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Immobilien regional

Eine Frage der Erde

Erddeponien. Die rege Bautätigkeit in der Region Stuttgart führt zu Engpässen bei den Erddeponien. Das Land sieht hingegen derzeit ausreichende Deponiekapazitäten.


'Gerade ist nicht viel los', sagt Helmut Eitelbuß. Der technische Leiter des Ehninger Kies- und Steinwerks zeigt auf die Auffüllung zur Rekultivierung. Doch die Ruhe ist nur von kurzer Dauer. Während eine Raupe gemächlich den Dreck, den vor kurzem noch ein Lkw abgeladen hat, den Hang hinunter schiebt, kommt schon der nächste Lkw mit Erdaushub, um ihn hier abzuladen.

Das Ehninger Werk ist derzeit eine von 306 Anlagen in Baden-Württemberg, die unbelasteten Erdaushub verarbeiten dürfen. Zu wenig, beklagt Dieter Diener, Geschäftsführer der Landesvereinigung Bauwirtschaft, die Situation für die Bauunternehmen. Die Folge der Deponieknappheit aus Sicht der Bauwirtschaft: manche Mitgliedsunternehmen müssten den Bodenaushub mittlerweile bis nach Bayern karren, um ihn zu entsorgen. 'Die weiten Wege führen zu einer stärkeren Belastung der Straßen und höheren Schadstoff- und Lärmemissionen sowie steigenden Transportkosten', so Diener.

Beim Umweltministerium des Landes wird das anders gesehen. Ausgehend vom derzeitigen Mengenaufkommen seien ausreichende Deponiekapazitäten für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren vorhanden. Das will die Bauwirtschaft auch gar nicht bestreiten. 'In der Summe passt es', sagt Diener. Probleme gebe es nur in bestimmten Regionen. Und zwar denjenigen, in denen eine hohe Bautätigkeit stattfindet wie zum Beispiel im Großraum Stuttgart. 'Von einem Engpass könne keine Rede sein', sagt indes das Umweltministerium und spielt den Ball an die Bauwirtschaft zurück. Grundsätzlich seien Abfallerzeuger verpflichtet, sich um die Verwertung zu kümmern. So könne ein Großteil des mineralischen Bodenaushubs - sofern unbelastet - im Erdbau genutzt werden. Dabei könne es durchaus auch mal zu längeren Transportwegen kommen, wenn sich wirtschaftlich attraktivere Verwertungsmöglichkeiten in größerer Entfernung fänden.

Was passieren kann, wenn es auf der Deponie eng wird, haben Bauunternehmer wie Roland Maier aus Herrenberg erleben müssen. Wenn's gar nicht mehr anders ging, wurde auch schon mal der Bauaushub auf dem Nachbargrundstück zwischengelagert oder gleich auf eine weiter entfernte Deponie gefahren. 'Doch das hat den Erdaushub vor allem für den privaten Häuslebauer deutlich verteuert. Von den Umwelt- und Verkehrsbelastungen ganz zu schweigen', sagt Maier. Einige seiner Kollegen hätten in der Vergangenheit sogar neue Aufträge ablehnen müssen, weil sie nicht wussten, wo sie mit dem Erdaushub hinsollten. 'Den Auftrag einer Kundin habe ich nur angenommen, nachdem sie sich selbst um eine Deponie für den Erdaushub gekümmert hatte', erinnert sich der Herrenberger Bauunternehmer.

Dieter Diener sieht in Sachen Deponieknappheit in erster Linie die Städte und Landkreise in der Pflicht, gegebenenfalls durch vertragliche Verpflichtungen für eine angemessene Entsorgungssicherheit auch über die Landkreise hinweg zu sorgen, um die Preisspirale für Bauaushub sowie den drohenden Transporttourismus zu stoppen.

'Das Problem hat viele Facetten', versucht hingegen Wolf Eisenmann zu erklären. Der Erste Landesbeamte und Chef der Abfallwirtschaftsbetriebe im Landkreis Böblingen sah sich erst vor kurzem dem Vorwurf ausgesetzt, der Landkreis würde die Bauwirtschaft in diesem Punkt im Regen stehen lassen. Nach Ansicht Eisenmanns sei es nur eine Scheinlösung, wenn Kommunen oder Landkreise mit weit entfernten Deponien Verträge abschließen. 'Dann kann man es gleich so wie in Karlsruhe machen.' Die haben ihre Deponiegebühren derart angehoben, dass überhaupt keine Nachfrage mehr bestehe.

