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Immobilien regional

Wenn die Wohnung zu günstig ist


Wohnungsmangel. Nicht jeder, der in einer Sozialwohnung lebt, hat auch noch Anspruch darauf. Doch über den sozialen Ausgleich wird seit Jahren diskutiert. Eine Bestandsaufnahme.
Die Zuweisung einer Sozialwohnung in der Landeshauptstadt kommt einem Lotto­gewinn gleich. Rund 4300 Haushalte mit 10000 Personen stehen aktuell in der Vormerkdatei. Und die Liste wird immer länger in Anbetracht rückläufiger Belegrechte und nur marginaler Zuwächse bei den Neubauten im sozialen Wohnungsbau. Verständlich, wenn diejenigen, die einmal das Glück hatten, an so eine verbilligte Wohnung in Stuttgart zu kommen, in dieser auch möglichst lang bleiben möchten. Und auch dann nicht ausziehen, wenn sich ihre Einkommenssituation wieder verbessert hat.



Natürlich verlangt niemand ernsthaft, dass die Menschen dann aus diesen Wohnungen ausziehen. Wohnungsverbände wie Haus & Grund kritisieren aber schon länger die fehlende Anpassung der Miete bei steigendem Einkommen der Mieter. Sie fordern deshalb von der Stadt, beim Land darauf hinzuwirken, wie in Hessen die sogenannte Fehlbelegungsabgabe wieder einzuführen. Im Nachbarland müssen Mieter von Sozialwohnungen seit dem Jahr 2016 eine Mieterhöhung akzeptieren, sobald sie 20 Prozent über den jeweiligen Einkommensgrenzen für eine Sozialwohnung liegen.

Normalerweise läuft das so: Mieter müssen mithilfe eines sogenannten Wohnberechtigungsscheins nachweisen, dass sie die Bedingungen zum Bezug einer mit öffent­lichen Mitteln geförderten Wohnung – im Volksmund auch als Sozialwohnung bezeichnet – erfüllen. In Baden-Württemberg liegt zum Beispiel die Obergrenze für einen Vier-Personen-Haushalt bei einem Jahreseinkommen von 67300 Euro (ab Förderjahr 2008). Nach Schätzungen des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums könnten allein in Stuttgart rund 60 Prozent aller Haushalte einen Wohnberechtigungsschein beantragen.

„Durch die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe wird niemand ausziehen, zumindest könnte aber auf diesem Wege die unberechtigte Mietvergünstigung abgeschöpft werden“, argumentiert Ulrich Wecker. Der Geschäftsführer von Haus & Grund schätzt, dass aktuell in Stuttgart zwischen 4000 und 7000 Sozialwohnungen von insgesamt 14400 davon betroffen sein könnten. Genaue Zahlen hat auch die Landeshauptstadt nicht, „weil diese Zahlen seit zehn Jahren nicht mehr erhoben werden“, heißt es auf Anfrage bei der Stadt.

Ähnlich hoch war diese Zahl schon Anfang der 90er Jahre, erinnert sich der damalige Finanzbürgermeister Klaus Lang, heute der Vorsitzende von Haus & Grund Stuttgart. Damals hatte die Stadt eine Quote von 29,4 Prozent ermittelt. Als Ende 2007 die Fehlbelegungsquote wieder abgeschafft wurde, lag sie nur noch bei 17,3 Prozent. „Für die Stadt war das damals ein gutes Geschäft.“ Sie nahm rund 61 Millionen Euro ein.

Professor Hanspeter Gondring, Leiter der immobilienwirtschaftlichen Studiengänge an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, hält die Schätzungen von Haus & Grund hinsichtlich der betroffenen Sozialwohnungen aber für zu hoch, weil es so viele Ausnahmen in der Berechnung gebe, dass die tatsächliche Zahl tatsächlich deutlich unter 5000 liegen würde. Aber selbst wenn nur 2500 Haushalte in Stuttgart von der Fehlbelegungsabgabe betroffen wären, könnte die Landeshauptstadt jedes Jahr rund 3,2 Millionen Euro Mehreinnahmen erzielen, die dann dem sozialen Wohnungsbau zugutekommen könnten. Er rechnet vor, wie sich die Fehlbelegungsabgabe für einen Haushalt (7,30 Euro Kaltmiete plus 1,40 Euro Fehlbelegungsabgabe) bei einer 75 Quadratmeter großen Wohnung in der Landeshauptstadt auswirken würde. Durch die Fehlbelegungsabgabe stieg die Kaltmiete für eine Sozialwohnung von 547,50 Euro auf 652,50 Euro, also um 105,30 Euro pro Monat kalt.

Aus Sicht der Kommunen ist die Fehl­belegungsabgabe hingegen mit einem hohen organisatorischen und personellen Aufwand verbunden, der „außer dem Kenntnis­gewinn auch nicht sanktioniert werden könnte, da für die Wiedereinführung das Land zuständig wäre. Eine Erhebung der Zahlen erscheint daher nicht sinnvoll zu sein“, heißt es aus dem Stuttgarter Rathaus.

So lag der Verwaltungskostenanteil der aus der Fehlbelegungsabgabe erzielten Einnahmen laut baden-württembergischen Wirtschaftsministerium zuletzt bei rund 32,4 Prozent. In vielen Kommunen habe damit der Verwaltungsaufwand und Kostenanteil in keinem vertretbaren Verhältnis mehr zu den erzielten Einnahmen gestanden.

Gegen eine Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe spricht sich auch Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) aus. Auch aus ihrer Sicht würde mit der Wiedereinführung einer Fehlbelegungsabgabe keine einzige Sozialwohnung frei. Anstatt gegen ursprünglich rechtmäßige Mieter von Sozialwohnungen vorzugehen, sollte besser darüber diskutiert werden, wie das Problem des Mangels an bebaubaren Flächen in den Ballungsräumen des Landes schnellstmöglich gelöst werde, statt Scheindebatten zu führen, führt sie ins Feld.

Aus dem Prinzip der „Sozialgerechtigkeit“ heraus sei eine Fehlbelegungsabgabe aber trotzdem zu rechtfertigen und auch begründet, widerspricht Professor Gondring der Ministerin. „Es sollte aufgrund der Sozialhygiene nicht sein, das ein „sozial bedürftiger Haushalt“ gleich viel Miete aufbringen muss wie der Nachbar mit „relativ höherem Einkommen“, argumentiert er weiter. Die Abkehr von der Fehlbelegungsabgabe wird vom Land und den Kommunen aber auch damit begründet, dass sich die Sozialstrukturen in den vormals gemischten Quartieren durch den Wegzug sogenannter Besserverdienender in dieser Zeit sehr ungünstig entwickelt hatten.

Diese Gefahr sieht Hanspeter Gondring heute für die Quartiere nicht mehr, „weil jede Wohnungsalternative für die sogenannten Besserverdienenden bei einem durchschnittlichen Mietzins für eine vergleichbar große Wohnung im frei finanzierten Wohnungsbau zum Beispiel in der Landeshauptstadt ab rund elf Euro pro Quadratmeter teurer wäre“. Ingo Dalcolmo