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Was kostet ein Architekt?


Gesetze. Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Honorarpraxis der Architekten kommt einem Paradigmenwechsel gleich. Die Architektenkammer sieht in dem Urteil aber auch Chancen.

Vier Jahrzehnte lang war die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, kurz HOAI, das Maß aller Dinge. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 4. Juli entschieden, dass die bislang in der HOAI festgeschriebenen Mindest- und Höchstsätze, die Architekten und Ingenieure für ihre Leistungen abrechnen können, nicht länger verbindlich gelten dürfen, weil sie gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen.


Im Video fasst Eric Zimmermann, Justiziar der Architektenkammer Baden-Württemberg, kurz die Auswirkungen der EuGH-Entscheidung zusammen.

„Die ,Rettungsweste‘ ist jetzt weggefallen. Architekt und Bauherr müssen künftig über das Thema Honorierung anders sprechen als bislang“, kommentiert Eric Zimmermann, Justiziar der Architektenkammer Baden-Württemberg, das Urteil aus Luxemburg. Für den Verbandsjuristen ist die EuGH-Entscheidung ein Paradigmenwechsel. „Bislang konnte der Architekt wie der Bauherr darauf vertrauen, dass es eine Honorarordnung mit verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen gibt, zwischen denen man sich bewegen musste.“ Jetzt kann der Bauherr zwar auf ein günstigeres Honorar pochen, der Architekt kann aber seinerseits auch ein höheres Honorar als bislang einfordern. Das dürfte künftig zu manch einer Diskussion unter den Vertragspartnern führen.

Zimmermann weist allerdings auch darauf hin, dass derzeit umstritten ist, ob die Entscheidung des EuGH unmittelbare Anwendung findet. Während das Oberlandesgericht Hamm die Meinung vertritt, das EuGH-Urteil habe ohne gesetzliche Umsetzung keine Auswirkungen auf die nationale Rechtslage, weshalb das zwingende Preisrecht zunächst fortbestehe und anzuwenden sei, argumentiert das OLG Celle, der Anwendungsvorrang des Unionsrechts verbiete es den Gerichten, die als unionsrechtswidrig erkannte Regelung noch weiter zur Entscheidungsfindung heranzuziehen. Insoweit bleibt eine höchstrichterliche Klärung abzuwarten.
Für die meisten Architekten und Ingenieure ist das Urteil derweil nicht nachvollziehbar. Galt doch gerade die HOAI als Garant für Bausicherheit und Verbraucherschutz. Jetzt befürchten viele Planer einen ruinösen Preiswettbewerb, bei dem die Qualität am Ende auf der Strecke bleiben könnte.

Verbandsvertreter haben auf Bundesebene bereits die Befürchtung geäußert, dass es durch dieses Urteil bei den Honoraren nicht nur zu einem Preisrutsch nach unten kommen könnte, sondern auch größere Architekturbüros mit vielen Mitarbeitern und ausreichenden finanziellen Möglichkeiten die Gunst der Stunde nutzen könnten, kurzfristig mit Dumpingpreisen auf dem Markt aufzutreten, um an neue Aufträge heranzukommen.

Das es so weit in Baden-Württemberg kommen könnte, will Eric Zimmermann indes nicht ganz ausschließen. Er verweist aber auch auf eine aktuelle Studie in der „FAZ“ zu den durchschnittlichen Bruttoverdiensten. Danach verdient ein Architekt im Monat rund 3250 Euro brutto und liegt damit zwischen Psychologen (3870 Euro) und Sozialpädagogen (2784 Euro) im unteren Drittel der Einkommensskala. „Das ist im Vergleich zum Durchschnittsgehalt eines Rechtsanwaltes (5416 Euro) nicht gerade üppig.“ Betrachte man zudem den Anteil der Architektenhonorare an den Baukosten, so seien diese garantiert nicht schuld daran, dass das Bauen immer teurer werde. Damit relativiert sich für den Juristen die Befürchtung, die EuGH-Entscheidung könnte dafür genutzt werden, über Dumpingpreise an Aufträge zu kommen. Andererseits sieht Eric Zimmermann künftig aber auch eine neue Kultur des Verhandelns auf Architekt und Bauherr zukommen. „Niemand kann sich künftig noch allein auf die HOAI verlassen, dass sie schon alles regeln wird“, sagt der Jurist.

Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg relativiert die EuGH-Entscheidung ebenfalls. So habe der EuGH lediglich die Mindest- und Höchstsätze gekippt. Im Übrigen wurden die anderen Regelungen der HOAI nicht beanstandet. Insofern stünden weder die Leistungsbilder noch die Grundlage der Honorarermittlung zur Diskussion. Auch das Wirtschaftsministerium habe sich bislang für die Beibehaltung ausgesprochen. „Die HOAI ist für unsere mittelständisch geprägten Architektur- und Ingenieurbüros von großer Bedeutung. Gerade im Baubereich ist der Leistungswettbewerb und dadurch die Qualitätssicherung von großer Bedeutung. Die HOAI dient zugleich den Interessen der Verbraucher, weil sie Kostentransparenz schafft“, so eine Sprecherin des Ministeriums.
Beim Siedlungswerk, einem der großen Wohnungs- und Städtebauunternehmen in Baden-Württemberg, glaubt man ebenfalls nicht, dass das EuGH-Urteil die HOAI aushebeln wird. „Wir bezahlen unsere Architekten und Fachingenieure schon immer nach der HOAI und bewegen uns dabei im Wohnungsbereich im mittleren Bereich“, sagt Harald Luger, Bereichsleiter Projektrealisierung und Honorarwesen beim Siedlungswerk.

Solange alle gut zu tun haben, wird die Änderung aus seiner Sicht keine großen Auswirkungen haben. Harald Luger will aber nicht ausschließen, dass es beim Abflauen der Konjunktur vor allem bei privaten Hausbauten zu einem gegenseitigen Unterbieten kommen könnte. Aktuell habe das EuGH-Urteil aber noch keine Auswirkungen auf die Honorargespräche, so der Bereichsleiter.