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Immobilien regional

Branche beklagt schlechtes Timing

Statistik. Die Immobilienwirtschaft fragt sich, warum die Stadt Stuttgart den Wohnungsmarktbericht erst zwei Monate nach der Präsentation des Konzeptes 'Wohnen in Stuttgart' durch den Oberbürgermeister vorlegt.
Mit der Statistik ist das so eine Sache. Kaum sind die neuesten Zahlen erschienen, sind sie auch schon wieder veraltet. Dass allerdings die Landeshauptstadt den Wohnungsmarktbericht Stuttgart 2012 erst im Januar 2014 präsentiert, wundert dann nicht nur Professor Stephan Kippes. Der Immobilienwirtschaftsprofessor an der HfWU Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und Leiter des IVD-nahen Marktforschungsinstituts untersucht seit Jahren im Auftrag des IVD Immobilienverbandes Deutschland, einem Berufsverband von Immobilienberatern und -verwaltern, die Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt in Deutschland und gehört damit durchaus zu den Experten in Sachen Statistik. 'Ich finde es schade, wenn bei einem Bericht, der 2014 erscheint, die letzten erhobenen Daten aus dem Jahr 2012 sind. Da geht viel Potenzial verloren', sagt der Wissenschaftler. Grundsätzlich seien derartige Marktdaten aber wichtig. 'Man erhält auf diese Weise einen komprimierten Überblick.'

Allerdings hätte aus Sicht von Stephan Kippes das 200-seitige Werk in puncto Wohnungspolitik durchaus etwas ausbalancierter sein können. 'Wer in der Einleitung die aktuelle Landeswohnraumförderung lobt, sollte seriöserweise auch erwähnen, wie diese durch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer konterkariert wird'. Mit der Kritik steht Kippes nicht allein. Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Stuttgarter Mietervereins, ist zwar froh, dass nach sechs Jahren endlich wieder ein Wohnungsmarktbericht in Stuttgart vorliegt, ihn ärgert aber, dass die Stadt die Ergebnisse der jüngsten Volkszählung wieder nicht hat einfließen lassen. 'Die Zahlen werden einfach ignoriert, obwohl der Zensus ergeben hat, dass sich die Stadt bei der Anzahl der fehlenden Wohnungen um 5000 verzählt hat', sagt Gaßmann. Mit falschen Zahlen werde die Stadt kaum begründen können, dass Stuttgart erhöhten Wohnungsbedarf hat. Letzterer sei aber die Voraussetzung für die Absenkung der Kappungsgrenze von 20 auf 15 Prozent bei Mieterhöhungen, so der Mieterverein-Vorsitzende. Die Kritik des Mietervereins an dem verwendeten Zahlenmaterial kann das Statistische Amt der Landeshauptstadt nicht nachvollziehen. 'Für uns bilden die im Melderegister geführten Personen die maßgebliche Einwohnerzahl. Nur diese Zahl liegt als lange Zeitreihe auch kleinräumig und sachlich tief gegliedert vor', erklärt Dr. Ansgar Schmitz-Veltin.

Dagegen gebe es die amtliche Bevölkerungszahl nur für Stuttgart insgesamt, und sie sei somit als Grundlage für Analysen und Planungen ungeeignet. Dass man das vorliegende Zahlenmaterial zum Stichtag nicht bis 2013 hochgerechnet habe, liege lediglich daran, dass man vermeiden wollte, ungenaue Zahlen zu bekommen, die dann Anfang des neuen Jahres nochmals hätten korrigiert werden müssen, so Schmitz-Veltin. Außerdem warte man noch immer auf die endgültigen Gebäude- und Wohnungszahlen aus dem Zensus, die laut Statistischem Landesamt im Frühjahr dieses Jahres veröffentlicht werden sollen.

