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Ungeliebter Energieausweis

Umwelt. Seit gut einem Jahr müssen Vermieter oder Verkäufer einer Wohnung dem Mieter oder Käufer einen Energieausweis vorzeigen. Doch für den interessieren sich nur wenige. Zu kompliziert - zu ungenau, heißt es.


Eigentlich soll der Energieausweis Mietern oder Käufern einer Wohnung darüber Auskunft geben, wie hoch der Energieverbrauch ist. Ähnlich wie beim Energielabel für eine Waschmaschine. Doch was bei einem Kühlschrank noch funktionieren mag, erntet in der Immobilienbranche mittlerweile nur noch Kopfschütteln ob der deutschen Regulierungswut.

'Wegen des grünen Balkens kauft keiner eine Wohnung', bringt Robin Frank von der Immobilientochter der BW-Bank den Nutzen des Energieausweises auf den Punkt. Natürlich wird trotzdem von jedem Immobilienverkäufer die Vorlage dieses Ausweises verlangt. 'Das funktioniert in der Regel auch', sagt Frank. Zumal bei den Wohnungseigentümergemeinschaften diese Energieausweise oft schon länger vorliegen würden.

Nur beim Verkauf von Einfamilien­häusern müssten die BW-Bank-Berater das manchmal den Leuten noch erklären. 'Es gibt wenige, die sich weigern. Andererseits würde sich auf der Käuferseite auch kaum jemand dafür interessieren. Die Pflicht, in Verkaufsofferten auf die Energiewerte hinzuweisen, hat sich nach Ansicht von Robin Frank bei den professionellen Maklern längst eingespielt. Spannend dürfte es jetzt bei den privaten Verkäufern werden, die seit 1. Mai dieses Jahres ebenfalls dazu verpflichtet sind, merkt der Immobilienfachmann an.

Bei Wolfgang Link von Link Immobilien hat sich das Thema 'komplett eingespielt'. Der Immobilienmakler aus Stuttgart-Sillenbuch bestätigt aber auch die Erfahrung seiner Kollegen, dass die Nachfrage nach dem Energieausweis auf der Käuferseite sehr gering sei. 'Nur jeder fünfte würde aktiv nach dem Ausweis fragen', so Link. Im Moment sei der Markt für Wohnimmobilien so eng, dass es den Leuten im Prinzip 'völlig wurscht' sei, was der Energieausweis aussagt. Für die Käufer sei das eine Nebensächlichkeit und für die Verkäufer ein zusätz­licher bürokratischer Aufwand, der nur Geld koste.

Dieses Desinteresse führt Stephan Scheibe von Dr. Lübke & Kelber vor allem darauf zurück, dass den Energieausweis 'fast keiner versteht'. Außerdem sei er in den meisten Fällen wenig sinnvoll, da die gekauften Häuser meistens anschließend umfangreich saniert würden. 'Und dann ist der Energieausweis Makulatur.' Die Nachfrage nach diesem Ausweis liegt bei Dr. Lübke & Kelber etwa bei 50 Prozent der Käufer.

Dennis Gärtner von Lauser Immobilien aus Stuttgart-Sonnenberg stellt zum Beispiel immer wieder fest, dass offenbar viele Immobilienbesitzer gar nicht wissen, dass sie sich um einen Energieausweis kümmern müssen, wenn sie eine Wohnung vermieten oder verkaufen wollen. Seitens der Mieter sei das Interesse an diesem Ausweis gleich null, wohingegen das Interesse von Käufern an einem Energieausweis etwas größer ist, obwohl der Ausweis schon seit über einem Jahr ein Thema sei, so seine Feststellung.

Professor Stephan Kippes, Professor für Immobilienmarketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt HfWU in Nürtingen-Geislingen, deutet diese Zahlen so, dass der Energieausweis beim Endverbraucher auch nach Jahren noch nicht angekommen sei. 'Die Akzeptanz ist erschreckend niedrig', so Kippes. Das liege darin, dass die meisten Kunden die Begrifflichkeit nicht verstehen und mit den Aussagen nichts anfangen können. Darüber hinaus bedeute der Energieausweis eine erhebliche Belastung für den Makler. Der 'Marktmonitor Immobilien 2015', eine aktuelle Studie der HfWU in Zusammenarbeit mit 'immowelt.de', bestätige das.

Der hat ermittelt, dass etwa nur die Hälfte aller Eigentümer einen Energieausweis besitzt, wenn der Makler seine Arbeit aufnimmt. 'Viele Eigentümer überlassen die Formalitäten offenbar gerne dem Makler', so die Vermutung von Stephan Kippes. Betrachte man den Zeitpunkt, zu dem Makler den Energieausweis Interessenten vorlegen, zeige sich, dass fast 90 Prozent der Makler den Energieausweis zusammen mit dem Exposé oder aber spätestens bei der Besichtigung vorlegen. 13 Prozent der Makler - so die Studie - würden sich regelwidrig verhalten, da sie den Energieausweis erst bei der Vertragsunterzeichnung (sieben Prozent) oder gar nicht (sechs Prozent) vorlegten.

Auch bei Haus & Grund Stuttgart hält man die Aussagekraft des Energieausweises nach wie vor für fragwürdig, so Geschäftsführer Ulrich Wecker. Denn beim verbrauchsabhängigen Ausweis stehe das individuelle Nutzerverhalten im Mittelpunkt. Wohnte im Erstellungsbereich zufällig ein Mieter mit einem hohen Verbrauch in der Wohnung, werde das tatsächliche Verbrauchsbild verzerrt. Auch der sogenannte Bedarfsausweis sei eigentlich nur ein grobes Raster. 'Wir empfehlen Käufern wie Mietern, sich das Objekt anzusehen und sich selbst ein Bild vom Energieverbrauch zu machen. Mit einem geschulten Blick erkennt man, ob ein Objekt energetisch angepasst ist oder nicht.' Zwar werde der Energieausweis immer als Wunderwaffe verkauft, in Wirklichkeit sei der Erkenntniswert aber gering, so Wecker.
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