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Immobilien regional

Vom Prototyp zur Serienfertigung



Wohnen. Der Weißenhof auf dem Killesberg ist längst zur Pilgerstätte für Bauhaus-Enthusiasten geworden. Doch in Stuttgart gibt es noch drei andere Siedlungen, die einiges dem Original abgeguckt haben.


Seit Jahren versucht die Stadt vom Bund die Weißenhofsiedlung zu erwerben. Bislang scheiterte der Ankauf an den Preisvorstellungen der Bima Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die im Besitz der Gebäude ist. Jetzt ist wieder Bewegung in die Verhandlungen gekommen.



Zumindest wurden Ende letzten Jahres wieder die Gespräche aufgenommen. „Wir haben erste Gespräche geführt, doch zu welchem Ergebnis sie führen, ist noch offen“, kommentierte Samir Sidgi, Vorsitzender der Geschäftsführung der SWSG Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft, den aktuellen Stand der Gespräche anlässlich der Vorstellung von drei weiteren historischen Bauhaussiedlungen in Stuttgart, die in den zurückliegenden Jahren mit großem finanziellen Aufwand modernisiert wurden.

Die berühmte Weißenhofsiedlung in Stuttgart stand dabei quasi Modell für diese Siedlungen in der Landeshauptstadt. Architektonisch gelten sie als Übergang von einer konventionellen Architektursprache zum sogenannten Funktionalismus, der unter Nichtarchitekten oft auch als Bauhausstil bezeichnet wird. Die älteste von ihnen ist die Wallmersiedlung in Untertürkheim. In den aus zwei Siedlungsteilen bestehenden Gebäuden wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem Arbeiter aus den nahen Industriestätten untergebracht. Die zwischen 1927 und 1928 errichtete Ziegelklinge in Stuttgart-Süd diente der Stadt damals für die Unterbringung von Familien von tuberkulosekranken Angehörigen. Im Volksmund hießen die Gebäude deshalb auch Hustenburg. Das letzte Großsiedlungsprojekt, das Stuttgart noch vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 realisieren konnte, war die Inselsiedlung in Stuttgart-Wangen. In den kleinen Zwei- bis Dreizimmerwohnungen – schon damals alle mit Bad und Loggia – wohnten in erster Linie Arbeiter aus der nahen Industrie.

Dass die drei Siedlungen nicht so bekannt sind wie die Weißenhofsiedlung, liegt an den unterschiedlichen Konzepten, erläutert Suse Kletzin, Mitglied des Landesvorstands der Architektenkammer Baden-Württemberg und Vorsitzende der Freunde der Weißenhofsiedlung. So entstand die Weißenhofsiedlung als Bauausstellung. „Es ging darum herauszufinden, was der moderne Mensch zum Wohnen braucht.“ Die anderen Siedlungen plante die Stadt hingegen unter der Prämisse, für wenig Geld möglichst schnell für untere Einkommensschichten Wohnungen zu bauen. „Das eine war quasi der Prototyp, das andere die Serienfertigung.“ Stuttgart sei zu jener Zeit in der Architektur und dem Siedlungsbau weit vorn mit dabei gewesen, beschreibt Suse Kletzin den Wandel zur Moderne. Es war die Zeit der Weimarer Republik. Die Menschen drängten in die Städte, wo es Arbeit, aber keinen Wohnraum gab. „Das ist wie heute.“ Nur damals habe die Stadt sehr viel Geld in die Hand genommen, um in den Wohnungsbau zu investieren. Bis zu 30 Prozent des Wohnungsbaus soll in dieser Zeit die Stadt allein gestemmt haben.

Heute will die Landeshauptstadt wieder an diese Tradition anknüpfen. Geht es nach der aktuellen Mehrheit im Gemeinderat, soll die städtische Wohnungsgesellschaft ihren Bestand von heute 18
000 Wohnungen auf dann 30000 Wohnungen erhöhen. Samir Sidgi, Vorsitzender der Geschäftsführung der SWSG, freut sich, „dass der Wachstumskurs der SWSG vom Gemeinderat unterstützt wird“. Gleichzeitig zerstreut er aber Befürchtungen, dass dies auf Kosten der anderen Wohnungsunternehmen erfolgen könnte. Nach Bekanntwerden des Gemeinderatsbeschlusses im zurückliegenden Jahr hatte insbesondere der Bau- und Wohnungsverein Stuttgart heftige Kritik an dem Beschluss verlauten lassen, weil man befürchtete, künftig bei städtischen Grundstücken das Nachsehen zu haben.

Derweil investiert die SWSG kräftig in die Modernisierung ihres Wohnungsbestandes. Nach der Keltersiedlung in Zuffenhausen und dem Hallschlag im Jahr 2017 präsentierte die SWSG jetzt auf einer Pressefahrt die „Wiedergeburt von drei historischen Bauhaussiedlungen“. So wurden zwischen 2010 und 2015 rund 20 Millionen Euro in die Modernisierung der insgesamt 281 Wohnungen der Wallmersiedlung in Wangen investiert und rund 35 Millionen Euro flossen zwischen 2011 und 2012 in die Modernisierung der 304 Wohnungen in der Inselsiedlung. Derzeit werden noch mit einem Aufwand von rund sieben Millionen Euro die 26 dreigeschossigen Reihenhäuser in der Ziegelklingen modernisiert.

„Die demkmalpflegerischen Auflagen sind extrem streng“, konstatiert Helmuth Caesar, technischer Geschäftsführer der SWSG. So musste gar das handwerklich aufwendige Waffelmuster der Hauszugangswege rekonstruiert werden, obwohl dies in der laufenden Bewirtschaftung alle Beteiligten vor Herausforderungen stellen werde. Die SWSG sei sich aber des hohen Denkmalwertes der Gesamtanlage bewusst und setze im Sinne der Baukultur auf die konstruktive Zusammenarbeit mit den Denkmalbehörden.