Aspen RapidWeaver 8 Blog Style
<i>Immobilien</i> <i></i> <i>regional</i>

Immobilien regional

Kreislaufwirtschaft am Bau

Ressourcen. Das erste Cradle-to-Cradle-Forum in Stuttgart will für den verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen in der Bau- und Immo­bilienwirtschaft werben.

Peter Mösle, Geschäftsführer und Partner bei Drees & Sommer, weiß, dass er noch viele dicke Bretter bohren muss. Seit über einem Jahr beschäftigt sich das Unternehmen mit dem Cradle-to-Cradle-Thema und seiner Anwendung auf die Bauwirtschaft. Nun bringt Drees & Sommer die führenden Experten am kommenden Donnerstag auf dem ersten Cradle-to-Cradle-Forum für Entscheider der Bau- und Immobilienwirtschaft in Stuttgart zusammen. Hinter dem sperrigen Begriff - zu Deutsch: von der Wiege zur Wiege - steckt die Idee, verwendete Ressourcen immer wieder in gleicher Güte zu verwenden. 'Das hat nichts mit klassischem Recycling zu tun', erklärt Peter Mösle. Beim Recycling wird zum Beispiel aus einem Fensterglas irgendwann ein Gurkenglas, das dann irgendwann auf dem Müll landet. Beim Cradle-to-Cradle-Konzept - kurz auch C2C - wird das Fensterglas wieder zum Fensterglas, erklärt der Ingenieur den Unterschied.

Entwickelt wurde das C2C-Konzept bereits im Jahr 2002 von Michael Braungart und William McDonough. Der Chemiker Braungart stammt aus Schwäbisch Gmünd und gehört zu den Gründungsmitgliedern der baden-württembergischen Grünen. Heute ist Braungart Professor an der Erasmus-Universität Rotterdam, Geschäftsführer der EPEA Internationale Umweltforschung GmbH in Hamburg und wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstituts.

Für die Bau- und Immobilienwirtschaft wird C2C langfristig zur Überlebensfrage, glaubt Mösle. Denn schon heute sind viele von der Bauwirtschaft benötigte Rohstoffe knapp. Das Edelmetall Kupfer wird zum Beispiel nach Schätzungen von Experten etwa noch für 30 bis 40 Jahre reichen. 'Allein in einer Stadt wie Stuttgart ist die Kupferdichte höher als in einer Kupfermiene', macht der Experte die Situation deutlich. Aluminium reiche vielleicht noch 100 Jahre. Zwar werden viele Baustoffe auch heute schon recycelt, darunter auch Kupfer; der Anteil des Baumaterials, der bei einem Abriss des Gebäudes nur noch als minderwertiges Material für den Untergrund im Straßenbau verwendet werden kann, sei aber immer noch viel zu hoch, sagt Mösle.

Das liegt vor allem daran, dass heute die meisten der am Bau verwendeten Produkte nicht mehr in ihren ursprünglichen Gütezustand zurückversetzt werden könnten. Mösle nennt ein Beispiel: Kunststoffe, sogenannte Polymere, sind jeder für sich betrachtet gut recycelbar. Wenn die Stoffe aber Materialverbünde eingehen, dann entsteht ein neuer Stoff, der mit einem derzeit vertretbaren Aufwand nicht mehr sinnvoll getrennt werden kann, so Mösle. Das ist zum Beispiel beim Dämmmaterial von Hausfassaden der Fall, wo bis zu 20 unterschiedliche Schichten miteinander verklebt werden. Diese Stoffe kann man nur noch mechanisch zu Fußmatten verarbeiten, bevor sie dann irgendwann doch in der Müllverbrennungsanlage landen. 'Wir haben uns in den zurückliegenden Jahren viel mit der Energieeffizienz beschäftigt und dabei den Rohstoffeinsatz vollkommen außer Acht gelassen', merkt Mösle an. Er zeigt dazu auf eine Grafik. Darauf sieht man deutlich, wie mit dem Rückgang des Energiebedarfs fast in gleichem Umfang der Anteil der Materialien am ökologischen Fußabdruck anstieg.

Während für die Energieproblematik nach Einschätzung von Mösle eine Lösung gefunden wurde - das sei nur noch eine Frage von Kosten und Zeit -, sei dies bei den Rohstoffen noch nicht gelöst. Und die seien nun mal genauso endlich wie die fossilen Brennstoffe. Die meisten der am Bau Beteiligten sehen schon heute die Rohstoffproblematik weitaus kritischer als die Energie­problematik. Denn: die Bauindustrie ist mit einem Anteil von 50 Prozent der größte Verbraucher von Rohstoffen. Hinzu kommt, dass Forscher davon ausgehen, dass sich die sogenannte globale Mittelschicht in den nächsten 20 bis 30 Jahren verdoppeln wird. Das dürfte eine gewaltige Nachfrage aus­lösen, glauben die Experten bei Drees & Sommer. Schon heute ist der Rohstoffmarkt großen Preisschwankungen ausgesetzt.

Hier setzt das C2C-Konzept von Braungart an. Während beim klassischen Re­cycling nur Downcycling betrieben werde, also jede weitere Produktionsstufe nur immer minderwertigere Erzeugnisse liefere, werde beim C2C ein echtes Upcycling betrieben. Mit anderen Worten: die so gewonnenen Ressourcen können wieder für die Herstellung der gleichen Produkte verwendet werden.

'Damit C2C aber überhaupt möglich ist, muss das Material sortenrein getrennt werden können', erklärt Peter Mösle. Und es müsse sichergestellt sein, dass die Materialien keine Umweltgifte enthielten. Das sei aber zum Beispiel bei altem PVC ein großes Problem. Selbst wenn man dieses Material recycelt, werde man nie alle Schwermetalle herausbekommen. In der Branche wird das C2C-Konzept schon eine ganze Weile diskutiert. Zum Durchbruch ist es aber noch nicht gekommen, obwohl sich die Markt­teilnehmer über die Vorteile im Klaren sind. 'Das ist ein bisschen so wie das Henne-Ei-Problem', so Mösle. 'Der Hersteller sagt, es gibt keine Nachfrage, der Nutzer behauptet, es gibt keinen Architekten, und der wiederum sagt, er hat keine Produkte.' Das soll das erste Cradle-to-Cradle-Forum, das Drees & Sommer am kommenden Donnerstag in Stuttgart veranstaltet, ändern. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung ist die Frage, wie entsprechende Business-Modelle für die Bau- und Immobilienwirtschaft aussehen könnten. Ein Ansatz wäre, Gebäude als Rohstofflager zu betrachten, bei denen die Rohstoffe quasi nach ihrem Gebrauch - also der jeweiligen Nutzungszeit der eingesetzten Produkte, wieder an den Hersteller zurückgehen. Denkbar wären auch Leasingmodelle, bei denen Teppichböden oder Licht nur gemietet werden. Solche Ideen ergäben auch für Investoren wie Hersteller neue Möglichkeiten, schwärmt Mösle vom Cradle-to-Cradle-Konzept. Ingo Dalcolmo

© 2014 STUTTGARTER ZEITUNG