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Immobilien regional

Wenn Mieter ausziehen müssem


Nachverdichtung. Wohnraum ist knapp in der Landeshauptstadt. Wenn dann auch noch Wohnungsunternehmen ihren Mietern kündigen und vermeintlich gut erhaltene Bausubstanz abreißen, ist der Aufschrei groß.
Für die Mieter ist so eine Situation immer bitter. Jüngstes Beispiel: Der geplante Abriss von drei kleinen Hochhäusern der Flüwo Bauen Wohnen in Stuttgart-Degerloch. Auch der Abriss von zwei Häusern in Botnang im Besitz des Bau- und Wohnungsvereins BWV verlief nicht konfliktfrei. Selbst bei der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft SWSG formierte sich im zurückliegenden Jahr Widerstand, als bekannt wurde, dass die Keltersiedlung in Zuffenhausen von Grund auf saniert und im Zuge der Maßnahmen auch Häuser in der Siedlung abgerissen werden sollten.





Vor allem vor dem Hintergrund fehlender preiswerter Wohnungen in Stuttgart kommen bei vielen, vor allem aus den unteren Einkommensschichten, zwangsläufig Existenzängste auf. Finde ich überhaupt eine Wohnung? Kann ich mir die Wohnung überhaupt noch leisten? Für kaum einen Mieter ist es in dieser Situation nachvollziehbar, warum ausgerechnet sein Haus „Opfer“ einer Sanierungsmaßnahme werden und er die Wohnung räumen soll, wo er doch schon so viele Jahre dort wohnt. Vor allem ältere Menschen sind in so einer Situation stark verunsichert.


In Deutschland wird der Mieterschutz großgeschrieben. Es gibt drei Gründe, warum ein Vermieter ein bestehendes Mietverhältnis kündigen darf: wenn der Mieter mehr als zwei Monate mit seiner Miete im Rückstand ist, der Vermieter Eigenbedarf geltend machen kann oder er „an der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Immobilie gehindert wird“, heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch BGB.


Trotzdem ist es nicht so einfach, Mietern zu kündigen, weil sich eine Immobilie für den Besitzer nicht mehr rechnet. „Der Gesetzgeber hat eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen vor hohe gesetzliche Hürden gestellt“, merkt Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Mietervereins Stuttgart, an. So hat der Bundesgerichtshof jüngst entschieden, dass keine erheblichen Nachteile für einen Vermieter vorliegen, die eine Kündigung rechtfertigen, wenn der Eigentümer einer vermieteten Wohnung nur im Interesse einer bloßen Gewinnoptimierung verfährt.


Bei den Wohnungsunternehmen in Stuttgart ist man sich der Problematik angesichts angespannter Wohnungsmärkte durchaus bewusst und betont unisono, die Maßnahmen nur dann durchzuführen, wenn sie wirklich unumgänglich seien. „Als Bestandshalter sind wir nicht nur den aktuellen Mietern verpflichtet, sondern auch künftigen Generationen“, verteidigt etwa BWV-Vorstand Thomas Wolf die Maßnahmen.


Die Entscheidung, ob saniert oder abgerissen wird, mache sich der Bau- und Wohnungsverein nicht leicht. „In vielen Fällen ist ein Neubau nicht nur billiger, sondern auch beständiger.“ So betrage die Nutzungsdauer eines Neubaus rund 80 Jahre, eines sanierten Objekts aber nur 35 bis 40 Jahre. Betroffenen Mietern werden immer eine neue Wohnung und Umzugshilfen angeboten. „80 Prozent der Mieter würden das Angebot des BWV nutzen, 20 Prozent suchten sich selbst eine neue Wohnung“, so die Erfahrung von Thomas Wolf.


Auch bei der Flüwo in Degerloch wird jede Sanierungsmaßnahme sorgfältig analysiert. „Vor jeder Entscheidung über Modernisierung oder Neubau führen wir eine Standort- und Marktanalyse durch, schauen uns sehr genau die Bausubstanz an und entscheiden dann, welche Maßnahme wirtschaftlich am sinnvollsten ist“, erläutert Rainer Böttcher. Wichtig ist dem Vorstand, dass alle Mieter rechtzeitig und transparent über diese Maßnahmen informiert werden. „Bei uns muss niemand von heute auf morgen ausziehen“, beruhigt er. Er räumt aber ein, dass das Thema der Entmietung aktuell emotional sehr schwierig sei. Zumal die kritische Haltung gegenüber einer zunehmenden Nachverdichtung in der Landeshauptstadt immer größer werde. „Ich würde mir wünschen, dass die Stadt ihre städtebauliche Gestaltungskompetenz nicht aus der Hand gibt“, spielt Böttcher auf die neuen Beteiligungsverfahren im Baurecht an.


Mit einem Bestand von rund 18
000 Wohnungen ist die SWSG der größte Bestandshalter in der Landeshauptstadt. Entsprechend groß ist auch die Erfahrung mit Abriss-Neubau-Projekten. „Es geht immer darum, einen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der bisherigen Mieter und dem Bedarf an mehr, neuem und besserem Wohnraum für Stuttgart zu schaffen“, bringt es SWSG-Geschäftsführer Samir Sidgi auf den Punkt. „Es wäre aber naiv zu glauben, dass wir als Wohnungsunternehmen den Mietern die daraus resultierenden Zukunftsängste in jeden Fall nehmen können“, konstatiert er realistisch.


Die SWSG habe schon vor Jahren ein umfangreiches Mieterprogramm aufgelegt, das betroffene Mieter von Anfang an begleitet. Ihnen vor allem aber auch die Sicherheit gibt: „Die SWSG sorgt für eine neue Bleibe.“ Dazu gehört auch, nach dem Abschluss der Sanierungsmaßnahmen wieder in das alte Quartier ziehen zu können.


Dass mit einem Umzug in eine neue Wohnung in der Regel auch eine höhere Miete verbunden ist, wird von den Wohnungsunternehmen gar nicht abgestritten. Doch auch dafür gebe es in den meisten Fällen eine sozialverträgliche Lösung, sagen die Wohnungsunternehmen unisono.


Wo Wohngeld und Bonus des Wohnungsunternehmens nicht ausreichen, wird in besonderen Notfällen auch schon mal ein Auge zugedrückt und die Differenz zwischen neuer und alter Miete vom Wohnungsunternehmen getragen. Andere wechseln den Stadtteil und ziehen in ein Quartier, in dem das Wohnungsunternehmen ihnen eine günstigere Wohnung anbieten kann. Oder sie brauchen vielleicht gar keine so große Wohnung mehr und kommen mit weniger Quadratmeter aus.


Dass es aber auch besondere Fälle oder Situationen geben kann, bei denen nur individuelle und angepasste Lösungen helfen, will Samir Sidgi gar nicht beschönigen. „Natürlich gibt es diese sozialen Härtefälle, aber auch da versuchen wir zu helfen – vor allem unser hauseigenes Sozialmanagement erarbeitet in solchen Fällen Lösungen.“


Dass selbst der Weg vor Gericht nicht zwangsläufig zum Erfolg führt, mussten dieses Jahr zwei Mietparteien des Bau- und Wohnungsvereins in Botnang erleben. Sie hatten gegen den Abriss von zwei Häusern geklagt und verloren vor dem Landgericht. Bitter dabei: Die vom Wohnungsverein seinerzeit angebotene Abfindung war damit hinfällig.