördertem und frei finanziertem Wohnungsbau entstehen können. Auch Immobilieneigentum gehöre dazu. Dazu müssten sich aber alle Beteiligten erst einmal an einen Tisch setzen, so die Verbandsdirektorin. Ein wichtiger Schritt dabei ist für Iris Beuerle die von Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut ins Leben gerufene Wohnraumallianz. Allerdings hält sie den Einfluss des Gremiums auf die politischen Entscheidungsträger draußen in den Kommunen für begrenzt.

„Wir können fordern und Stellungnahmen abgeben. Letztendlich entscheiden die Städte und Gemeinden allein, an wen sie Grund und Boden verkaufen, und damit auch, wie teuer am Ende der neu entstandene Wohnraum wird.“ Die neue Verbandsdirektorin begrüßt dabei ausdrücklich die Wohnraumallianz. „Es ist wichtig, sich mit allen Akteuren an einen Tisch zu setzen und seine Positionen klar zu stellen“, so Iris Beuerle. Sie erlebe immer wieder, dass man glaubt, über das Gleiche zu reden. Oft sei das aber gar nicht so. „Wir müssen als vbw klarmachen, dass gerade unsere Mitgliedsunternehmen diejenigen sind, die für bezahlbaren Wohnraum im Land sorgen.“ Die Verbandsdirektorin verweist darauf, dass das Wohnungsproblem nicht einfach den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen aufgebürdet werden darf.

„Wir würden ja gerne günstige Wohnungen anbieten, aber das steht und fällt mit den Grundstücks- und Baukosten“, sagt Iris Beuerle. Und die sind in den zurückliegenden Jahren exorbitant angestiegen. „Unsere Mitgliedsunternehmen rechnen rückwärts.“ Zuerst werden alle Baukosten einschließlich Grundstück ermittelt, dann wird daraus die notwendige Miete errechnet. Ist die zu hoch, wird auf das Bauvorhaben verzichtet, rechnet die Verbandsdirektorin vor.

In letzter Konsequenz bedeutet das, den Wohnungsbau komplett in jene Hände zu geben, die die Preise immer weiter nach oben treiben. Doch so weit wollen es die im vbw zusammengeschlossenen Wohnungsunternehmen derzeit noch nicht kommen lassen und appellieren weiter an die Kommunen, bei den Vergaben nicht nur an den städtischen Geldbeutel, sondern auch an das Gemeinwohl zu denken. Dass das nicht von heute auf morgen geht, weiß auch die vbw-Verbandsdirektorin. „Immobilien dauern.“

Es gehe jetzt darum, die Politik von der Notwendigkeit des Mietwohnungsbaus zu überzeugen, auch wenn im Land bislang eine andere Wohnkultur herrschte. Die nächsten Wochen und Monate wird Iris Beuerle nutzen, um das Land zu bereisen und im Gespräch mit Wohnungsunternehmen und Kommunen herauszuhören, wo es mögliche Gemeinsamkeiten für den Wohnungsbau gibt. Ingo Dalcolmo © Die inhaltlichen Rechte bleiben dem Verlag vorbehalten. Nutzung der journalistischen Inhalte ist ausschließlich zu eigenen, nichtkommerziellen Zwecken erlaubt.