Auch beim Stuttgarter Haus- und Grundbesitzerverein tut man sich schwer nachzuvollziehen, wieso der Bericht über den Wohnungsmarkt erst jetzt präsentiert wurde. Für Ulrich Wecker, den Geschäftsführer des Vereins, ist das aber nicht ganz so wichtig. Ihm ist der Blick in die Zukunft wichtiger, und hier glaubt der Geschäftsführer aus dem aktuell vorliegenden Werk herausgelesen zu haben, dass man in der Einschätzung der Wohnungsmarktentwicklung durchaus richtig gelegen sei. 'Die prognostizierte Entwicklung der Einwohner und der Haushalte bestätigt uns in der Annahme, dass das Geschäftsmodell unserer Mitglieder, Privatwohnungen auf den Markt zu bringen, auch in Zukunft gesichert und erfolgreich sein wird', freut er sich. Eine aus seiner Sicht spannende Frage der kommenden Jahre sei aber bislang in allen voran­gegangenen Berichten unbeantwortet geblieben. 'Glaubt man der Statistik', führt Wecker aus, 'sollen rund 50 Prozent aller Wohnungen in Stuttgart Singlehaushalte sein, in denen zum überwiegenden Teil ältere Menschen wohnen. Welche Folgen hat das für den Wohnungsmarkt, wenn diese in den nächsten 15 Jahren verstärkt auf den Markt kommen?' Seiner Ansicht nach könnten die Daten leichter und zuverlässiger erhoben werden als zum Beispiel Prognosen über eine mögliche jährliche Zuwanderungsrate.

'Längst überfällig' war für Peter Brenner, den Vorsitzenden vom IWS Immobilienverband Stuttgart, der aktuelle Wohnungsmarktbericht. 'Natürlich fragen wir uns auch, warum dieser Bericht wochenlang zurückgehalten wurde, obwohl er eigentlich schon im November im Rathaus vorlag.' Schließlich habe Oberbürgermeister Fritz Kuhn die Zahlen aus diesem Werk in sein Wohnkonzept mit einfließen lassen. Brenner stößt sauer auf, dass der Oberbürgermeister in Sachen Wohnungsbau offenbar den Weg ohne die Immobilienwirtschaft gehen will. Noch hat der IWS-Vorsitzende aber nicht aufgegeben. 'Wir haben den Oberbürgermeister noch einmal ein Bündnis für Wohnen vorgeschlagen, um gemeinsam die Wohnungsprobleme in der Landeshauptstadt anzugehen.' Bislang habe Fritz Kuhn aber nicht reagiert.

Peter Brenner will dabei gar nicht die Hoheit der Kommune anzweifeln. 'Die Stadt muss den politischen Rahmen vorgeben', meint er. Am Ende des Tages müssten aber alle Beteiligten dazu beitragen, dass es mehr Wohnungen gibt. Lässt der Oberbürgermeister den IWS wieder abblitzen, will der Immobilienverband gemeinsam mit anderen Interessenverbänden der Immobilienbranche wie Haus & Grund und gern auch dem Mieterverein eine eigene Wohnungs­initiative starten. Rolf Gaßmann von Mieterverein findet die Idee gar nicht so schlecht.

Im Stuttgarter Rathaus versucht man ob der Terminierung des Wohnungsmarktberichtes 2012 den Ball flach zu halten. 'Das wird vollkommen überbewertet. Der Zeitabstand zwischen der Veröffentlichung des Konzeptes ,Wohnen in Stuttgart? des Oberbürgermeisters und dem Wohnungsmarktbericht hatte rein technische Gründe', bemüht sich Stuttgarts Erster Bürgermeister Michael Föll um Klarstellung. Der Stadt sei es außerdem wichtig gewesen, zwischen Daten und Ausblick sauber zu trennen. Das kann jeder nachvollziehen. Doch warum, so fragt sich die Immobilienwirtschaft, wurde dann zuerst das Konzept und erst zwei Monate später die Bestandsaufnahme vorgestellt. Also genau andersherum, als es eigentlich üblich ist?
Ingo Dalcolmo

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