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Immobilien regional

Existenznot im Handel lässt Innenstadtkonzepte wanken


Stadtzentren. Schon seit Längerem sorgt die Online-Konkurrenz dafür, dass der örtliche Einzelhandel einen schweren Stand hat. Jetzt fürchten viele Händler unter den Folgen des zweiten Lockdowns um ihre Existenz. Drohen die Innenstädte zu veröden? Es gibt Konzepte, damit die City auch Morgen noch Menschen zum Bummeln und Einkaufen anlockt.

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„Die Lage ist dramatisch“, sagt Sabine Hagmann. Der Handel habe durch die beiden Lockdowns sehr große Umsatzeinbußen in diesem Jahr. Vor allem die Textilhändler in den Innenstadtlagen würden darunter leiden, berichtet die Chefin des Handelsverbands Baden-Württemberg. Sie appelliert schon heute an Politik und Kommunen, im kommenden Jahr mehr verkaufsoffene Sonntage zuzulassen – auch ohne Anlass. „Wir brauchen diesen Ersatz dringend.“
Ines Aufrecht von der Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt macht dem Handel da wenig Hoffnung. „Instrumente wie verkaufsoffene Sonntage, lange Einkaufsnächte und längere Öffnungszeiten unterliegen rechtlichen Einschränkungen“, sagt sie. Die Wirtschaftsförderin setzt stattdessen darauf, die „vorhandenen Kräfte zu bündeln, Gemeinschaftsinitiativen voranzutreiben und die Vernetzung der Händler zu fördern“.
Stuttgarts City-Manager Sven Hahn drängt darauf, die Stadt nach Corona wieder zu dem Sozialraum zu machen, in dem „Menschen ins Kino gehen, Konzerte besuchen, shoppen, sich treffen oder einfach nur Dinge gemeinsam erleben“. Jeder Besuch in der Stadt löse eine Kette von Wertschöpfungen aus. „Wer auf dem Sofa liegt und im Internet bestellt, geht nicht ins Kino und isst keine Pizza beim Italiener.“

Die größten Umsätze werden im stationären Einzelhandel gemacht

„Corona hat uns die Lust des Bummelns vermiest“, sagt Hanspeter Gondring. Der Immobilienexperte, der an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg lehrt, macht aber auch Mut. „Die größten Umsätze werden immer noch im stationären Einzelhandel getätigt. Daran wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern – vorausgesetzt, die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten ist attraktiv.“ Nötig dafür sind für Gondring „abwechslungsreiche und interessante Unterhaltungs-, Einkaufs- und Erlebnisangebote und gute Parkmöglichkeiten“. Dazu müssten sich die Kommunen aber zum Einzelhandel bekennen und den Forderungen mancher Politiker nach einer autofreien Stadt widerstehen.
Nach der Schließung großer Kaufhäuser, wie bei Galeria Kaufhof, wachsen die Zweifel, dass die Konsumtempel überleben werden. Forscher beschäftigen sich bereits damit, was aus ihnen werden könnte. So etwa Wenzel Meyer in seiner mit dem Nachwuchspreis des Karlsruher Institut für Technologie ausgezeichneten Masterarbeit „Transformation Kaufhaus“. Am Beispiel eines Darmstädter Kaufhauses zeigt er, wie geschlossene Gebäudefassaden aufgebrochen und durch mehrere Gebäudeteile ersetzt werden können, die viel Raum zum Arbeiten und Wohnen lassen.

Marktforscher Stefan Holl, Geschäftsführer der zum Wüstenrot-Konzern gehörenden Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung, schätzt, dass jedes achte Shoppingzentrum nicht dauerhaft am Markt zu halten sein wird. Er warnt, dass Verlagerung von Einkäufen ins Internet nicht zwangsweise am Ende der Pandemie wieder auf den stationären Handel zurückgehen werde. Für das kommende Jahr rechnet er mit Umsatzeinbußen zwischen zehn und 20 Prozent.
Bereits vor Corona hatte die Branche mit der Onlinekonkurrenz und sinkenden Frequenzen in den Läden zu kämpfen. Marktforscher Holl geht davon aus, dass die Innenstädte künftig zwar durch den Handel mitbestimmt, aber nicht mehr von ihm dominiert werden. Es werde darum gehen, die Städte umzubauen. Die Kommunen müssten dabei auf Funktionsvielfalt und eine individuelle und lokale Mischung setzen.

Für lokale Händler eröffnen sich mehr Chancen

Frank Leukhardt, Geschäftsführer des Immobilienentwicklers Colliers International in Stuttgart, glaubt an die Innenstädte. „Sie werden nicht veröden.“ Die Veränderungen im Einzelhandel dürften Chancen für neue Handelskonzepte bieten. Etwa für Konzepte, die bislang eher in den B-Lagen zu finden waren. „Jetzt können sich auch lokale Händler wieder die 1-A-Lage wie die Königstraße leisten“, sagt er. Vor Corona war es der pure Verdrängungswettbewerb, den vor allem die großen Filialisten für sich entschieden haben. Die Mieten für Ladenflächen haben sich Leukhardt zufolge deutlich nach unten bewegt.