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Immobilien regional

„Der Bebauungsplan kann nicht alle Probleme der Stadt lösen“


Der Wohnungsmangel ist in der Landeshauptstadt allgegenwärtig. Doch einfach
nur zu bauen, ob in der Fläche oder nach oben, kann nicht die Lösung sein,
sagte Detlef Kron. Der Stadtplaner plädiert indes dafür, jede Gelegenheit
zu nutzen, neue „Wohnfenster“ in der Stadt zu schaffen, auch wenn sie „nur“
auf einem Supermarkt oder auf einem Einkaufscenter entstehen.

Wenn Detlef Kron aus dem Fenster seines Besprechungszimmers im fünften
Stock des Stadtplanungsamtes in Stuttgart schaut, blickt er direkt auf die
neue städtische Kindertagesstätte auf dem Dach der ehemaligen
Rathausgarage. Der Flächenmangel in der Landeshauptstadt ist allseits
bekannt und so werden längst nicht nur alte Bahn- und Industrieflächen für
den Stadtumbau genutzt. Selbst „suboptimale“ Flächen wie großflächige
Einkaufszentren, Discountmärkte oder Parkplätze bekommen „etwas aufs Dach“.
Die Nutzung von Dächern ist aber kein neuer Trend. „Wir machen so etwas in
Stuttgart schon seit 20 Jahren“, erklärt der Leiter des Amtes für
Stadtplanung und Wohnen.



Das erste Projekt dieser gemischten Nutzung, erinnert sich der promovierte
Stadtplaner, war schon vor Jahren der Europaplatz am Fasanenhof. Bei dem
weiteren Projekt mit Aldi in Gablenberg seien rund 40 neue Wohnungen
entstanden. Mittlerweile sei diese Art der Aufstockung Gang und Gäbe, sagt
Detlef Kron. So entstanden in den letzten Jahren rund 90 Wohnungen allein
auf dem Gerber und 425 Wohneinheiten auf dem Dach des Milaneo. Plus ein
Hotel mit 165 Zimmern.  Auch das Dorotheenquartier kann mit Wohnungen, wenn
auch im luxuriösen Bereich, punkten.

Derzeit werden an verschiedenen Stellen in der Landeshauptstadt weitere
Projekt zusammen mit Discounterketten wie Lidl, Aldi oder Rewe entwickelt.
„Das ist eine Win-Win-Situation“, erklärt der Stadtplaner. Der Supermarkt
kann durch den notwendigen Neubau seine Verkaufsfläche erweitern, die Stadt
profitiere von den zusätzlichen Wohnungen. „Wir haben dafür aber kein
fertiges Konzept in der Tasche“, erklärt Detlef Kron. Oft gehe es dabei um
bestehende Märkte, die in die Jahre gekommen sind. Das heißt, die
Verkaufsflächen sind zu klein und müssten eigentlich erweitert werden.
Bevor die Stadt aber ihr ok gebe, würden Gutachten in Auftrag gegeben, die
dann zuerst prüfen, ob die geplante Erweiterung für die angrenzenden
Stadtbezirke verträglich sei.

Andererseits fordere die Stadtentwicklungsplanung, dass das Wohnen auch auf
solchen Arealen ermöglicht werde. „Und das verlangen wir dann auch von den
Bauherren“, räumt Kron freimütig ein. Schließlich soll das urbane Wohnen in
der Stadt weiter vorangetrieben werden. „Wir wollen, dass die Leute zu Fuß
oder mit dem Fahrrad kommen“.

Erstaunlicherweise komme die Initiative, das Grundstück einer
Mehrfachnutzung zuzuführen, oft von den Discountern selbst. „Wenn das
Grundstück so eine Nutzung hergibt, sind wir gerne bereit, in die weiteren
Planungen einzusteigen. Das beginnt meist mit einem Ideenwettbewerb, einem
städtebaulichen Vertrag, der dann in einem Bebauungsplan mündet. Die
Bereitschaft ist von allen Seiten groß“, so der Stadtplaner.

Detlef Kron will aber auch nicht verschweigen, dass gerade Parkplätze in
den städtischen Lagen oft ein Problem sind. Aktuell diskutiere man in der
Stadt eine neue Stellplatzsatzung. Das Ziel: Überall dort, wo Stadtbezirke
vom öffentlichen Nahverkehr gut erschlossen sind und die wichtigsten
Einrichtungen auch zentral zu erreichen sind, sollte die Anzahl der
vorgeschriebenen Stellplätze für Wohnungen auch wieder reduziert werden
können. „Nicht jede Wohnung über einem Supermarkt braucht einen Stellplatz
und auch nicht jeder Käufer kommt mit dem Auto. Schließlich wollen wir ja
auch die Nahversorgung stärken.“

