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Immobilien regional

Ein neues Leitbild für die Stadt?

Staatstheater. Die mit der Sanierung der Stuttgarter Oper verbundene Suche nach einem Interimsstandort ist auch eine Chance, die Stadt von Grund auf neu zu denken und zu entwickeln.

Bei Marc-Oliver Hendriks klingt selbst Kritik gut. Etwa dann, wenn er sagt, „Stuttgart hat eine große Tradition darin, in Einzelprojekten zu planen“. Wohlmeinender lassen sich wohl kaum die Versäumnisse der Landeshauptstadt in den zurückliegenden Jahren in der Stadtplanung umschreiben. Mit der anstehenden Sanierung der Staatsoper und der damit verbundenen Suche nach einem Interimsstandort habe die Stadt die Möglichkeit, nach der autofreien Stadt aus den 70er Jahren wieder eine Planungsperspektive zu entwickeln, sagt Hendriks.



Ein Blick hinter den Produktionsbetrieb Staatstheater erhält man im Video. Mark-Oliver Hendriks führt durch den Theaterbetrieb und erläutert die wichtigsten Funktionsbereiche.

Für den Geschäftsführenden Intendanten der Württembergischen Staatstheater ist die Frage nach einer Interimslösung deshalb nicht nur ein Risiko, sondern vor allem auch eine Chance für die Landeshauptstadt. Hendriks steht bei der schwierigen Suche nach einem Standort allerdings unter Zeitdruck. Zwar geht er vorsichtig davon aus, dass die Wiedereröffnung des generalsanierten Opernhauses in Stuttgart erst in der zweiten Hälfte der 20er Jahre erfolgen wird. Aber: „Wir warnen seit Jahren davor, dass die alten bühnentechnischen Systeme jederzeit kollabieren könnten“. Auch deshalb stehe die Nutzung des Opernhauses nicht unbegrenzt zur Verfügung.

„Ich würde mir wünschen, dass wir 2017 den Bedarf für die Interimslösung abschließend formuliert haben, dass wir bei der Standortsuche einen großen Schritt weiter gekommen sind und die Vorbereitungen für den Architektenwettbewerb so weit vorangeschritten sind, dass wir dann 2018 ausloben können“, wünscht sich Hendriks für das neue Jahr. Denn von der Planungssicherheit ist der Spielbetrieb abhängig. So ­haben die neuen Intendanten, die von 2018 an den Spielbetrieb für Oper und Ballett übernehmen werden, bereits mit ihren Planungen für die Spielzeit 2018/2019 begonnen, und sie fragen den Intendanten, welcher Standort und welche Voraussetzungen ihnen dann bevorstehen.

„Wir haben uns darauf eingestellt, bis ­sicherlich 2021 mit dem Opernhaus zu planen“, gibt Hendriks erst einmal seinen Kollegen Sicherheit. Wie letztendlich aber die Sanierung des Opernhauses erfolgen soll, ist derzeit noch voll kommen offen. Zwei Möglichkeiten stehen derzeit im Raum, erklärt Hendriks: Entweder alles auf einmal oder modular.

Das erste Szenarium hätte zur Folge, dass die komplette Anlage mit Ausnahme des Schauspielhauses für mindestens fünf Jahre stillgelegt werden müsste. In dieser Zeit würde nicht nur für den Aufführungsbereich, sondern auch für die Produktion und für die Verwaltung ein neuer Standort benötigt. Und der müsste groß genug sein, um alle Bereiche unterzubringen.

Das wirke sich auf die Standortsuche aus, da geeignete Standorte in Stuttgart rar seien. „Der Charme dieser Lösung liegt aber darin, relativ kompakt bauen zu können und hinsichtlich des Zeit- und Kostenrahmens an die Aufgabe anders herangehen zu können, als wenn man die Maßnahmen über einen längeren Zeitraum streckt“, erläutert Hendriks. Dagegen spreche der hohe Transferaufwand, da mehr als nur der reine Spielbetrieb untergebracht werden müsste. ­Intern favorisiert das Staatstheater mit Blick auf das Publikum die zweite Variante. „Wir könnten uns vorstellen, abschnittsweise mit den Arbeiten zu beginnen“. Geplant ist eine Erweiterung entlang der Konrad-Adenauer-Straße. Dazu muss die Turnhalle (der Schule?) verlegt werden. Anschließend ginge es an die Erweiterungsbauten, entweder mit dem bestehenden Kulissengebäude durch einen Anbau oder durch einen kompletten Neubau. Bis man sich allmählich an das Opernhaus herangearbeitet hätte.

