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Kreativer 'Berufsdiplomat'


Architekten. Nach 16 Jahren als Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg wird Wolfgang Riehle im Herbst nicht wieder antreten. Der 'Berufsdiplomat' sieht sich auch als Mittler zwischen Architektenschaft und Wirtschaft.
Als Wolfgang Riehle im Jahr 1998 das Amt des Präsidenten der baden-württembergischen Architektenkammer übernahm, stand die 'Königsdisziplin des Entwerfens' in der Architektenschaft noch völlig im Fokus. Das treffe auch heute noch zu, sagt er. Doch müsse man sich schon aus existenziellen Gründen von dem klassischen Architektenbild befreien und Nischen besetzen, in denen Architekten bislang nicht tätig waren. Während seiner 16-jährigen Amtszeit ging es ihm nicht nur darum, die schöngeistigen baukulturellen Aspekte im Blickwinkel zu haben, sondern auch ausführungsbezogene Aspekte wie die Termintreue, die werthal­tige Qualität und nicht zuletzt auch die Kosten.

Kein Architektenpräsident im Land war in der knapp 60-jährigen Geschichte der Kammer so lange im Amt wie Wolfgang Riehle, wenngleich er erst der fünfte Präsident war. 'Ich bin davon überzeugt, dass ein Ehrenamt in diesem Beruf, der wie kaum ein anderer vom ständigen Wandel geprägt ist, nur dadurch in Bewegung gehalten werden kann, dass der turnusmäßige Wechsel auch gelebt wird', begründet er seine 'Kopfentscheidung', nicht mehr für das Amt des Präsidenten zu kandidieren.

Dabei kann Riehle durchaus auf eine erfolgreiche Amtszeit zurückblicken, wenngleich er nicht alles erreicht hat, was er sich vorgenommen hatte. Dazu gehört zum Beispiel die gescheiterte Fusion von Architekten- und Ingenieurkammer. 'Irgendwann wird das noch kommen', gibt er sich aber nach wie vor zuversichtlich. Denn die energetischen Themen am Bau erforderten einen engen Schulterschluss von Ingenieuren und Architekten. Genauso ist er fest davon überzeugt, dass das Land einen eigenen Staatspreis für Architektur vertragen könnte und ein Forum für Architektur. 'Stuttgart ist dafür prädestiniert. Am besten irgendwo in der Mitte der Stadt', wünscht er sich.

Rund 25 500 Architekten sind bei der baden-württembergischen Architektenkammer eingetragen. Als Riehle das Amt übernahm, waren es gerade einmal 17 500. 'Den Architekten geht es aktuell deutlich besser als in den zurückliegenden 16 Jahren meiner Amtszeit', sagt er rückblickend. Doch nicht alle seine Kollegen profitieren von der guten Konjunktur. 'Wir haben einen Markt, in dem einige nicht glücklich sind, weil der Kuchen ungleich verteilt ist. 'Wir wissen aus Umfragen, dass die angestellten und beamteten Kollegen im Durchschnitt finanziell besser gestellt sind als die freiberuflich Tätigen', sagt Riehle. Die Spanne sei hier teilweise erheblich: Es gibt Büros mit einer sehr guten Auslastung, es gibt aber auch das andere Extrem. 'Das geht bis zu einer versteckten Armut im Berufsstand - keine wirklich gute Situation', berichtet Riehle. Deshalb habe er auch sehr für die Novellierung der Honorarordnung gekämpft. Die kommt jetzt vor allen den kleinen Büros zugute, die in der Fläche nach wie vor zum großen Teil von der Planung von Ein- und Zweifamilienhäusern leben. 'Das ist ein sehr beratungsintensives Geschäft.' Für die Hausbesitzer wird es dafür teurer. 'Dafür bekommen sie aber auch mehr für ihr Geld', sagt Riehle. Überhaupt ist das Wissensvolumen der Architekten in den zurückliegenden Jahren enorm angewachsen. 'Das geht längst weit über das reine Entwerfen hinaus', beschreibt er das heutige Anforderungsprofil an seinen Berufsstand.

