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Immobilien regional

„Wir bauen noch wie die Römer“


Trend. Klimaschonend bauen, ohne Ressourcen zu verschwenden. Das „Cradle to Cradle“-Konzept findet in der Bau- und Immobilienwirtschaft immer mehr Anhänger.

„Wir bauen an manchen Stellen noch wie die Römer vor 2000 Jahren“, sagt Peter Mösle, Partner bei Drees & Sommer in Stuttgart. Andererseits gebe es aber heute immer mehr Bauvorhaben, die auf einen ressourcenschonenden Umgang achten. Peter Mösle ist bei seinem Lieblingsthema: „Cradle to Cradle“ – auf Deutsch: von der Wiege zur Wiege.



Dahinter steckt die Idee, verwendete Ressourcen immer wieder in gleicher Güte zu verwenden. Dabei werden die in den Gebäuden gebundenen Materialien so verbaut und zusammengefügt, dass sie ihre stoffliche Güte behalten und am Ende der Nutzung als Ausgangsstoff für neue Produkte dienen, sofern sie schadstofffrei und gesundheitlich unbedenklich sind.

„Das hat aber nichts mit klassischem Recycling zu tun“, betont Peter Mösle. Beim Recycling wird zum Beispiel aus einem Fensterglas irgendwann ein Gurkenglas, das dann irgendwann auf dem Müll landet. Beim „Cradle to Cradle“-Konzept – kurz C2C – wird das Fensterglas wieder zum Fensterglas, erklärt der Ingenieur den Unterschied.

Peter Mösle schätzt, dass durch C2C langfristig nicht nur Ressourcen geschont werden, sondern auch die Materialkosten am Bau sinken könnten. Vor allem vor dem Hintergrund einer zunehmenden weltweiten Rohstoffknappheit gewinne das Thema an Bedeutung.

Mittlerweile wächst die Anzahl der Bauprodukte, die dem C2C-Prinzip entsprechen, stetig weiter. „Die Hersteller achten stärker auf die Kreislauffähigkeit, Innovationskraft und Nachhaltigkeit ihrer Baumaterialien.“ Das zeige, dass „Cradle to Cradle“ in der Immobilien- und Bauwirtschaft längst kein Nischenthema mehr sei, sondern ein etabliertes Konzept.

Peter Mösle weiß, dass er trotzdem noch viele dicke Bretter bohren muss. Seit dem Jahr 2012 beschäftigt sich das Unternehmen mit dem Thema und seiner Anwendung auf die Bauwirtschaft. Seit Anfang des Jahres gehört das weltweit tätige Forschungs- und Beratungsinstitut für umweltverträgliche Produkte, Prozesse und Gebäude von Professor Michael Braungart, die EPEA Internationale Umweltforschung GmbH unter der neuen Firmierung EPEA GmbH – Part of Drees & Sommer, zur Drees & Sommer Firmengruppe. Der aus Schwäbisch Gmünd stammenden Chemiker Michael Braungart hatte zusammen mit William McDonough im Jahr 1998 das „Cradle to Cradle“-Konzept entwickelt. Für die Bau- und Immobilienwirtschaft wird C2C langfristig zur Überlebensfrage, glaubt Mösle. Denn schon heute seien viele von der Bauwirtschaft benötigte Rohstoffe knapp.

Das Edelmetall Kupfer wird zum Beispiel nach Schätzungen von Experten etwa noch für 30 bis 40 Jahre reichen. „Allein in einer Stadt wie Stuttgart ist die Kupferdichte höher als in einer Kupfermine“, macht der Experte die Situation deutlich. Aluminium reiche vielleicht noch 100 Jahre. Zwar werden viele Baustoffe auch heute schon recycelt, darunter auch Kupfer; der Anteil des Baumaterials, der bei einem Abriss des Gebäudes nur noch als minderwertiges Material für den Untergrund im Straßenbau verwendet werden kann, sei aber immer noch viel zu hoch, sagt Mösle.

Das liegt vor allem daran, dass heute die meisten der am Bau verwendeten Produkte nicht mehr in ihren ursprünglichen Gütezustand zurückversetzt werden könnten. Mösle nennt ein Beispiel: Kunststoffe, sogenannte Polymere, sind jeder für sich betrachtet gut recycelbar. Wenn die Stoffe aber Materialverbünde eingehen, dann entsteht ein neuer Stoff, der mit einem derzeit vertretbaren Aufwand nicht mehr sinnvoll getrennt werden kann, so Mösle.

Das ist zum Beispiel beim Dämmmaterial von Hausfassaden der Fall, wo bis zu 20 unterschiedliche Schichten miteinander verklebt werden. Diese Stoffe könne man nur noch mechanisch zu Fußmatten verarbeiten, bevor sie dann irgendwann doch in der Müllverbrennungsanlage landen. „Wir haben uns in den zurückliegenden Jahren viel mit der Energieeffizienz beschäftigt und dabei den Rohstoffeinsatz vollkommen außer Acht gelassen.“ Die meisten der am Bau Beteiligten sehen mittlerweile die Rohstoffproblematik weitaus kritischer als die Energieproblematik. Denn: Die Bauindustrie ist mit einem Anteil von 50 Prozent der größte Verbraucher von Rohstoffen. Hinzu kommt, dass Forscher davon ausgehen, dass sich die sogenannte globale Mittelschicht in den nächsten 20 bis 30 Jahren verdoppeln wird. Das dürfte eine gewaltige Nachfrage auslösen, so die Experten. Schon heute sei der Rohstoffmarkt großen Preisschwankungen ausgesetzt. Stichwort Preise: „Cradle to Cradle“ sei nicht zwangsläufig teurer. Man müsse in die Gebäudeplanung nur am Anfang etwas mehr Grips reinstecken. „Der Klimawandel findet statt. Wir müssen jetzt reagieren. So wie heute noch geplant und gebaut wird, können wir dabei nicht weitermachen“, sagt Peter Mösle. Ingo Dalcolmo