Kein Land in Sicht

Industrie- und Logistikimmobilien. Die Nachfrage nach Produktions- und Lagerflächen in der Region wird immer größer. Doch das Angebot tendiert gegen null. Selbst kleine Flächen gibt es nicht mehr.


Der Markt für Industrie- und Logistikflächen in der Region Stuttgart ist praktisch leer gefegt. Selbst bei kleinen Flächen gibt es mittlerweile Engpässe. Im zurückliegenden Jahr wurden lediglich noch 175 000 Qua­dratmeter Hallenflächen ausgewiesen. Der Schwerpunkt lag hier bei Hallenflächen zwischen 3000 und 5000 Quadratmetern. Das entspricht gegenüber dem Vorjahr einem Rückgang um 25 Prozent. Markus Knab, Leiter Indus­trie- und Logistikimmobilien beim Stuttgarter Bankhaus Ellwanger & Geiger, gibt auch für dieses Jahr keine Entwarnung. Frühestens ab dem Jahr 2016 sollen wieder neue Hallen auf den Markt kommen. In diesem Jahr rechnet er nochmals mit einem Rückgang des Flächenumsatzes in der Region um einen ähnlichen Prozentsatz.

Während in der Region Stuttgart von den Beteiligten händeringend nach Lösungen gesucht wird, zeichnet sich noch von einer anderen Seite eine weitere Verschärfung des Nachfrageüberhangs ab. Die großen Hersteller Daimler, Porsche und Bosch planen, in diesem Jahr kräftig in ihre Infrastruktur, Konsolidierung und ihre Betriebsstandorte zu investieren. Doch um modernisieren zu können, müssten etliche Betriebsteile der Hersteller vorrübergehend ausgelagert werden. Das erhöht den Nachfragedruck zusätzlich. Auch viele mittelständische Betriebe in der Region sollen auf der Suche nach Bauland sein. In den zurückliegenden Jahren hätten sich viele Investitionen angestaut, die jetzt aufgrund der günstigen Kapitalmarktzinsen abgebaut werden könnten. Doch die Zeiten, in denen der Firmenchef beim Bürgermeister anrief und das Grundstück quasi am Telefon bereitgestellt wurde, sind vorbei. 'So wird es künftig nicht mehr laufen.' Heute müssten Unternehmen mit Vorlaufzeiten von ein bis zwei Jahren rechnen, um allein an das Grundstück und die entsprechenden Genehmigungen heranzukommen. 'Der Findungsprozess ist heute deutlich komplizierter', weiß Knab.

Auch das schafft zusätzliche Nachfrage. Und derzeit wisse noch niemand, wie diese auch nur annähernd befriedigt werden kann, so Knab. Während einzelne Logistikdienstleister, die schon früher von diesem Problem betroffen waren, durch die Erhöhung des Automatisierungsgrades versucht hätten, den Flächenmangel auszugleichen, tun sich die großen Hersteller (OEMs) schwerer, von jetzt auf nachher ihre Produktion zu verschlanken. Mit ein Grund für den akuten Nachfrageüberhang ist aus Sicht von Markus Knab unter anderem auch der Wegfall einer geplanten Ausweisung einer Industrie- und Logistikansiedlung auf der Gemarkung von Pleidelsheim im zurück­liegenden Jahr.

Derzeit versucht der Verband der Region Stuttgart fieberhaft, im Landkreis Ludwigsburg Ersatzstandorte zu finden. Im Moment laufen Gespräche mit fünf Kommunen. 'Allerdings werden diese Flächen, wenn sie dann überhaupt realisiert werden, frühestens in drei bis fünf Jahren auf den Markt kommen', relativiert Knab. Der Industriemakler glaubt ohnedies nicht, dass alle fünf Gemeinden die geforderten Flächen zwischen 20 und 30 Hektar bereitstellen werden können. 'Wenn zwei Kommunen übrig bleiben, können wir uns schon freuen.'

Markus Knab ist gespannt, wie sich die Situation entwickeln wird, wenn in den nächsten Jahren aufgrund der Flächenknappheit die Situation eintreten sollte, dass sie die großen Player vor Ort nicht mehr weiter entwickeln können. Theoretisch besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass Unternehmen an die Peripherie der Region ziehen. Dort hat es im Gegensatz zur Kernzone rund um Stuttgart noch etwas mehr Platz. Doch davon einen Betriebsrat oder die Belegschaft zu überzeugen, sei schwierig. 'Die Sozialverträglichkeit sinkt, je weiter man sich vom Zentrum entfernt', erläutert Knab.

Natürlich werden auch bei Ellwanger & Geiger längst die Fühler über die Region hinaus ausgestreckt. Doch ob ein Unternehmen seine Zulieferer in unmittelbarer Nähe zum Werk oder in 100 Kilometer Entfernung hat, sei auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit.

Knab weiß, dass für die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes auch die Verfügbarkeit von Grundstücken ein sehr wichtiges Merkmal ist. Er befürchtet, dass die Region deutlich von ihrer Wettbewerbsfähigkeit verlieren wird, wenn es die Region Stuttgart nicht schafft, die für die weitere Entwicklung der Unternehmen notwendigen Grundstücke bereitzustellen. Mit der Konsequenz, dass es im Zweifel auch dazu führen wird, dass große Unternehmen eines Tages den Standort verlassen werden. Doch leider komme der politische Aufschrei immer erst dann, wenn das erste Unternehmen geht und die Arbeitsplätze wegfallen, merkt Knab an. Ingo Dalcolmo
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