Der letzte Schritt wäre die Schließung des Opernhauses und die Öffnung der Herzkammer, wie Hendriks den Bühnenbereich bezeichnet. Bei dieser Variante könnte die Schließung des Opernhauses deutlich reduziert werden, glaubt der Geschäftsführende Intendant, da etliche Vorarbeiten schon ­erledigt seien. „Das hätte den Vorteil, dass die Belastung für das Publikum durch einen Interimsstandort auf etwa drei Jahre verkürzt werden könnte.“

Die Sorge bei der Oper ist groß, dass durch einen möglicherweise falschen Kompromiss bei der Standortwahl für den Interimsbau die Verluste ins Uferlose gehen könnten. Die Staatstheater haben beim Umbau des Schauspielhauses bereits leidvolle Erfahrungen sammeln können. So ging in der Interimsspielstätte in Bad Cannstatt der Publikumsanteil um zwei Drittel zurück. Wenn das beim Opernhaus mit jährlichen Einnahmen von zwölf Millionen Euro passiere, läge der jährliche Verlust bei acht Millionen Euro. Hochgerechnet auf fünf Jahre könnte ein potenzieller Einnahmeverlust von bis zu 40 Millionen Euro entstehen. „Das ist ein knallharter wirtschaftlicher ­Faktor“, sagt Hendriks. Dagegen liegen die Kosten für einen reinen Interimsbau zwischen 15 und 20 Millionen Euro, schätzen Experten. „Dabei handelt es sich um eine Spielstätte, die man aufbaut, zwei bis drei Jahre bespielt und dann verkauft, umwidmet oder verschrottet“, so Hendriks.

Denkbar wäre jedoch auch eine Nachnutzung als Konzertsaal. „Das ist wirtschaftlich sinnvoll und kulturpolitisch richtig gedacht. Das macht die ohnehin schon komplizierte Planung aber nicht einfacher, da es dann nicht nur um eine Sanierung gehen würde, sondern auch um das künftige Betriebskonzept für die Nachnutzung“, gibt Hendriks zu bedenken.

Wenn sich allerdings die Chance ergebe, diese Investition von mehreren Millionen Euro in eine Interimsspielstätte langfristig zu erhalten und nutzbar zu machen, werde man sich dem nicht verschließen. Die Grundanforderungen an eine Interimsspielstätte müssten jedoch erfüllt sein“, fordert Hendriks.

Er befürchtet, dass die höhere Komplexität die Beweglichkeit bei der Standortsuche erheblich einschränken könnte. Vor ­allem dann, wenn die Konzerthalle im notorisch an Grundstücken knappen Zentrum der Stadt entstehen soll.


Lage, Lage, Lage
Für den Interimsbau der Oper Stuttgart werden derzeit mehrere Standorte untersucht. Darunter das Areal am Neckarpark in der Nähe des Daimlermuseums, das Paketpostzentrum im Bereich des untern Schlossgartens vis-a-vis des Schlosses Rosenstein und das Areal zwischen dem Planetarium und dem zukünftigen Eingangsbereich zum Hauptbahnhof in der Schillerstraße. Geprüft wird anhand eines sieben Punkte umfassenden Kriterienkatalogs. Dazu gehören Kosten, Nachhaltigkeit, Lage, Akzeptanz durch das Publikum und die verkehrstechnische Erschließung.

Zuvor wird der Bedarf von Oper und Ballett für einen Zeitraum von drei bis vier Jahren ermittelt. Neben der Anzahl der Zuschauerplätze geht es auch um die ­Infrastruktur, die für Besucher notwendig ist. Aber auch ganz triviale technische Fragen wie die Gestaltung der Bühne, müssen in dem Zusammenhang geklärt werden. Jede Oper, jede Ballettaufführung, hat andere Anforderungen, was Fläche oder Technik betrifft. Geklärt werden muss auch die Garderobensituation für die Künstler und die Anlieferung.

Diese Anforderungen sind wesentlich und entsprechend auch K.o-Kriterien für den einen oder anderen Standort, der derzeit im Gespräch ist. Denn letztendlich bestimmt sich die Tauglichkeit des Standorts über die Funktionsfähigkeit des Theaterbetriebs in dieser Übergangszeit, erläutert der Geschäftsführende Intendant Marc-Oliver Hendriks.