Die große Unbekannte


Betriebswirtschaft. Die Instandhaltung ist die große Unbekannte bei Immobilien. Wer das Thema ignoriert, kann viel Geld verlieren. Auch private Immobilieneigentümer sind betroffen.

Auf den ersten Blick war die Eigentumswohnung ein Schnäppchen. Ein Jahr nach dem Einzug kam dann das böse Erwachen: Das Dach musste repariert werden, die Rücklagen der Wohnungseigentümergemeinschaft waren aber aufgebraucht.



„Hätte der Käufer sich vor dem Kauf die WEG- Protokolle zeigen lassen, hätte er das gewusst und vermutlich die Wohnung nicht gekauft oder zumindest den Preis deutlich heruntergehandelt“, erklärt Hansjörg Bach, wissenschaftlicher Leiter am Institut der Wohnungswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt HfWU Nürtingen-Geislingen, anhand eines Beispiels die Krux mit der Instandhaltung.

Doch wenn es so einfach wäre, würde sich Hansjörg Bach nicht schon sein halbes Hochschulleben damit beschäftigen. Instandhaltung sei ein Wust an Verordnungen und Regeln. Allein in Deutschland gebe es 200 unterschiedliche Regelwerke vom Bürgerlichen Gesetzbuch über DIN- und VDI-Vorschriften bis hin zur Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, die bei einer Instandhaltung oder Modernisierung zu beachten sind. Das Problem dabei ist die Unübersichtlichkeit, so Hansjörg Bach: „Niemand sagt einem, was gemacht werden muss und was nicht. Und die Rechtsprechung macht die Sache nicht einfacher.“ Andererseits könnten die juristischen Folgen für den einzelnen Immobilienbesitzer gravierend sein.

So haftet die WEG zum Beispiel auch für herabfallende Äste auf ihrem Grundstück oder für den gefahrlosen Umgang mit den Spielgeräten wie Rutschen oder Kletterwänden. Auch hat die Wohnungseigentümergemeinschaft für die gefahrlose Haustechnik oder den Brandschutz Sorge zu tragen. Und hierbei handele es sich nur um ausgewählte Betreiber- und Verkehrssicherungspflichten im Rahmen der Instandhaltung. Zumal es mit der Harmonisierung des europäischen Versicherungswesens auch keine Versicherungspflicht mehr für Hauseigentümer gebe, so Bach. „Im schlimmsten Fall bleibt der Immobilienbesitzer auf seinen Kosten sitzen.“ Und das nach 30 bis 40 Jahren zu erneuernde Hausdach sei bei dieser Rechnung noch gar nicht dabei. „Viele Immobilienbesitzer, die sich eine Immobilie als Altersvorsorge gekauft haben, unterschätzen leider allzu oft das Thema Instandhaltung“, so Hansjörg Bach weiter. Oft wird das neue Dach genau dann fällig, wenn man in den Ruhestand gehen will. Das Problem: „Viele Banken finanzieren dann die notwendige Instandsetzungsmaßnahme nicht mehr, weil die Kreditnehmer zu alt sind.“ Wie unsicher selbst die professionelle Wohnungswirtschaft bei dem Thema Instandhaltung ist, zeigen die Angaben für Instandhaltungen. So werden von den großen Wohnungsunternehmen zwischen 12 und 50 Euro pro Quadratmeter und Jahr investiert. Doch ob das zu viel oder zu wenig ist, weiß niemand, so Hansjörg Bach. Während die großen Unternehmen längst erkannt haben, wie wichtig es ist, im Rahmen eines Instandhaltungsmanagements sich mit der nachhaltigen und wirtschaftlichen Erhaltung des Gebäudebestandes auseinanderzusetzen, tut sich der private Immobilienbesitzer mangels Fachkenntnissen hier oft sehr schwer, die Wunschimmobilie vor dem Kauf so zu prüfen. Hansjörg Bach rät dazu, sich beim Kauf einer Eigentumswohnung zumindest die Protokolle der zurückliegenden drei WEG-Jahre und die Referenzen des Verwalters zeigen zu lassen. Wer das Geld für einen Gutachter scheut, sollte sich das Wunschhaus ganz genau anschauen und ruhig auch mal einen Blick aufs Dach und in den Heizungskeller wagen.