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Immobilien regional

'Wohnungen lassen sich nicht einfach backen'

Der Mieteranwalt. Rolf Gaßmann macht sich seit rund 40 Jahren für den Mieterschutz stark.


'Der Stuttgarter Wohnungsmarkt war eigentlich immer schon sehr schwierig', resümiert Rolf Gaßmann, langjähriger Vorsitzender des Mietervereins der Landeshauptstadt. Vor ihm liegt ein Band der 'Mieterzeitung' aus den 1990er Jahren. '39 Prozent - Stuttgart ist spitze', zitiert er eine Überschrift. Stuttgart sei mit diesem Preisanstieg innerhalb eines Jahres bei den Neuvermietungen damals bundesweiter Spitzenreiter gewesen, erinnert er sich.

'Heute stehen wir vor der gleichen Explosion der Mieten', glaubt er und rechnet vor: in den zurückliegenden drei Jahren hätte die Landeshauptstadt um rund 21 000 Einwohner zugelegt. Teile man das durch zwei, komme man auf den tatsächlichen Wohnungsbedarf von rund 10 000 Wohnungen. Im gleichen Zeitraum seien aber nur 4800 Wohnungen entstanden. 'Natürlich stehen die Leute, die hinter diesen Zahlen stehen, nicht auf der Straße. Aufgrund des Mangels an bezahlbaren Wohnungen in der Stadt rückt man entweder enger zusammen, oder man beansprucht länger das Hotel Mama', glaubt Gaßmann. Der Vorsitzende des Mietervereins will aber auch nicht verhehlen, dass die Diskussion um den Wohnraummangel in den Großstädten zumindest teilweise ein Luxusproblem sein könnte. Natürlich sei der Flächenbedarf pro Haushalt deutlich gestiegen. 'Hinter diesen Durchschnittszahlen verbergen sich aber auch Ungerechtigkeiten', will er ausgemacht haben. So habe der gut verdienende Bevölkerungsteil der Landeshauptstadt seinen Flächenbedarf deutlich ausdehnen können, während er sich bei den unteren Einkommensschichten nicht wesentlich ver­ändert habe, so Gaßmann. Dahinter stecke aus seiner Sicht aber auch ein demografisches Problem. Derjenige, der seinen Partner verloren habe oder der aufgrund einer Trennung allein lebt, werde die für einen Einzelnen oft zu groß gewordene Wohnung nicht zwangsläufig aufgeben.

Allein in Stuttgart sei jeder zweite Haushalt heute schon ein Singlehaushalt, konstatiert er. Dass es wieder einmal an bezahl­baren Wohnungen in Stuttgart mangelt, ist laut Gaßmann ein grundsätzliches Problem der Wohnraumförderung. Als sich in den 1980er Jahren die Wohnraumsituation entspannte, habe sich die Politik das erste Mal in der jüngeren Geschichte vom geförderten Wohnungsbau verabschiedet. Mit der Folge, das sich schon wenige Jahre später die Situation auf dem Wohnungsmarkt wieder drastisch verschlechterte, dem die Politik wieder mit Wohnungsbauprogrammen entgegentrat. 'Damals gab es riesige Förderprogramme', erinnert sich Gaßmann. Teilweise wurden allein vom Land bis zu 15 000 Sozialwohnungen gefördert. In den letzten Jahren waren es im Schnitt weniger als 300 Wohnungen. 'Damals hat man viel Geld in die Hand genommen. Doch als sich die Situation zu entspannen schien, stieg die Politik sehr schnell wieder aus.'

Der größte Fehler der Wohnraumförderung besteht für Gaßmann darin, dass die Politik nur dann reagiert, wenn ein Thema in den Medien dramatisiert wird. 'Dieses ,Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln? tut dem Wohnungsbau nicht gut. Wohnungen lassen sich nicht einfach so backen, wie man es gerade braucht', kritisiert er und fordert von der Politik mehr Kontinuität in der Wohnungsbaupolitik. Enttäuscht ist der Vorsitzende des Stuttgarter Mietervereins auch zunehmend von jenen Wohnungsbauunternehmen, die sich den sozialen Wohnungsbau auf die Fahne geschrieben haben.

'Viele dieser Unternehmen haben sich längst aus dem geförderten Wohnungsbau verabschiedet, weil es bequemer ist', kritisiert Rolf Gaßmann mit Blick über die Landesgrenzen. 'In anderen Bundesländern seien die Fördergelder viel begehrter. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass sich Wohnungsunternehmen im Land wie Bittsteller fühlen.'

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