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Renovierungswelle soll Gebäudebestand Klima fit machen

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Die EU-Kommission will Immobilieneigentümer durch strengere Energiesparvorgaben und Standards dazu zwingen, ihren Gebäudebestand bis 2030 Klima fit zu machen. Sie können aber auch auf Finanzhilfen hoffen.


Herta B. aus Stuttgart lebt seit 50 Jahren in ihrem Haus in der Nähe von Stuttgart. Die Heizung müsste längst auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Als sie es damals zusammen mit ihrem Mann baute, dachte noch niemand an Klimaschutz. Doch solange noch alles "tadellos" funktioniert, will die Rentnerin alles so lassen, wie es ist. "Das können meine Kinder dann richten". So wie in diesem fiktiven Beispiel denken über 50 Prozent der Deutschen, hat eine Umfrage unter 424 Hausbesitzern ergeben.

Dem Umweltministerium Baden-Württemberg ist diese Einstellung schon lange ein Dorn im Auge. Schließlich entfallen mehr als zwei Drittel des Energieverbrauchs in den privaten Haushalten auf die Raumheizung und das Warmwasser. Und das verursache rund 30 Prozent des CO2-Verbrauchs. Der Fachverband Sanitär-Heizung-Klima SHK schätzt, dass von den rund zwei Millionen Heizungsanlagen in Baden-Württemberg über eine Million Anlagen 15 Jahre und noch älter und sanierungsbedürftig sind. "Diese Anlagen arbeiten aufgrund ihres Alters unwirtschaftlich und belasten die Umwelt", sagt Joachim Butz, Vorsitzender des SHK-Fachverbandes. Durch den Einbau neuerer und effizienter Heizungsanlagen könnten darüber hinaus bis zu 30 Prozent Brennstoff im Jahr eingespart werden, so der Verband.

Unterstützung kommt jetzt von der EU-Kommission. Die will im Rahmen ihres Green Deals eine Renovierungswelle auslösen, um den Gebäudebestand bis 2030 Klima fit zu machen. Das Ziel: Statt bisher etwa ein Prozent pro Jahr sollen laut EU-Kommission zwei Prozent modernisiert werden. Dann könnten die Klimaabgase gegenüber 1990 um 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden, so die Schätzung. Dazu müsste aber der CO2-Ausstoss aus Gebäuden um 60 Prozent gesenkt und der Energiebedarf um 14 Prozent verringert werden.

Damit die Renovierungswelle funktioniert, sollen künftig strengere Auflagen für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden gelten. Durch die Verschärfung - so glaubt die EU-Kommission - werde es bei Renovierungen im öffentlichen wie auch privaten Sektor einen Schub nach vorne geben. Nach Angaben der Kommission müssten dazu allerdings europaweit rund 275 Milliarden Euro in die Renovierung von Gebäuden investiert werden. Vor allem in neue Heizsysteme, Fenster oder eine funktionierende Dämmung. Das Geld dafür soll unter anderem auch aus dem Corona-Aufbauplan "Next Generation EU" kommen. Außerdem soll die Förderung gezielter und zugänglicher werden. Dazu müssten allerdings für Renovierungsprojekte die Kapazitäten ausgebaut werden.

So richtig konkret ist Brüssel mit seiner Renovierungswelle aber noch nicht geworden. Sicher scheint derzeit nur, dass konkreten Änderungsvorschläge nächstes Jahr vorgestellt werden sollen. Dabei soll es um verbindliche energetische Mindeststandards für Neu- und Bestandsgebäude gehen, vereinheitlichte europäische Energieausweise, digitale Gebäudelogbücher und Sanierungsausweise für Gebäude.

Vor allem der Wärmedämmung von Altbauten kommt laut Umweltministerium Baden-Württemberg eine zentrale Bedeutung zu. So ließen sich durch die Dämmung von Dach, Wänden und der Kellerdecke sowie durch das Einsetzen neuer Fenster die Wärmeverluste um 75 bis 80 Prozent reduzieren. In den kommenden Monaten sollen entsprechende nationale Gesetze auf den Weg gebracht werden, heißt es aus Brüssel weiter.

Begrüßt wird die von der EU-Kommission geplante Renovierungswelle von der Grünen-Partei und der Deutschen Umwelthilfe. Die fordert gar, die jährliche Sanierungsrate von derzeit jährlich ein Prozent auf drei Prozent zu erhöhen. Öffentliche Gebäude könnten hier eine Vorreiterrolle übernehmen, so die Umwelthilfe weiter.

Kritik an der EU-Renovierungswelle kommt nicht nur von Seiten der Haus- und Grundbesitzer. Deren Spitzenvereinigung warnt vor einem unbezahlbaren Irrweg und kritisiert den europäischen Klimaaktionismus. Die Kommissionspläne würden die Kosten des Wohnens weiter massiv in die Höhe treiben, ohne die Folgen für Eigentümer und Mieter zu berücksichtigen, so Ottmar H. Wernicke, Geschäftsführer von Haus & Grund Württemberg.

Skeptisch äußerte sich auch der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Die Energiewende könnte zum sozialen Spaltpilz werden. Um die hoch gesteckten Klimaziele zu realisieren, sei eine wirksame finanzielle Unterstützung unabdingbar. Sonst werde Klimaschutz beim Wohnen gleichbedeutend mit Mieterhöhungen bis hin zur Verdrängung, so der GdW Präsident Axel Gedaschko.

Zwar stehe auch das Deutsche Baugewerbe als „wichtiger Konjunkturmotor“ in der Corona-Krise bereit, die Renovierungswelle umzusetzen. Überzogene Auflagen würden die Nachfrage aber hemmen und wären damit kontraproduktiv. Bei der Entwicklung der Mindeststandards sei Augenmaß von der EU-Kommission gefordert, so Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe.