Aspen RapidWeaver 8 Blog Style
<i>Immobilien</i> <i></i> <i>regional</i>

Immobilien regional

"Neue Heimat" lässt grüßen


Auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum in den großen Städten diskutieren Politiker derzeit im deutschen Bundestag wieder über die Gemeinnützigkeit von Wohneigentum. Die Wohnungswirtschaft ist skeptisch, zumal viele sich noch an den Skandal rund um die Neue Heimat in den 80er Jahren erinnern können.


Wer wenig verdient, eine große Familie hat oder nur über eine kleine Rente verfügen kann, tut sich auf dem Wohnungsmarkt vor allem in den großen Städten schwer. Das Angebot ist seit vielen Jahren knapp und die Mieten steigen unaufhörlich. Deshalb haben der Tübinger Bundestagsabgeordnete Chris Kühn und die Berliner Bundestagsabgeordnete Lisa Paus (beide von den Grünen) gemeinsam mit weiteren Fraktionskollegen einen Gesetzentwurf eingebracht, der den kommunalen Wohnungsbau in Deutschland stärken soll. Die Idee: Wohnungsunternehmen sollen steuerlich begünstigt werden, wenn sie dauerhaft grünstigen Wohnraum an Arbeitslose, Studierende oder junge Eltern vermieten.

Dieses Konzept erinnert stark an die "Neue Heimat". Europas größter gemeinnütziger Wohnungsbaukonzern in DGB-Hand zerbrach, nachdem der Spiegel 1982 Missmanagement und Selbstbereicherung enthüllte. Kontrollfunktionen wie Mietermitsprache, die Evalution durch das Bundesfinanzministerium und regelmäßige Berichtspflichten sollen laut Chris Kühn, einem der Väter des Entwurfs, Wohnungsfilz wie bei der "Neuen Heimat" künftig verhindern.

Wenig überzeugte Verbände

Die wohnungswirtschaftlichen Interessensverbände sind von dem Vorschlag der Grünen wenig überzeugt. Der vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen hält die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum zwar ebenfalls für eine zentrale Frage der heutigen Zeit. Verbandsdirektorin Dr. Iris Beuerle bezweifelt aber, dass dies durch eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit gelöst werden könnte. Wichtiger sei es, dass die Kommunen im Land flächendeckend auf Konzeptvergaben statt auf Höchstpreisgebote bei Grundstücksvergaben setzen. Und: gemeinwohlorientierte Unternehmen müssten sie aber auch Gewinne erwirtschaften dürfen, wenn sie ihre ökonomischen, ökologischen und sozialen Ziele erfüllen sollen.

Zustände wie zu Zeiten der DDR


Denn erst durch die Aufhebung der Gemeinnützigkeit sei es den Wohnungsunternehmen im Land möglich geworden, großflächig ihren Wohnungsbestand zu sanieren, sagt Thomas Wolf, Vorstandsvorsitzender des Bau- und Wohnungsvereins Stuttgart. Viele Wohnungsunternehmen im Land subventionierten heute durch den Bau und Verkauf von Eigentumswohnungen Modernisierungsmaßnahmen und günstige Mieten. "Sonst wären heute unsere Bestände im gleichen Zustand wie in der ehemaligen DDR". Für ihn ist der Gesetzentwurf nicht zu Ende gedacht. So seien viele rechtliche und steuerliche Fragen bei einem Wechsel in die Gemeinnützigkeit noch offen. "Was passiert zum Beispiel mit den „alten Mietverträgen“, wie sind steuerliche Übergangsregelungen zu gestalten?“

Bund und Länder müssen erst ihre Hausaufgaben machen

Bund, Länder und Kommunen müssten erst gemeinsam ihre Hausaufgaben machen, fordert indes Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Neben einer stärkeren sozialen Wohnraumförderung auf 2,5 Milliarden Euro jährlich, müsse auch mehr für eine langfristig gute Bodenvorratspolitik getan werden. Hier gebe es derzeit noch viele ideologische Vorbehalte. Gedaschko sieht in dem Gesetzentwurf allerdings auch positive Ansätze. So wäre die Förderung des Ankaufs von Belegungsbindungen ein schnelles und preiswertes Mittel für mehr sozialen Wohnungsbau.

Josef Vogel, geschäftsführender Vorstand der Landes-Bau-Genossenschaft Württemberg eG (LBG) stellt fest, dass es nicht an geeigneten Förderprogrammen fehle, sondern vor allem an den Rahmenbedingungen wie zum Beispiel hohen Auflagen und den damit verbundenen Kosten.  So hat sich die LBG aus ihrem Engagement im Stuttgarter Neckarpark Ende letzten Jahres verabschiedet, nachdem dort trotz Vergünstigungen beim Grundstückspreis bezahlbarer Wohnraum nicht mehr abbildbar war.  "Das lässt sich insbesondere mit den Verzögerungen der Bezugsfertigstellung einhergehend mit Preiserhöhungen in der Bauindustrie nicht mehr wirtschaftlich rechnen", so Josef Vogel. Die LBG-Mieten (Nettokaltmiete) liegen im Schnitt aktuell bei 6,20 Euro pro Quadratmeter, direkt in Stuttgart bei 6,77 Euro pro Quadratmeter, während in Stuttgart Marktmieten mit bereits über 15 Euro pro Quadratmeter für Bestandswohnungen aufgerufen würden. "Wir betrachten unsere Wohnungen als Sozialgut und nicht nur als Wirtschaftsgut", rechtfertigt er die niedrigen Mieten, „neben Sozialwohnungen müssen vor allem für die Mittelschicht bezahlbares Wohnen geschaffen und erhalten werden.“

Verstaatlichung des Wohnungsbaus wird befürchtet

Beim ivd, der Berufsorganisation und Interessensvertretung der Immobilienwirtschaft, befürchtet man, dass durch die Vorschläge der Grünen zur neuen Wohngemeinnützigkeit nur die Verstaatlichung des Wohnungsbaus weiter vorangetrieben werde. Abgesehen von der eingeschränkten Wirksamkeit der Steuern auf die Wohnungsunternehmen würden sich auch die privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsunternehmen Steuererleichterungen bei der Förderung von Wohneigentum wünschen, so Jürgen Michael Schick, Präsident des Verbandes. Die Grünen sehen das anders. Eine Studie der Kiehle-Beratung im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen kommt zu dem Schluss, dass mit dem Programm Neubaumieten von sechs bis acht Euro wirtschaftlich und dauerhaft umsetzbar wären.


Stichwort "Neue Heimat"

Zwischen 1966 und 1973 war die "Neue Heimat" Europas größter Wohnungsbaukonzern und in der Hand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Der Konzern erwirtschaftete in seiner Blütezeit einen jährlichen Umsatz von 6,4 Milliarden DM und hatte fast 6000 Beschäftigte in mehr als 100 Tochterunternehmen im In- und Ausland. Die Ölkrise beendete den Aufstieg je: Anfang der 70erJahre galt der Wohnungsmarkt als ausgeglichen, Leerstand drohte vor allem in den Großsiedlungen am Stadtrand. Nach den Enthüllungen des Spiegels über Missmanagement und Selbstbereicherung wurde im Jahr 1990 die Neue Heimat hochverschuldet abgewickelt und darauf hin die steuerliche Förderung gemeinnütziger Wohnungsunternehmen in Deutschland abgeschafft.