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Bauwirtschaft in Bedrängnis

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Politik. Steigende Preise, stockende Lieferketten, unzufriedene Bauherren. Die Baubranche ist in der Bredouille und hat sich jetzt in einem Brandbrief an den Ministerpräsidenten gewandt.


Das Bauen boomt, doch fehlende Baustoffe und immer teureres Material machen es derzeit der Bauwirtschaft im Land nicht leicht. Mit einem Brandbrief haben sich die Architektenkammer, der Handwerkstag, die Bauwirtschaft und die Ingenieurkammer von Baden-Württemberg deshalb Anfang Juli an Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewandt, mit der Bitte, das Thema Materialknappheit und Preiserhöhungen kurzfristig auf seine Agenda zu setzen.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob das Thema wenig mit Politik und mehr mit einer Frage von Angebot und Nachfrage zu tun hat. Doch es ist etwas komplizierter. Aber der Reihe nach.

Seit Anfang des Jahres gibt es laut Bauwirtschaft bei einzelnen Baumaterialien erhebliche Engpässe, in deren Folge es auch zu exorbitanten Preissteigerungen gekommen sei. So lagen die Preise für Bitumen im Mai dieses Jahres bereits um 64 Prozent über den Werten des Vorjahres. Baustahl zog um 44 Prozent an und der Preis für Bauholz soll sich nahezu verdoppelt haben.

Das Problem für die Bauwirtschaft: Durch den Anstieg der Materialpreise werden auch die Baupreise nach oben getrieben. Doch meistens können die Bauunternehmen kurzfristige Preissteigerungen nicht an ihre Kunden weitergeben. Zwar gibt es die Möglichkeit, sich mit einer sogenannten Stoffpreisgleitklausel abzusichern. Die gibt es in der Regel aber nur bei großen Baumaßnahmen. Bei kommunalen Bauleistungen sei diese überhaupt nicht vorgesehen, sagen die Verbände.

Hier wünschen sich die Verbände von der Landesregierung die "uneingeschränkte" Möglichkeit zur Anwendung von Preisgleitklauseln in öffentlichen Verträgen. Der vor kurzem veröffentlichte Erlass des Bundesministeriums des Innern zu Stoffpreisgleitklauseln für Bauaufträge der Öffentlichen Hand in neuen und laufenden Vergabeverfahren, der große Spielräume ermögliche, sei unbedingt auch bei kommunalen Aufträgen anzuwenden, so die Autoren in ihrem Schreiben an den Ministerpräsidenten.

Hinzu kommt, dass Corona bedingt immer öfter Baumaterialien überhaupt nicht geliefert würden. Das betrifft vor allem Baustoffe aus den benachbarten Grenzregionen wie Frankreich, den Niederlanden oder Italien, wo viele Betriebe geschlossen sind. "Mehr als die Hälfte aller Mitgliedsbetriebe klagen derzeit über Lieferschwierigkeiten und Bauverzögerungen", so Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Die größten Lieferengpässe gebe es derzeit aber bei Holzprodukten.

Immer öfter kommt es wegen der Verzögerungen auch zu Streitigkeiten zwischen Bauausführenden und den Bauherren. Manch ein Bauunternehmen musste auch schon hinnehmen, dass ein fest eingeplanter Auftrag wieder vom Bauherrn storniert wurde, weil aufgrund von fehlenden Baumaterialien zugesagte Fertigstellungstermine nicht haltbar waren oder vorherige Preise neu kalkuliert werden mussten. "Hier geht es auch um Arbeitsplätze", so Thomas Möller.

Die Verbände wissen allerdings auch, dass sich die Probleme nicht von heute auf morgen lösen lassen. "Wir erwarten aber, dass unsere Ideen und Anregungen umgesetzt werden, wenn der Ministerpräsident diese als sinnvoll erachtet", so Thomas Möller. Das Anliegen: ein runder Tisch mit allen relevanten Vertretern, um eine Bestandsaufnahme der Situation zu erhalten und gemeinsame Lösungsversuche zu diskutieren.

Doch das Staatsministerium fühlt sich nicht zuständig und verweist an das neue Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen. Ministerin
Nicole Razavi soll es richten.

Im Kern geht es der Bauwirtschaft darum, die regionalen Lieferketten zu stärken. Indem zum Beispiel das heimische Holz nicht nur in den Export geht, sondern auch dem hiesigen Markt in ausreichendem Maß zur Verfügung steht. Außerdem müssten lokale Abbaustellen für mineralische Baustoffe wie etwa Steine und Kies in Baden-Württemberg erhalten bleiben und sogar ausgeweitet werden. Doch das dürfte in Anbetracht der zahlreichen Bürgerinitiativen im Land schwierig werden.

Ein weiterer Wunsch: Recyclingprodukte sollten bei Ausschreibungen der Öffentlichen Hand stärker zum Einsatz kommen. Bislang tun sich Kommunen noch schwer, wiederverwertbare Baustoffe in ihren Ausschreibungen zu berücksichtigen.

Am Mittwoch trafen sich
auf  Initiative des BWHT schon mal einige Handwerksverbände ohne Beteiligung von Architekten- und Ingenieurkammer mit der Ministerin. "Wir fühlen uns in guten Händen", gibt sich Thomas Möller zuversichtlich. "Schließlich wollen wir in erster Linie die Landespolitik für die Themen sensibilisieren. Dass sich dabei nichts von heute auf morgen ändern lässt, wissen wir." Nicole Razavi sagte im Vorfeld des Treffens, sie sei mit Handwerk und Bauwirtschaft im Gespräch. "Ich teile die Sorgen der Verbände, Bauherren und Unternehmen und beteilige mich gerne an Gesprächen darüber, wie das Land helfen kann, die Situation zu verbessern".