Mittlerweile hat sich die Situation im Landkreis Böblingen wieder entspannt. Helmut Eitelbuß kennt die Diskussion seit Jahren. Erst vor kurzem hat sich sein Arbeitgeber, die Baresel Kies- und Steinwerke, mit dem Landkreis darüber verständigt, die nächsten zehn Jahre jedes Jahr bis zu 150 000 Kubikmeter unbelasteten Erdaushub - das entspricht etwa dem Erdaushub von 500 Einfamilienhäusern - auf der Deponie Ehningen abzunehmen, ohne dafür von den Bauunternehmen im Gegenzug die Abnahme von Kies und Schotter zu verlangen.

Auch mit einem Steinbruch zwischen Renningen und Magstadt hat der Landkreis ein Kontingent von 115 000 Kubikmetern über 30 Jahre zu den gleichen Konditionen vereinbart. Dadurch soll gewährleistet werden, dass zumindest der private Bauherr auch in Zukunft seinen Erdaushub nicht bis nach Bayern oder in den Osten Deutschlands fahren muss. Dafür ist die Menge pro Baumaßnahme auf maximal 300 Kubik­meter beschränkt. Das entspricht etwa dem durchschnittlichen Erdaushub bei einem Einfamilienhaus.

Der Landkreis Ludwigsburg betreibt mit der Deponie Froschgraben in Schwieber­dingen eine eigene Deponie. Hier kann unbelasteter Erdaushub aus dem Landkreis jederzeit und unbeschränkt angeliefert werden, so Albrecht Tschackert, Leiter der Abteilung Deponie und Energietechnik bei der AVL Abfallverwertungsgesellschaft Ludwigsburg. Darüber hinaus gebe es fünf weitere private Steinbrüche, die ebenfalls unbelasteten Erdaushub annehmen. Hier gebe es allerdings Mengenbeschränkungen, so Tschackert.

Doch solange noch so viel gebaut wird, wird sich die Situation nicht wirklich entschärfen, glaubt Jürgen Laukemper. Der Partner und Geschäftsführer beim Beratungsunternehmen Drees & Sommer ist sich sicher, dass als eine Folge der regen Bau­tätigkeit in der Region vor allem die Preise in Zukunft weiter ansteigen werden. Ein Beispiel: kostete der Erdaushub einschließlich Deponierung bis vor ein paar Jahren noch rund 2500 Euro für ein Einfamilienhaus, muss man heute durchaus bis zum vierfachen Betrag kalkulieren.

Ein Grund: viele Jahre herrschte zwischen privaten Deponiebetreibern und Bauunternehmern eine Win-win-Situation. Solange der Straßenbau im Land florierte, konnte genügend Kies und Schotter abgebaut werden. Und die Steinbrüche nahmen gern den Erdaushub, den sie zum Wiederauffüllen und Rekultivieren der Steinbrüche benötigten. Entsprechend moderat war die Preisgestaltung.

Das Land setzt in der Frage der Deponien für Erdaushub derzeit auf inter­kommunale Zusammenarbeit. Das Credo: 'Lieber mal ein Stück weiter fahren, als eine neue Deponie aufzumachen', auch wenn das nicht immer so reibungslos funktioniert, wie die jüngsten Proteste aus Horb zeigen. Dort regte sich Widerstand in der Bevölkerung, weil Bodenaushub von einer Stuttgart-21-Baustelle in einem örtlichen Steinbruch verfüllt wird.

» Stuttgart 21
Bei dem Bahnprojekt Stuttgart 21 fallen nach Angaben des Kommunikationsbüros in den nächsten Jahren rund 20 Millionen Tonnen Steine und Erde an.

Allein für die Talquerung mit Hauptbahnhof, den Fildertunnel und die Zuführungen Feuerbach, Bad Cannstatt mit S-Bahn und den Zuführungen in Ober- und Untertürkheim werden rund acht Millionen Tonnen Erdaushub anfallen.

Aktuellen Unterlagen des Kommunikationsbüros zufolge werden während der Bauzeit jeden Tag zwischen 5000 und 10 000 Tonnen Erdaushub auf dem Schienenweg abtransportiert. In Spitzenzeiten kann sich dieser Wert bis auf 15 000 Tonnen erhöhen. Ein Zug fasst dabei rund 1000 Tonnen Erdaushub. Das entspricht etwa 40 Lkw. Ein Großteil des Erdaushubs bleibt laut Kommunikationsbüro in Baden-Württemberg. Ein Fünftel des gesamten Erdaushubs wird per Zug nach Thüringen und Sachsen-Anhalt in die ehemaligen Kalihalden gebracht.

Aktuell verteilt sich die Deponierung wie folgt: Süd-Baden-Württemberg 47 Prozent, Schwäbisch Hall (mit Steinbruch Wilhelmsglück in Michelbach) 24 Prozent, Thüringen/Sachsen-Anhalt 20 Prozent, Ost-Baden-Württemberg fünf Prozent, der Großraum Stuttgart drei Prozent und das Saarland/Rheinland-Pfalz rund zwei Prozent.

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