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Immobilien regional

Widerstand gegen Ansiedlung der Industrie bröckelt

Gewerbegebiete. Lange Zeit haben die Kommunen in der Region Stuttgart den Flächenbedarf der Industrie ignoriert. Immobilienspezialisten und Wirtschaftsförderer mahnen, trotz Konjunkturflaute neue Flächenpotenziale in Angriff zu nehmen. Anderswo ist die Ausweisung neuer Gewerbegebiete leichter.

Kornwestheim, Bietigheim-Bissingen – die Liste gescheiterter Versuche in der Region Stuttgart, größere Gewerbegebiete anzusiedeln, ist lang. Nach wie vor ist die Wirtschaftsregion Stuttgart von einer Unterversorgung an modernen und flexiblen Logistik- und Produktionsflächen geprägt, sagt Markus Knab.

„Wenn es jetzt nicht gelingt, den Strukturwandel und Transformationsprozess sowohl in der Produktion als auch in der Automobilindustrie durch ein ausreichendes Angebot an Industrie- und Logistikflächen mit abzusichern, wird es noch mehr Arbeitsplätze kosten als die Pandemie ohnehin vernichtet“, ist sich der Industrie- und Logistikmakler von E und G Real Estate in Stuttgart sicher.

Bedarf in der Region Stuttgart beträgt rund 500000 Quadratmeter

Seit über 20 Jahren analysiert Knab den Markt. „In den nächsten fünf Jahren werden allein in der Region Stuttgart 500000 Quadratmeter von der Industrie für neue, moderne Produktions- und Logistikstätten zusätzlich benötigt“, rechnet er. Als Ursache sieht er gerade den Umbau der Automobilindustrie vom Verbrennungsmotor zur E-Mobilität. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die bestehenden Produktionsanlagen deshalb nicht von heute auf morgen wegfallen“, erklärt der Immobilienexperte den erhöhten Bedarf an Flächen.

„Vor Corona war den meisten Bürgermeistern in der Region Stuttgart das Hemd näher als die Hose. Sie gingen lieber den Weg des geringsten Widerstandes“, sagt Knab. Andererseits hätten die Kommunen immer wieder auch vollkommen falsche Vorstellungen von Industrie- und Logistikansiedlungen. „Viele Bürgermeister und Gemeinderäte träumen von absoluten Topfirmen mit störungsfreiem wie arbeitsplatzintensiven Gewerbe auf ihrer Gemarkung. Doch das ist eine Illusion.“

Walter Rogg, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart, warnt ebenfalls vor den Folgen einer verfehlten Ansiedlungspolitik in der Region. Viele Versuche vom Verband Region Stuttgart, größere Flächen zu aktivieren, scheiterten in den zurückliegenden Jahren immer wieder an den Einsprüchen der Kommunen und der Stimmung in der Bevölkerung.

„Es muss deutlich mehr passieren“, warnt Rogg. Denn diejenigen Unternehmen, die in den nächsten fünf Jahren für ihre neuen Produkte keinen Platz finden, werden für immer weg sein. „Und dann haben wir hier ein Industriemuseum“, warnt er. Der oberste Wirtschaftsförderer der Region mahnt, sich von der aktuell zögerlichen Konjunktur nicht beeinflussen zu lassen. „Wenn wir jetzt glauben, keine Flächenvorsorge betreiben zu müssen, laufen wir Gefahr, in zwei Jahren ausverkauft zu sein.“ Rogg erinnert daran, dass die Entwicklung neuer Industrieflächen fünf Jahre und länger dauern könne.

Mittlerweile bröckelt der Widerstand gegen Industrieansiedlungen auf der Seite der Kommunen. Durch Corona seien die Gesprächspartner in den Kommunen nachdenklicher geworden. Sätze wie „kommen Sie mir nicht mit Arbeitsplätzen, wir haben doch genügend“, habe er seit Corona schon lange nicht mehr aus den Kommunen gehört.

„Ich denke, dass sich dieser Trend noch verstärken wird“, so Rogg. Vor allem dann, wenn weitere Firmen den Standort verlassen, werde die Nachdenklichkeit weiter zunehmen.

Heidelberg und Leimen gründen Zweckverband für Gewerbegebiet

Anderswo im Land ist es leichter, Industrie und Gewerbe neue Flächen anzubieten. So haben Heidelberg und Leimen jüngst einen gemeinsamen Zweckverband gegründet, um das größte interkommunale Gewerbegebiet in der Metropolregion Rhein-Neckar zu realisieren. Es soll eine Fläche von fast 100 Hektar umfassen – das entspricht etwa 140 Fußballfeldern.

Die Zusammenarbeit von Kommunen ist vielerorts hilfreich, um die Hürden zu nehmen. So planen etwa auch die große Kreisstadt Horb am Neckar und die Gemeinde Empfingen gemeinsam ein interkommunales Industrie- und Gewerbegebiet. Die dafür vorgesehene Fläche, rund 30 Hektar, liegt unmittelbar an der Bundesautobahn A81.

Davon kann Wirtschaftsförderer Rogg nur träumen. Trotzdem ist er zuversichtlich, dass die Pandemie die Bereitschaft in den Kommunen in der Region Stuttgart schaffen könnte, Flächen bereitzustellen. „Wir führen derzeit eine ganze Reihe guter Gespräche, in denen es um die Ausweisung neuer, leistungsfähiger Gewerbegebiete entlang der Verkehrsachsen geht.“ Der oberste Wirtschaftsförderer der Region macht aber auch deutlich, dass die Region deshalb trotzdem verantwortungsvoll mit der knappen Ressource Fläche umgehen müsse.

(Erschienen im Staatsanzeiger am 31. Juli 2020)