Der Baumeister von einst sei längst dem interdisziplinären Planungsteam gewichen. 'Einer allein kann all die Fähigkeiten, die ein Architekt heute braucht, längst nicht mehr nur in sich vereinen.' Doch gerade das ist noch das Problem des Berufsstandes. Rund 80 Prozent der Architekturbüros im Land haben weniger als fünf Mitarbeiter und sind damit zu klein, um alle geforderten Dienstleistungen aus einer Hand anbieten zu können. Deshalb setzt die Architektenkammer verstärkt auf Netzwerke, in denen sich die kleinen Büros für einzelne Projekte zu Teams mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten zusammenschließen können.

'Die Konkurrenzschere ist noch in vielen Köpfen, wenngleich sich in den zurückliegenden Jahren schon viel zum kollegialen Miteinander verändert hat, stellt Riehle rückblickend fest. Die meisten Architekten verstünden sich heute als Teil der Immobilienwirtschaft. Und die Immobilienwirtschaft habe verstanden, dass sie Architekten braucht, um ihre Projekte erfolgreich zu vermarkten. Dabei sieht Wolfgang Riehle den Architekten auch zunehmend als Verbraucherschützer. Das beginnt für ihn schon bei der Planung. 'Nur qualitativ hochwer­tige Architektur ist auch nachhaltig.' Sorgen bereitet ihm die zunehmende Uniformität der Stadtlandschaften. 'Ein Bürohochhaus in New York sieht genauso aus wie eins in Singapur', kritisiert er. Deshalb will die Architektenkammer auch Kontrapunkte setzen, indem die regionale Baukultur wieder entdeckt werden soll. 'Wir müssen aber auch schon in der Schule anfangen, den Sinn für gute Architektur zu schärfen', so Riehle. Projekte wie 'Architektur macht Schule' setzen hier schon bei den Jüngsten an.

Für Wolfgang Riehle endet im Herbst die vierte Amtszeit. Der 'Berufsdiplomat' - Riehle über Riehle - verstand sich immer auch als Mittler zwischen Berufsstand, Politik und Wirtschaft, der auf Menschen zuging und auch gut zuhören konnte. Künftig will sich Riehle wieder verstärkt seinem eigenen Architekturbüro widmen. Um die Nachfolge sollen sich bereits mehrere Kandidaten beworben haben. Der scheidende Kammerpräsident würde sich wünschen, dass auch der Nachfolger wieder aus der Praxis kommt.

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Die Architektenkammer Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und wird von rund 25 500 eingeschriebenen Architektinnen und Architekten getragen. Die Kammer fördert die Baukultur und das Bauwesen. Darüber hinaus informiert sie die Öffentlichkeit über die Arbeit von Architektinnen und Architekten, nimmt zu wichtigen Fragen des Baugeschehens Stellung und wirkt bei solchen Gesetzen und Verordnungen mit, die die Gestaltung der bebauten Umwelt betreffen. Somit vertritt die Kammer die Interessen von Architekten, Bauherren und der Öffentlichkeit - Demokratie und Dialog sind ihre Grundsätze.

Die Kammermitglieder gehören den Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur oder Stadtplanung an. Sie organisieren sich auf Landes-, Bezirks- und Kreisebene: Den vier Kammerbezirken, vergleichbar den Regierungsbezirken Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart und Tübingen, sind insgesamt 42 Kammergruppen zugeordnet, die weitestgehend den Stadt- oder Landkreisen entsprechen. Hier finden regelmäßig die Auszeichnungsverfahren 'Beispielhaftes Bauen' statt, mit denen die Architektenkammer das Bewusstsein für die Baukultur im alltäglichen Leben fördern will.

Der Diplom-Ingenieur, Freie Architekt BDA und Freie Stadtplaner Wolfgang Riehle studierte von 1973 bis 1979 an der Universität Stuttgart Architektur. Anschließend trat er in das Architekturbüro seines Vaters Eugen Riehle ein. Seit 1991 ist Wolfgang Riehle Partner der Sozietät Riehle + Partner Architekten und Stadtplaner. Von 1991 bis 1998 war er Vorsitzender der BDA Bund Deutscher Architekten-Kreisgruppe Neckar-Alb. Seit 1998 ist er Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg und Vorstandsmitglied der Bundesarchitekten­kammer. Seit dem Jahr 2010 ist er auch geschäftsführender Gesellschafter von Riehle + Assoziierte. Das Architekturbüro hat seinen Sitz in Reutlingen und beschäftigt derzeit rund 60 Mitarbeiter. red

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