Immer öfter mit leeren Händen


Büromarkt. Der Markt für Büroimmobilien in der Landeshauptstadt wird noch enger. In einigen Segmenten stehen die Makler immer öfter mit leeren Händen vor ihren Kunden.

Stuttgarts Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht „freut sich über die anhaltende Flächennachfrage“. Dies belege die Wirtschaftskraft und Dynamik des Standorts, sagte sie bei der Vorstellung des Stuttgarter Büromarktberichtes 2016/2017, den die Landeshauptstadt traditionell gemeinsam mit Ellwanger & Geiger Real Estate präsentiert.



Im Video erläutern Ulrich Nestel und Ines Aufrecht, was die aktuelle Situation auf dem Büromarkt für Mieter und Vermieter bedeutet.

Dabei gibt es eigentlich wenig Grund zur Freude, zumindest für jene, die in der Landeshauptstadt Büroflächen suchen. Mit einer Leerstandsquote von mittlerweile 2,8 Prozent – im Vorjahr lag die Quote noch bei 3,54 Prozent – rauscht der Anteil der freien Flächen weiter in den Keller. Eine Entwicklung, die schon lange nicht mehr gesund für den Wirtschaftsstandort Region Stuttgart ist. So hält zum Beispiel Professor Robert Göötz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen eine Fluktuationsreserve bei Büroflächen von fünf bis sechs Prozent in der Landeshauptstadt für angemessen. Diese „Spielmasse“ sei notwendig, damit kurzfristige Bedarfe auf dem Büromarkt – sei es, weil Unternehmen bestehende Gebäude sanieren oder neue noch nicht fertiggestellt sind – befriedigt werden können. Derzeit seien nur rund 220
000 Quadratmeter kurzfristig beziehbar, schätzt Ulrich Nestel, Leiter Bürovermietung und Einzelhandel Stuttgart von Ellwanger & Geiger Real Estate. Dabei wird in der Landeshauptstadt schon seit Jahren an allen Ecken und Kanten gebaut. Allein in diesem Jahr werden 144000 Quadratmeter neu dem Büromarkt zugeführt. „77 Prozent der neuen Flächen sind aber bereits vermietet“, schränkt Ulrich Nestel ein. 2018 werden weitere 144500 Quadratmeter fertig­gestellt, von denen aber bereits 80000 Quadratmeter ebenfalls vorvermietet seien. Der Immobilienexperte schätzt, dass der Bedarf an Büroflächen in der Landeshauptstadt allein in diesem Jahr bei rund 300000 Quadratmetern liegen dürfte. Das erklärt auch, warum der Büroflächenumsatz in Stuttgart von 2016 auf 2017 um 50 Prozent von 290000 auf 432000 Quadratmeter gestiegen ist.
Maßgeblich für die hohe Nachfrage ist immer noch die Industrie“, erläutert Ulrich Nestel. Etwa 43 Prozent des Gesamtvolumens sei dabei auf das produzierende Gewerbe zurückzuführen. Themen wie Industrie 4.0, Digitalisierung und Elektromobilität würden dazu führen, dass die Unternehmen derzeit ihre Standardprozesse überdenken. Vor allem effektive und moderne Flächen würden gesucht. Ältere Bestandsflächen im Fasanenhof oder im Gewerbegebiet Tränke in Degerloch seien da eher dritte Wahl, so der Makler.
„Ab etwa 1500 Quadratmetern ist es derzeit extrem schwierig, überhaupt noch zusammenhängende Büroflächen in Stuttgart zu finden“, weiß Ulrich Nestel. Den stärksten Flächenrückgang verzeichnete dabei die Stuttgarter City. Hier sanken die verfügbaren Bürokapazitäten gegenüber dem Vorjahr um 42,7 Prozent. Auch in Vaihingen gingen die Kapazitäten um knapp 40 Prozent zurück.
Diese Entwicklung schlägt sich längst bei den Mietpreisen nieder. Während die Spitzenmiete gegenüber dem Vorjahr leicht auf 23 Euro anstieg, zogen auch die Durchschnittsmieten in allen Gebieten auf 12,90 Euro an. Die Analysten bei Ellwanger & Geiger Real Estate gehen davon aus, dass in diesem Jahr die Mieten auf dem Büromarkt aufgrund der hohen Nachfrage nochmals leicht steigen könnten.
Ulrich Nestel rechnet mittelfristig damit, dass sich die bestehende Flächenknappheit auf dem Büroimmobilienmarkt in der Landeshauptstadt noch weiter verschärfen könnte. Er empfiehlt den Unternehmen, sich möglichst frühzeitig über ihre zukünftige räumliche Entwicklung Gedanken zu machen. Der Immobilienexperte sieht derzeit aber keinen Verdrängungswettbewerb unter den Mietern in der Landeshauptstadt. Bei durchschnittlichen Vertragslaufzeiten von fünf Jahren sei es durchaus üblich, sich die Option einer Verlängerung des Mietvertrages offen zu halten.
Für die Wirtschaftsförderung ist die aktuelle Entwicklung auf dem Büroimmobilienmarkt einerseits der Beweis dafür, dass die Landeshauptstadt für viele Unternehmen nach wie vor ein attraktiver Standort ist. Andererseits führt die Kessellage Stuttgarts allenthalben vor Augen, dass das Flächenangebot nicht endlich ist. Zumal auch das produzierende Gewerbe seinen Anteil fordert. Und dann gibt es auch noch die Menschen, die in den Büros und den Werkhallen arbeiten. Und die brauchen vor allem bezahlbaren Wohnraum. „Hier die Balance zu halten, ist die große Herausforderung“, so Ines Aufrecht.