Letztendlich ändert der Bau von Wohnungen auf einem Einkaufszentrum oder
einem Supermarkt recht wenig an der aktuellen Wohnungsnot. Das weiß auch
Detlef Kron. Aber: „Wir müssen alle Chancen nutzen, die sich bieten,
irgendwo neue Wohnungen zu bauen“. Es sei ein Baustein unter vielen, sagt
er.  Neu sei die Überbauung von Parkplätzen allerdings nicht. Oft scheitere
so eine Idee aber an den Eigentumsverhältnissen. Nicht jeder Eigentümer
wolle sich auch noch mit anderen Nutzungen auseinandersetzen. Mögliche
Flächen gebe es hingegen genügend. Zum Beispiel den Parkplatz vor dem Haus
der Wirtschaft in Stuttgart, nennt Kron eine mögliche Fläche.“ Ich könnte
Ihnen ruckzuck noch einige andere Flächen nennen“.  So die geplante
Neubebauung im Bereich des Breuninger- und Züblinparkhauses. „Da sind wir
schon länger dran.“

Auch Privatleute sind gefragt. So hat die Wohnraum-Allianz der
Landesregierung im zurückliegenden Jahr untersuchen lassen, wie viele neue
Wohnungen entstehen könnten, wenn man bei bestehenden Gebäuden die
Dachstöcke zu Wohnungen ausbaut.  Doch Experten wie der promovierte
Stadtplaner Detlef Kron sind zurückhaltend. „Wo es geht, ermöglichen wir
natürlich Dachaufstockungen. Aber in den meisten Fällen rechnet sich das
nicht wirklich wirtschaftlich“, sagt er auch. Sei es, dass es alte Häuser
sind, wo die Statik ein weiteres Stockwerk nicht zulässt oder der
Brandschutz problematisch ist. „Wir begrüßen visionäre Projekte und wir
verzichten dann auch schon mal auf den Stellplatz, baurechtlich muss das
aber trotzdem passen.“

So gehe es immer mal wieder Anfragen. Der eine wolle einen Bungalow auf
einem Flachdach bauen, andere denken darüber nach, auf den freien
Dachflächen sogenannte Tinyhäuser zu bauen. „Ich würde so etwas sogar
begrüßen“, sagt Kron, räumt aber im gleichen Atemzug ein, dass sich auch
mit diesen Initiativen die Wohnungsprobleme der Stadt nicht lösen ließen.
„Das alles werden Ausnahmen bleiben. Auch wenn jede einzelne von ihnen eine
gute Idee ist“.

Doch wen zieht es aufs Dach? Soziologisch hat zumindest die
Landeshauptstadt das Thema noch nicht angedacht, weiß Detlef Kron. „Die
Wohnungen auf dem Gerber oder dem Milaneo sollen auch nicht die günstigsten
sein“.  Es habe schon eine gewisse Exklusivität, über den Dächern der
Landeshauptstadt zu wohnen und die obersten Wohnungen seien eigentlich
überall die teuersten.

Letztendlich liegt für Detlef Kron die Lösung nicht allein in der Höhe.
Sechs bis acht Geschosse seien ok. Sobald es ein Hochhaus wird, werde es
kompliziert, sagt der Bauexperte. „Hochhäuser rechnen sich erst dann, wenn
sie wirklich groß dimensioniert werden, sowie im Asemwald“. Und ein
weiterer Block im Asemwald? Bislang sei noch kein Projektentwickler auf die
Stadt zugekommen. „Wenn so ein Projekt klimatisch und städtebaulich
vernünftig ist, würden wir das sicherlich auch unterstützen“. Vor allem
weil auch nachgewiesen ist, dass man in solchen Gebäuden erheblich mehr
Wohneinheiten schaffen kann als mit Doppel- oder Reihenhäusern. Dennoch ist
Kron vorsichtig, wenn es zu hoch wird. Einzelne Hochpunkte will er auch in
Stuttgart nicht ausschließen. „Es macht aber keinen Sinn, die ganze Stadt
einfach hochzuzoomen.“

Die eine Lösung für die Wohnungsprobleme der Stadt hat aber auch Detlef
Kron nicht. „Wir begrüßen, dass immer mehr Menschen in die Stadt ziehen.
Jetzt muss aber auch einmal über den Umgang mit Wohnungsgrößen nachgedacht
werden“, sagt er. Andererseits beklagt auch der Stadtplaner, dass die
Planungen immer komplizierter und umfangreicher werden. „Manch ein
Bebauungsplan kommt einer Doktorarbeit gleich“. Außerdem gebe es
mittlerweile zu jedem Projekt das passende Problem. „Viele Planungen sind
einfach zu überfrachtet.“ Mittlerweile müsse der Bebauungsplan als
Allheilmittel für alle städtischen Probleme herhalten. Letztendlich kann
aber auch ein noch so guter Bebauungsplan nicht alle Probleme der Stadt
lösen.

VITA

Detlef Kron schloss sein Studium der Raumplanung an der Universität
Dortmund 1981 als Diplom-Ingenieur ab. Von 1982 bis 1985 war er
stellvertretender Leiter des Stadtplanungs- und Vermessungsamtes in
Rottenburg am Neckar, von 1985 bis 1998 stellvertretender Leiter des Amtes
für Stadtplanung und Stadtentwicklung in Paderborn.1998 wurde Detlef Kron
Leiter des Stadtplanungsamtes in Reutlingen. Im selben Jahr promovierte er
zum Dr. Ing. an der Universität Dortmund. Seit Mai 2001 ist Kron Leiter des
Amts für Stadtplanung und Stadterneuerung der Landeshauptstadt Stuttgart.
Detlef Kron ist Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik Stuttgart
(HfT) am Masterstudiengang Stadtplanung für die Bauleitplanung.°