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Grüne Fassaden hängen in der Luft

Grüne Fassaden. Bei der Genehmigung von grünen Fassaden steht der Stadtplanung oft das Baurecht im Weg. Die Politik könnte das ändern.

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Es sind nicht nur grüne Dächer, sondern zunehmend auch die Fassaden, die sich durch ihre Begrünung nachweislich positiv auf das Stadtklima und die Artenvielfalt auswirken. "Die Immobilie heizt sich weniger auf, Insekten siedeln sich an und die Pflanzenwände filtern Schadstoffe und dämmen Lärm", erklärt Thomas Berner von Drees & Sommer. Das auf den Bau von Immobilien spezialisierte Planungs- und Beratungsunternehmen erstellt derzeit in Stuttgart-Vaihingen für den Eigenbedarf einen Büroneubau mit einer rund 100 Quadratmeter großen Grünfassade.

Thomas Berner kommt ins Schwärmen, wenn er die Vorzüge der zwölf Meter hohen Grünfassade aufzählt. Statt einer eintönigen grünen Fläche soll sich an der Fassade des neuen Bürogebäudes nach der Anwachsphase ein lebendiges und dynamisches Bild über das Jahr hinweg ergeben. Dazu wurde sogar extra ein Pflanzplan erarbeitet, der elf verschiedene Pflanzen und sechs verschiedene Farben enthält, erklärt der Projektleiter vor Ort.

Viele Kommunen planen längst, eine Begrünungspflicht in ihre Bebauungspläne aufzunehmen. Doch vieles, was stadtplanerisch Sinn macht und gewollt sei, lasse sich mit dem aktuellen Baurecht nicht vereinbaren. "Da ist der Wunsch oft Vater des Gedankens", so der Ingenieur. Kein Wunder, dass sich der eine oder andere Bauherr in der Vergangenheit deshalb auch im Regen stehen gelassen fühlte und sehr schnell wieder von seinen Plänen einer grünen Fassade Abstand nahm.

Bei Drees & Sommer haben sich die Planer buchstäblich Stück für Stück durch die dicken Bretter des Baurechts gebohrt. Beispiel Brandschutz: Nach der Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung, kurz LBO, müssen bei hinterlüfteten Außenwandbekleidungen gegen Brandausbreitung besondere Vorkehrungen getroffen werden. Sie müssen erarbeitet und abgestimmt werden. "Die Pflanzen wachsen in einem Behältnis mit Substrat, das direkt an die Fassade angebracht wird. Das verwendete Spezialvlies der Firma Vertiko ist aus einem Basalt-Glas-Gemisch, das nicht brennbar ist und so den hohen Brandschutzanforderungen genügt", erklärt Thomas Berner.

Während es in der LBO längst Richtlinien für die Begrünung von Flachdächern gibt, fehlen diese aktuell noch für die Fassadenbegrünung. "Wir haben uns an alles herantasten müssen". Thomas Berner ist sich sicher, dass irgendwann auch für diese Grünflächen Richtlinien erlassen werden. Er hofft aber, dass diese sich dann der Innovationsgeschwindigkeit im Bau besser anpassen als in der Vergangenheit. "Wer heute baurechtliche Rahmenbedingungen schafft, sollte sich auch über die möglichen Konsequenzen Gedanken machen", wünscht er sich.

Beispiel Begrünung von Flachdächern: Hier kann es sein, dass die Installation einer großflächigen Photovoltaikanlage nur deshalb abgelehnt wird, weil es eine Richtlinie oder einen Bebauungsplan gibt, nach der Flachdächer extensiv begrünt werden müssen. In Vaihingen konnte das Plusenergiehaus nur deshalb erreicht werden, weil die Solarelemente auch in die transparenten Fensterscheiben integriert wurden.

Und wie sieht es mit grünen Fassaden im Bestand aus? Für Thomas Berner gibt es hier viele baurechtliche Fragen, die derzeit noch nicht geklärt sind. Ein weiteres Beispiel: die Überschreitung der Baulinie oder Abstandsflächen zu Nachbarn. Derzeit sind bis zu 30 Zentimeter bei einer nachträglichen Wärmedämmung (Dämmmaterial einschließlich Bekleidung) zulässig. Doch wie sieht das bei Grünpflanzen aus? Zählt hier der Rückschnitt oder das ausgewachsene Maß? Auch die Pflege der grünen Fassade wirft im Bestand Fragen auf, da dies nur mit einem Hubsteiger ein bis zweimal im Jahr zu bewältigen ist. Können diese Flächen bei der engen Bebauung in den Städten zur Verfügung gestellt werden, welche Regelungen gelten dann zum Beispiel für ältere Bebauungspläne mit Begehungspflicht, fragt sich Thomas Berner.

Sebastian Ritter vom Städtetag Baden-Württemberg sieht vor allem bei der nachträglichen Begrünung von Bestandsgebäuden ein Problem. Rechtlich erzwingen lasse sich das bei Bestandsgebäuden in der Regel nicht. "Bei der Gestaltung der Fassade ist im Ausgangspunkt jeder bis zur Grenze einer verunstaltenden Hässlichkeit frei, wenn es keine Gestaltungssatzung gibt".  Ob man eine neue Vorschrift für die Fassadenbegrünung braucht, müsste man vertieft prüfen. Es sollte jedenfalls keine Unwucht entstehen, indem zu detaillierte Vorgaben gemacht werden, so Ritter.

Bei Drees & Sommer ist man zuversichtlich, dass sich grüne Fassaden in den Städten immer mehr durchsetzen werden. Zumal die Kosten mittlerweile gleichaufliegen mit vielen herkömmlichen Fassadentypen, sagt Thomas Berner.